Wall- oder Pilgerfahrten sind mehr als nur touristischer Trend. Sie sind eine Reise in eine andere, geistige Welt – und oft auch zu sich selbst.
Auf den ersten Blick mag es paradox klingen: in Zeiten steigender Kirchenaustritte gibt es immer mehr Reisende zu religiösen Zielen. Wall- oder Pilgerfahrten werden immer beliebter. Wo jetzt ganz genau der Unterschied zwischen beiden Ausdrücken liegt, ist nicht endgültig geklärt. Ursprünglich kommt das Wort Pilger vom lateinischen „Peregrinus“ und bezeichnet denjenigen, der in der Fremde unterwegs ist. Wallfahrt kommt wahrscheinlich von „wandeln“ im Sinne von umhergehen. Wallfahrten sind übrigens kein rein katholisches Phänomen. Pilgerreisen zu Tempeln verehrter Götter gab es schon in der Antike.
Auch heute sind sie in so gut wie allen wichtigen Religionen weit verbreitet. Man denke nur an den Haddsch der Muslima nach Mekka und Medina. Obwohl es im Christentum keine Pflicht zur Wallfahrt gibt, haben die Gläubigen bereits im 2. Jahrhundert nach Christus damit angefangen, zu den Gräbern der Apostel von Petrus und Paulus zu reisen und haben so die Tradition der christlichen Wallfahrt begründet. Egal ob zu Fuß, mit dem Bus, der Bahn oder wie auch immer: wichtig ist auf alle Fälle das Ziel. Ob Santiago di Compostela, Fatima oder Mariazell – von solchen Orten geht eine magische Kraft aus, die den Wallfahrer die Strapazen seiner Reise leichter ertragen lässt. Nur um die Dimensionen dieser Art von Reisen vor Augen zu haben: allein nach Mariazell pilgern jedes Jahr mehr als eine Million Menschen. Etwa ein Viertel davon gehen auch wirklich zu Fuß!
Selbstfindung als Motiv
Und weil das Wort Wallfahrt unsprünglich von „wandeln“ kommt, soll sich natürlich auch der Gläubige selbst auf einer solchen Reisen wandeln. Das unterscheidet heutige Pilgerreisen von Wallfahrten früherer Zeiten. Da wurde in der Regel zu einem Wallfahrtsort gepilgert, um für etwas zu bitten, zum Beispiel um Heilung von einer Krankheit oder zu danken, etwa wenn man diese Krankheit überstanden hat. Im Prinzip gab es also oft praktische Gründe für eine Wallfahrt, wovon die unzähligen Votivtafeln in den Wallfahrtskirchen zeugen.
Heute geht es den Wallfahrern, neben dem touristischen, vielmehr um den spirituellen Hintergrund. Selbstfindung, Sinnsuche – das sind die Motive, die moderne Wallfahrer bewegen. Und das ganz unabhängig vom konkreten Glauben. Auf dem Weg nach Lourdes oder Međugorje trifft man auch eine große Anzahl an Menschen, die keiner Religionsgemeinschaft angehören. Und man trifft Menschen jeden Alters. Pilgerreisen haben sich losgelöst vom traditionellen Umfeld. Sie sind eine echte Reise zu sich selbst. Und die sollte doch jeder einmal unternehmen.
Beitragsbild: My Travel Lessons-stock.adobe.com