Präzision als große Chance

von NEUES LAND

Es klingt wie Zukunftsmusik, ist aber auch auf steirischen Feldern schon Realität geworden – Precision Farming (Präzisions-Ackerbau). Ein Video zum Artikel findet ihr hier.

Die Saatmenge berechnet nach der Schlagbeschaffenheit, der Traktor gesteuert von einem vollautomatischen Lenksystem, keine unnötigen Überlappungen, der Mähdrescher lässt keinen Halm stehen – das ist Landwirtschaft 4.0 oder anders gesagt „Precision Farming“. Auf Großäckern in den USA und Deutschland inzwischen Usus, galt Satelliten und GIS-Daten gestützter Landbau in der Steiermark bis vor wenigen Jahren noch als weißer Fleck. Mittlerweile ist die Vorstellung eines technisch derart hochgerüsteten Landwirts aber auch in unseren Breiten zu einem wichtigen Thema geworden. Gesteigerte Präzision und Effizienz sind Schlagworte, die wie Musik in den Ohren vieler klingen: Man sieht „Precision Farming“ als Chance, wieder besser im Wettbewerb mitmischen zu können. Steckt hinter dem gegenwärtigen Renner auf Landwirtschaftsmessen nur das Interesse der Technikindustrie oder tatsächlicher Fortschritt? Ist „Precision Farming“ auch für kleinere Betriebe eine Option?

Effizienzsteigerung

Mario Sigl, Verkaufsleiter von Gady, ortet besonderen Nutzen bei der Bewirtschaftung kleinerer, verwinkelter Schläge in kupiertem Gelände. Was zunächst unlogisch klingen mag, ergibt bei genauerer Betrachtung Sinn. „Es ist relativ einfach, auf großen, rechteckigen Äckern gerade Spuren zu ziehen, in der Steiermark sind solche Voraussetzungen oft nicht gegeben“, erklärt Sigl. Ein Parallelfahrsystem zeigt präzise an, wo gefahren wurde und findet zentimetergenauen Anschluss. „Bahnüberlappungen gehören der Vergangenheit an, gefürchtete ‚Dreispitz’-Flächen können lückenlos bestellt werden“, so Sigl weiter. Die Flächenleistung erhöht sich, man spart Saatgut, Spritzmittel und Diesel, zugleich wird der Boden geschont, die Einsatzzeiten werden flexibler. Parallelfahrsysteme bieten zudem den Vorteil, dass der Fahrer physisch und psychisch entlastet wird. Landmaschinenhändler Hanns-Georg Hochkofler meint dazu: „Gas geben und Lenken fallen weg, der Fahrer kann sich darauf konzentrieren, was ‚hinten’ passiert.“ Häufig stehen Chauffeure unter enormen Zeitdruck, insbesondere, wenn Schlechtwetter heraufzieht. „Es kommt vor, dass man zehn bis zwölf Stunden am Traktor sitzt, da hilft jede Erleichterung“, ergänzt Hochkofler.

Bei der Palette von Vorteilen fragen Landwirte sich, wie tief man in den Geldbeutel greifen muss, um „dabei zu sein“. Einfache Systeme sind mit rund 1000 Euro erschwinglich, jedoch fehlt es teilweise an Genauigkeit. Vollautomatische Lenksysteme, die mit daumenbreiter Präzision locken, kosten gegenwärtig stolze 15.000 Euro und mehr. Landtechnikexperte Franz Hödl weist darauf hin, dass auch jährlich eine Lizenz zu bezahlen sei: „Die Gebühr für die Benutzung des Satellitensystems beträgt 800 Euro.“ Ist es angesichts fallender Preise also notwendig, jetzt schon auf den Zug aufzuspringen? Oder überhaupt?

Landwirt als Betriebswirt

Hochkofler sieht in der Anschaffung eines höherentwickelten GPS-Systems eine Investition in die Zukunft. „Die Industrie ging Wege, die jetzt auch die Landwirtschaft beschreiten muss. Es geht darum, das Optimum aus dem Betrieb zu holen“, erläutert der Wirtschaftsingenieur. Darüber hinaus ist er überzeugt, dass die Forderungen des Agrarmarktes an die technischen Möglichkeiten angepasst werden. Die Felddaten können problemlos in den PC gespeist werden. „Über kurz oder lang werden Kontrollbehörden einen entsprechenden Nachweis fordern“, glaubt Hochkofler. „Wer vorne mitmischen will, wird früh aufstehen müssen.“

In der Praxis

Wer noch daran zweifelt, dass „Precision Farming“ in der Steiermark angekommen ist, der werfe einen Blick nach Vorau. Technik-Fan und Querdenker Alois Romirer-Maierhofer leistet hier Pionierarbeit: Für den 62-jährigen Bauern ist höchste Präzision im Ackerbau und ökonomisches Wirtschaften Philosophie, genauso wichtig wie ausgetretene Pfade zu verlassen und neue zu gehen.

Aufmerksam lenkt er den Traktor, der eine Direktsaatmaschine schleppt. Die Kabine ist gut schallgedämmt, der Motor brummt leise, im Radio läuft eine Reportage. Das Parallelfahrsystem behält er penibel im Blickfeld. „Für PKWs reicht die Genauigkeit handelsüblicher GPS-Systeme“, verrät er, „auf dem Feld braucht man ein Korrektursystem, das die Position des Traktors ungleich exakter berechnet.“ Wie genau die Korrektur ausfällt, ist letztlich eine Preisfrage. Während PKW-Navis den Standort auf einen Fünf-Meter-Radius eingrenzen, liefern High-End-Produkte aus der Precision-Farming-Cloud Ergebnisse bis zu 2,5 Zentimeter. Romirer-Maierhofer fährt seit zwei Jahren mit einem kostengünstigen Spurführungsassistenten. „Die GPS-Antenne habe ich an der Vorderachse und nicht am Dach montiert“, sagt er und grinst verschmitzt. Dadurch werde das Signal näher am Boden empfangen und Hanglagen vom System besser austariert. Besonders im Einsatz mit der Pflanzenschutzspritze sieht er entscheidende Vorteile, insbesondere nach der Direktsaat, wenn die Fahrgassen schwer erkennbar sind. Auf ebenen Äckern vermeide er unnötige Überlappungen, auf kleinen, verwinkelten Schlägen schaffe er hundertprozentige Flächendeckung. „Das kommt einer ökonomischen Betriebsführung sehr entgegen“, ist er überzeugt, „man spart Spritzmittel, reduziert Fahrwege und schont die Umwelt.“ Mehr noch, man erziele einen Dominoeffekt, denn nebenbei verbrauche man weniger Treibstoff und der Reifenabrieb werde verringert. Die Vorteile gelten im Wesentlichen auch für die Saat: Das GPS-System lässt Anbau bei Nacht, Nebel und staubenden Böden zu.

Verzichten möchte er auf die Lenkhilfe nicht mehr. Die Tendenz geht Richtung Expansion, obwohl ihn die Preise höherentwickelter Lenksysteme noch abschrecken. „Ich fahre zumeist am eigenen Betrieb, da muss man den Kosten-Nutzenfaktor besonders gut im Auge behalten“, erklärt er. Sicher ist, dass er und Sohn Martin am Puls der Zeit bleiben.

 

Foto: Deutz-Fahr.com

 

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