Erfahrungen sammeln

von Karl Brodschneider

Ihre „Große Praxis“ absolvieren die meisten Landwirtschaftsschüler im eigenen Bundesland, nur zwei bis drei Prozent gehen ins Ausland.

Daniel Fischerauer und Yvonne Nieß sind zwei von insgesamt 580 steirischen Fachschülern, die derzeit ihre „große“ Praxis absolvieren. Daniel arbeitet auf dem Bauernhof der Familie Scherz in Wundschuh. „Wir haben einen Milchviehstall mit 85 Kühen plus Kälber“, erzählt der Landwirt Georg Scherz und beschreibt das Aufgabengebiet seines Schützlings: Melkstand reinigen, Liegeflächen säubern, Kälber versorgen, Fütterung mit dem Futtermischwagen, Maschinen warten, mähen. „Daniel wird zu allen Tätigkeiten, die in der Landwirtschaft anfallen, herangezogen“, betont der Bauer und ergänzt: „Dabei ist er aber nie allein und manchmal ist es wichtig, dass er einfach nur zuschaut und sieht, wie wir es tun.“

Auch Yvonne ist auf einem Milchviehbetrieb tätig. Die Schülerin der Fachschule Schloss Stein hat sich den Betrieb Wurzinger in Fehring ausgesucht und wird hier vor allem in der Molkerei und Käserei eingesetzt. Aber auch das Melken und Füttern gehören zu ihrem Tätigkeitsbereich.

Von der Schule anerkannt

Das Fremdpraktikum zählt zum fixen Bestandteil der Ausbildung in den landwirtschaftlichen Fachschulen. Dabei ist es nicht entscheidend, ob der Betriebsinhaber eine abgeschlossene Meisterausbildung hat oder nicht. „Der Betrieb muss von der Schule lediglich anerkannt werden“, betont Landesschulinspektor Hannes Hütter. Für die Schüler der land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen dauert die Praxis 16 Wochen und hat im Regelfall jetzt im Juni begonnen. Bei den Fachschulen für Land- und Ernährungswirtschaft beträgt die Praxis zwölf Wochen und ist in den dritten Jahrgang integriert. Diese Schülerinnen und Schüler sind aber nicht nur auf Bauernhöfen im Einsatz, sondern – je nach Schwerpunkt ihrer Schule – auch in Tourismusbetrieben oder Sozialeinrichtungen.

Drei Viertel aller Schüler suchen sich ihren Praxisbetrieb selbst aus, der Rest greift auf das Adressenmaterial in den Schulen zurück. „Ich habe im Internet recherchiert und gesehen, dass die Familie Scherz Praktikanten aufnimmt“, berichtet der 16-jährige Daniel. „Ich möchte mich beim Milchvieh gut auskennen, wenn ich die Praxis abschließe“, sagt Daniel und fügt sofort hinzu: „Natürlich interessieren mich auch die Maschinen und das Reparieren.“

Die Auslandspraxis spricht bei den jungen Menschen keine große Rolle. „Vor den rund 580 Schülerinnen und Schülern arbeiten alljährlich nur etwa 15 auf Betrieben in Deutschland, England, Irland oder Norwegen“, berichtet Hütter. Er stellt eines sofort klar: „Die Praxis ist kein klassisches Arbeits- oder Dienstverhältnis, sondern Teil der Ausbildung. Die Schüler sollen etwas lernen und die landwirtschaftlichen Betriebe dürfen sich keine hundertprozentigen Arbeitskräfte erwarten.“

Kein Mangel an Betrieben

Gehen den Fachschulen ihre Ausbildungsbetriebe aus? „Nein!“, erklärt Hütter, „bis dato haben wir damit noch nie Probleme gehabt.“ Unterstützung erfahren die Praxisbetriebe dadurch, dass seitens des Schulwesens für alle Schüler eine eigene Kasko- und Haftpflichtversicherung abgeschlossen wird. Die Praktikantenverträge müssen die Bauern selbst mit ihren jungen Mitarbeitern abschließen.

Auf einen Umstand weist Hütter ausdrücklich hin: „Ein Praktikant ist kein Familienmitglied und unterliegt deshalb der Gurtenpflicht. Wenn zum Beispiel am Traktor keine Gurten sind, darf der Schüler damit nicht fahren!“ Ebenso betont der Landesschulinspektor die Wichtigkeit der Gefahrenunterweisung: „Der Bauer oder die Bäuerin sollen sich dafür Zeit nehmen. Das wäre auch ein Qualitätsmerkmal des Betriebs, denn am meisten erspart man sich, wenn alle gesund bleiben.“

Menschlich gereift

Nach dem Fremdpraktikum sind die Schüler oft zu jungen Erwachsenen herangereift. Erich Kerngast, Direktor der Fachschule Grottenhof, erklärt: „Dir Praxis bringt den Schülern enorm viel. Sie sehen fachlich viel Neues. Sie lernen, Verantwortung zu übernehmen und selbständig zu arbeiten. Dazu kommt der Loslösungsprozess von daheim.“ Landesschulinspektor Hütter legt sogar noch nach: „Zum Teil sind sie nach der Praxis wie ausgetauscht!“

 

 Beitragsfoto: Brodschneider

 

 

 

 

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