Unfaire Geschäftspraktiken

von Karl Brodschneider

Was in den Lebensmittelketten als heurige Erdäpfel verkauft wird, könnte bereits im Vorjahr im Ausland geerntet worden sein.

Wer im heurigen Frühjahr in den Supermärkten Heurige kaufen wollte, musste fast detektivische Kenntnisse haben. Darauf macht Landwirtschaftskammer-Direktor Werner Brugner aufmerksam. Erstens um festzustellen, ob es sich bei den ausgelobten Heurigen auch tatsächlich um Heurige oder um ausländische Spätkartoffel handelt. Und zweitens, um herauszufinden, woher die Erdäpfel wirklich kommen.

Was sind Heurige?

Die „Store-Checker“ der Landwirtschaftskammer haben nämlich ausfindig gemacht, dass sich auffällig ausgelobte Heurige immer wieder als ausländische Spätkartoffel entpuppten. Brugner stellt klar: „Heurige sind dünnschalige und feinschmeckende Erdäpfel der neuen Ernte, aber keinesfalls festschalige Spätkartoffelsorten, selbst wenn Erdäpfel der neuen Ernte gesetzlich bis 10. August als Heurige bezeichnet werden dürfen.“

Trick mit dem Abpacken

Auch die tatsächlichen Herkunftsangaben der ausländischen Erdäpfel wurden trickreich verschleiert. Brugner: „Der meist österreichische Abpacker wird in großen Lettern angegeben, während das Herkunftsland klein geschrieben und erst nach längerem Suchen auffindbar ist.“

Unfaire Preise

Dem europäischen Lebensmittelhandel sind ausländische Kartoffel doppelt so viel wert wie heimische Heurige. „Während er Anfang Juni für israelische Importkartoffel pro Kilo 90 bis 95 Cent bezahlte, hatten die heimischen Erdäpfel-Produzenten das Nachsehen. Magere 40 Cent werden den heimischen Erdäpfelbauern trotz nachweislich höherer Produktionsstandards bezahlt“, haben die „Markt-Checker“ der Landwirtschaftskammer herausgefunden. „Das ist ein Schlag ins Gesicht der heimischen Produzenten und zeigt die unfairen Geschäftspraktiken auf“, sagt Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Titschenbacher. Er fordert den Handel auf, „den heimischen Erdäpfelbauern die gleichen Preise zu zahlen wie Anfang Juni den ausländischen Herstellern.“

Ökobilanz

Nicht unwesentlich sind auch die langen Transportwege der in den Regalen befindlichen ausländischen Kartoffel. So haben ägyptische Spätkartoffel unglaubliche 4100 Kilometer auf dem Buckel, während fein-zarte heimische Heurige aus dem Grazer Feld durchschnittlich nur 30 Kilometer bis zu den Regalen zurücklegen.

Kaufkraftvergleich

Auch sozial sind diese Drittstaaten-Importe problematisch: Für die Ägypter selbst sind Erdäpfel kaum leistbar. Ein Kaufkraftvergleich gemäß Big Mac-Index verdeutlicht die Dimension: Gemäß ägyptischen Bedingungen müssten Herr und Frau Österreicher kaufkraftbereinigt für ein Kilo heimische Heurige um 140 Prozent mehr zahlen: Statt einen Euro sollten die Verbraucher dann 2,40 Euro auf den Ladentisch legen müssen. Darüber hinaus sind in Ägypten und Israel die Produktionsstandards deutlich niedriger. Dort sind Pflanzenschutzmittel erlaubt, die hierzulande längst verboten sind.

Insgesamt 30 Proben

Die steirische Landwirtschaftskammer hat im März, April und Mai den Erdäpfel-Store-Check durchgeführt. Insgesamt wurden 30 Proben namhafter Lebensmittelketten gezogen. 18 Proben stammten aus Österreich, sieben aus Frankreich, drei aus Ägypten und zwei aus Israel.

 

Beitragsfoto: LK Danner

 

 

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