Schwiegertochter und Schwiegermutter

von Karl Brodschneider

Ist auf den heimischen Bauernhöfen das Verhältnis zwischen der Schwiegertochter und ihrer Schwiegermutter besser als im Märchen?

 

Es ist doch wunderbar, wenn die Jungen ausströmen, die Welt entdecken und sich Partnerinnen finden. Und wenn das junge Paar sein Nest am heimatlichen Hof baut, könnte eigentlich alles in Ordnung sein. Oder? Dass diese Entscheidung der Jungen das bisherige Familiensystem erweitert und jemand zunächst „Systemfremder“ auf den Hof kommt, wird erst einmal wenig bedacht.
Mit im Gepäck der jungen Frau ist allerdings immer auch ihre eigene Familientradition – ergänzt durch persönliche Vorstellungen von gutem Leben und Arbeiten. Andrea, 32, erzählt: „Bei uns daheim wurde viel gelacht, die Ruhe und das gemeinsame schweigende Essen waren anfangs sehr fremd.“ 

Dazu kommt das natürliche Bedürfnis des jungen Paares, inmitten der Großfamilie sein Eigenes aufzubauen, sich zurückzuziehen und neue Rituale einzuführen. Dies wird von der älteren Generation oft als Bruch mit der Tradition erlebt und als Zurückweisung wahrgenommen. Dazu Hanna, 62: „Wir sind doch keine richtige Familie mehr, seitdem die Jungen allein essen wollen!“  

„Immer zu wenig“

Oft bringen auch unausgesprochene Erwartungen über die betriebliche Rolle der Schwiegertochter zusätzlichen Konfliktstoff. Tina, 35, schildert ihre Situation: „Egal, was ich machte, es war immer zu wenig.“ Auf der anderen Seite lässt Theresa, 65, wissen: „Als meine Schwiegertochter auf den Hof kam, wollte ich ihr mein gesamtes Wissen weitergeben – über die Tiere, die Heilpflanzen. Sie zeigte überhaupt kein Interesse, das hat mich sehr gekränkt.“ Der Weg zu einem klassischen Schwiegermutter–Schwiegertochter–Konflikt ist nicht mehr weit.

In meinen Beratungen höre ich von zahlreichen Verunsicherungen, dem Gefühl des Ausgeschlossen-Werdens. Maria, 76, sagt: „Wenn wir uns am Hof begegnet sind, hat sie den Kopf weggedreht.“ Und sie erzählt, wie meist kommentarlos Veränderungen an Hof und Haus vorgenommen werden: „Es war so, wie wenn ich gleichzeitig mit dem alten Stall weggeschoben werde.“

Hier zeigt sich oft ein wiederkehrendes Muster: Zunächst geht man aufeinander zu und hofft auf Verständnis von der jeweilig anderen. Eigene Vorstellungen und persönliche Wünsche werden dabei nicht formuliert. Erste Missverständnisse tauchen auf. Das Gefühl, nicht verstanden zu werden, nimmt überhand und verunsichert wird der Rückzug angetreten – und zwar beiderseits.
Eine bedeutende Aufgabe fällt hier dem Sohn zu. Seinen Eltern respektvoll die neuen Pläne zu kommunizieren, Kompromisse auszuhandeln und damit seiner Frau einen sicheren Platz am elterlichen Hof zu schaffen, kann vieles bewirken. Meist aber führen ihn seine Arbeiten aus dem Haus und wenn das Reden als „Frauensache“ gesehen wird, bleiben die beiden Frauen meist allein damit.

Eigener Wohnbereich

Besonders bewähren sich klare Besitzverhältnisse. Eine Bäuerin erzählt: „Seitdem es einen zweiten Gemüsegarten gibt, sind unsere Konflikte viel weniger geworden.“ Auch getrennte Wohneinheiten erleichtern ein Aufeinander-Zu-Gehen. Die Schwiegertochter schildert: „Erst als wir unsere eigenen Räume hatten, begannen meine Schwiegermutter und ich mit unserem Mittwoch-Kaffee.“

In Gesprächen mit professionellen Beratern und Beraterinnen werden oft weitere hilfreiche Sichtweisen gewonnen. Sich Zeit zu nehmen für ein Gespräch, um bereits früh Unklarheiten und Missverständnisse auszuräumen, unterbricht diese Konfliktspirale und erleichtert das Miteinander!

Jellenz Siegel

Birgit Jellenz-Siegel ist Obfraustellvertreterin im Verein „Zukunft Bauernhof“ und hat schon viele bäuerliche Familien in schwierigen Lebenslagen begleitet.

Lernaufgaben hält das Leben für beide Seiten parat. Wenn aber der Respekt vor der jeweils anderen Lebensweise wächst, sind wesentliche Schritte gemacht, wie Pia, 38, anmerkt: „Ich habe gelernt, dass ich die Lebensweise meiner Schwiegermutter nicht verstehen muss – ich respektiere sie jetzt!“ Und Anna, 72, sagt: „Mein Sohn hat sie zu seiner Frau gewählt und diese Entscheidung möchte ich anerkennen!“

Zur Autorin

Birgit Jellenz-Siegel. Psychologin, Lebens- und Sozialberaterin. Jahrelange österreichweite Seminartätigkeit für Landwirte und Landwirtinnen. Praxis in Graz, stellvertretende Obfrau von www.zukunft-bauernhof.at

 

 

 

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