Gemeindebund-Präsident Erwin Dirnberger über die Pandemie und ihre Folgen, die Umsetzung der Gemeindebuchhaltung und neue Gesetze.
NEUES LAND: Für eine Herdenimmunität wäre etwa eine Durchimpfungsrate von 85 Prozent notwendig. Aber wir liegen bei der Coronaschutzimpfung in der Steiermark noch bei unter 60 Prozent. Was können die Gemeinden dazu beitragen, dass sich die Impfquote erhöht?
Erwin Dirnberger: Wir in den Gemeinden müssen unsere Bevölkerung überzeugen, dass diese Schutzimpfung wichtig ist. In meiner Gemeinde Söding-St. Johann haben wir zum Beispiel in Zusammenarbeit mit unserer praktischen Ärztin einen Impftag ausgeschrieben. 80 Personen sind gekommen. Das hat perfekt funktioniert und bewirkt, dass wir in unserer Gemeinde die Impfquote um 2,5 Prozent erhöhen konnten.
Corona-Hilfspakete
NL: Kommen wir zu den Corona-Hilfspaketen für die Gemeinden. Haben sie eine Wirkung gezeigt?
Dirnberger: Für die Gemeinden waren sie sicher hilfreich und sind es noch immer. Das erste Gemeindehilfspaket durch den Bund sah eine Milliarde Euro für kommunale Investitionen vor, davon rund 138 Millionen Euro für die steirischen Kommunen. Die Gemeinden bekamen vom Bund 50 Prozent der Investitionen gefördert. Dazu hat die Steiermärkische Landesregierung beschlossen, von den zweiten 50 Prozent die Hälfte zu übernehmen, was einzigartig in Österreich ist. Auch das zweite Hilfspaket mit 1,5 Milliarden Euro hat den Gemeinden geholfen.
NL: Lässt sich sagen, wie stark die Ertragsanteile (Steuermittel) im Vorjahr und heuer gesunken sind?
Dirnberger: 2020 sind sie im Jahresschnitt um durchschnittlich zehn Prozent gesunken. Die Prognose für heuer sah noch weitere minus zwei Prozent vor. Aber es könnte möglicherweise besser ausfallen, dass das Minus nicht so groß ist. Gut ist, dass der derzeitige Finanzausgleich verlängert wird, weil es jetzt keinen Sinn macht, Finanzausgleichsverhandlungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu führen.
NL: Eine der größten Herausforderungen für die Gemeinden in der letzten Zeit war die Umsetzung der Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung 2015, kurz VRV genannt. Was sind dabei die größten Problemzonen?
Dirnberger: Die Umstellung von Kameralistik auf Topik sowie die ganze Bewertung der Immobilien, Straßen etc. waren für die Mitarbeiter und Funktionäre eine Riesenherausforderung. Die frühere Kameralistik war einfach zu lesen. Das ist jetzt in dieser Art nicht mehr so einfach darstellbar und bedeutete daher eine gewaltige Umstellung.
Landtagsbeschlüsse
NL: Gemeinderelevante Themen im Landtag sind momentan das Raumordnungs- und Baugesetz, Ferienwohnungsabgabe und andere Gesetze. Bis wann sollen da die entsprechenden Beschlüsse gefasst werden?
Dirnberger: Bei der Raumordnung wird es Maßnahmen in Richtung stärkerer Mobilisierung geben, dass bestehendes Bauland genutzt und nicht neues ausgewiesen wird. Natürlich spielt auch die Geruchsproblematik eine Rolle. Wir wollen Regelungen treffen, die vom Raumordnungsgesetz ins Baugesetz hinüberspielen und nicht zu unterschiedlichen Aussagen führen dürfen. Das Ziel ist ein Beschluss noch im Herbst, damit wir mit Jahresbeginn 2022 eine neue Regelung haben. Das gilt auch für die anderen genannten Gesetze.
NL: Ist auf Gemeindeebene das Thema Klimaschutz schon ausreichend im Bewusstsein der Funktionäre angelangt?
Dirnberger: Die Rasanz der Klimaveränderung und ihre Auswirkungen merken wir immer deutlicher. Darauf müssen wir uns schon noch stärker vorbereiten und dafür auch die Bürger sensibilisieren, denn der Klimaschutz geht uns alle an.
NL: Letzte Frage! Gibt es in den Gemeinden Nachwuchsprobleme?
Dirnberger: Ich merke nicht, dass es Nachwuchsprobleme gibt. Ich glaube, dass die Gemeindestrukturreform dazu beigetragen hat, dass es jetzt solche Einheiten gibt, wo es interessant ist, Bürgermeisterin beziehungsweise Bürgermeister zu sein, wobei die Arbeit nicht leichter geworden ist. Natürlich ist es nicht immer einfach, Gemeinderäte zu finden. Man muss daher jenen sehr dankbar sein, die sich für diesen ehrenamtlichen Dienst zur Verfügung stellen.
Zur Person
Erwin Dirnberger (64) war von 1990 bis zum Jahr 2015 Bürgermeister in St. Johann-Köppling. Seit 2015 leitet er die Fusionsgemeinde Söding-St. Johann. Seit dem Jahr 1996 ist er Landtagsabgeordneter und ÖVP-Bezirksparteiobmann von Voitsberg (Lipizzanerheimat). Seit 2007 ist er Präsident des Gemeindebundes Steiermark.
Beitragsfoto: Brodschneider