Im Interview: Christine Aschbacher

von Karl Brodschneider

Bundesministerin Christine Aschbacher über Arbeitslosigkeit und die Herausforderungen für Familien während der Coronakrise.

NEUES LAND: Wir haben in Österreich derzeit einen Rekord an Menschen, die arbeitslos beziehungsweise in Kurzarbeit sind. Wenn die Rückkehr in die „neue Normalität“ gelingt, wie stark werden sich dann diese Zahlen in den nächsten Monaten ändern?

Christine Aschbacher: Unser größtes Anliegen ist es jetzt, Menschen in Beschäftigung zu halten und zu bringen. Den Höhepunkt bei den Arbeitslosenzahlen und den Anträgen auf Corona-Kurzarbeit hatten wir Mitte April. Seitdem gehen die Zahlen wieder leicht zurück. Ich habe immer gesagt: Kurzarbeit vor Kündigung. Denn damit haben die Menschen eine Arbeitsplatzgarantie und ein sicheres Einkommen – niemand bekommt weniger als 80 Prozent seines letzten Gehalts.

 

NL: Was kostet das eigentlich alles?

Aschbacher: Wir haben in Österreich derzeit über 100.000 Unternehmen, die in Kurzarbeit sind. Die Mittel dafür wurden mehrmals aufgestockt, jetzt stehen zehn Milliarden Euro zur Verfügung. Abgerechnet werden die tatsächlichen Ausfallzeiten. Wenn mehr gearbeitet werden kann als ursprünglich geplant, wird weniger abgerechnet als bereits genehmigt wurde.

 

Persönliche Schicksale 

NL: Welche Beschäftigungsgruppen werden nach dem Hochfahren der Wirtschaft trotzdem massive Probleme haben, einen Job zu finden? Und welche Maßnahmen werden für diese Menschen seitens Ihres Ministeriums überlegt?

Aschbacher: Wir haben es mit einer internationalen Krise zu tun, die auch uns in Österreich völlig überraschend und unverschuldet erwischt hat. Jetzt müssen wir versuchen, die langfristigen Folgen so gering wie möglich zu halten. Wir arbeiten gemeinsam mit Forschungsinstituten, den Sozialpartnern und den Expertinnen und Experten aus dem Haus an entsprechenden Maßnahmen. Eines ist uns dabei stets bewusst: Hinter jeder Arbeitslosenzahl steht ein Mensch, ein persönliches Schicksal. Mich macht das sehr betroffen, gleichzeitig nehmen wir wahr, dass der Arbeitsmarkt anzieht und wir wieder mehr Menschen vermitteln können – jede und jeder Einzelne ist wichtig.

 

NL: Wochen des engsten Zusammenlebens auf kleinem Raum haben Familien viel Stress gebracht, aber auch unerwartete positive Erfahrungen. Was lässt sich davon in die „neue Normalität“ hinüberretten?

Aschbacher: Die vergangenen Wochen waren eine intensive Phase für Familien. Es gab ganz unterschiedliche Herausforderungen: die Großeltern nicht sehen zu können, die Kombination aus Homeoffice und Kinderbetreuung, manche haben unverschuldet den Arbeitsplatz verloren. Hier federn wie Einkommensverluste mit dem Familienhärtefonds ab. Zugleich war es für viele eine schöne Erfahrung, dass die Familie mehr Zeit miteinander verbringen konnte. Es hat sich gezeigt, dass Homeoffice ein gutes Modell ist, das in Zukunft wahrscheinlich mehr Aufmerksamkeit bekommen wird. Wir werden die Erfahrungen aus der Krise intensiv analysieren und daraus konkrete Maßnahmen entwickeln.

 

NL: Die lange Schließung von Kindergärten und Schulen war in Hunderttausenden Familien in Österreich in den letzten zwei Monaten sicher das Hauptthema. Was können Sie heute, wenn Sie zurückschauen und vorausblicken, diesen Familien sagen?

Aschbacher: Familien haben in den vergangenen Wochen Großartiges geleistet. Daher möchte ich allen Eltern Dankeschön sagen und ihnen mitgeben: Seien wir nicht zu streng mit uns. Der dänische Familienexperte Jesper Juul hat gesagt, dass selbst die besten Eltern mindestens 20 Fehler pro Tag machen. Wenn wir mit unseren Kindern auf diese Zeit zurückschauen, können wir stolz darauf sein, dass wir es gemeinsam gut geschafft haben.

 

Held des Alltags

NL: Jetzt noch etwas Persönliches: Gibt es seit Mitte März in ihrem Leben noch so etwas wie Normalität und Zeit für die Familie?

Aschbacher: Die Arbeitstage in Wien dauern sehr lange und sind sehr intensiv. Gleichzeitig ist es schön, dass wir so viel geschafft haben in den vergangenen Wochen. Mein Mann war und ist mein Held des Alltags, gemeinsam mit unseren Kindern. Ohne ihn wäre das alles derzeit nicht möglich. Ich versuche, die Wochenenden bei meiner Familie in der Steiermark zu verbringen. Der Waldspaziergang mit den Kindern ist für uns ein wichtiges Ritual geworden. Das ist ein Fixpunkt am Wochenende.

 

NL: Welcher Verzicht tat Ihnen in der bisherigen Coronazeit am meisten weh?

Aschbacher: Natürlich vermisse ich meine Familie und meine Kinder besonders. Wir freuen uns, dass wieder andere Zeiten kommen. Es war auch schwer, dass ich meine Eltern solange nicht gesehen haben. Jetzt kommen wir gemeinsam Schritt für Schritt zurück zu einer neuen Normalität.

 

Zur Person:

Die gebürtige Wundschuherin Christine Aschbacher ist seit Jänner Bundesministerin für die Bereiche Arbeit, Familien und Jugend. Sie ist eine Bauerntochter und Mutter von drei Kindern. Zwischen 2012 und 2014 arbeitete die Steirerin als Referentin und Leiterin des Risikomanagements im Finanzministerium, später war Aschbacher im Wirtschaftsministerium tätig.

 

Beitragsfoto: Helmut Foringer/APA

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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