Die Fremdpraxis ist heuer ganz anders

von Karl Brodschneider

Für die steirischen Landwirtschaftsschüler kommt es heuer bei der Fremdpraxis zu spürbaren Veränderungen und mehr Heimarbeit.

Für die Schülerinnen und Schüler der dritten Klassen der land- und ernährungswirtschaftlichen Fachschulen begann am 23. März die zwölfwöchige Praxis. Diese hätten viele Schüler auch in Gastronomiebetrieben, in der Hotellerie, in Alten- und Pflegeheimen absolviert. Aber zahlreiche Ausbildungsplätze fielen der Corona-Krise zum Opfer. „Über 80 Prozent der Mädchen haben ihre Fremdpraxis nicht antreten können“, weiß Landesschulinspektor Johannes Hütter zu berichten. „Anstatt dessen absolvieren sie jetzt eine Art Heimpraxis im familiären Rahmen. Von ihrer Schule bekommen sie eine Betreuungsperson beigestellt, die ihnen praktische Aufgaben vorgibt und der sie detaillierte Wochenberichte übermitteln.“

Direktor Forstner

Christian Forstner ist Direktor der Fachschule Grabnerhof in Admont.

Für die Schüler der zweiten Jahrgänge an den land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen beginnt das 16-wöchige Fremdpraktikum normalerweise erst Ende Mai. Aber auch bei ihnen kommt es jetzt zu Änderungen. Nach Ostern wird das „Homelearning“ ausgesetzt. Sie sollen vorerst ein mehrwöchiges Heim- oder Lebensmittelhelfer-Praktikum ausüben. Die dadurch frei gewordene Unterrichtszeit wird, so Hütter, im Mai angehängt. Das Pflichtpraktikum wird dementsprechend gekürzt.

Keine Auslandspraxis

Aus der Auslandspraxis wird heuer gar nichts. „Wir hätten zehn Schüler gehabt, die außerhalb von Österreich ihr Fremdpraktikum gemacht hätten“, bedauert Direktor Christian Forstner von der Land- und forstwirtschaftlichen Fachschule Grabnerhof. Er macht auch auf ein weiteres Problem aufmerksam, das sich durch die Corona-Beschränkungen ergeben hat. Für das Fremdpraktikum brauchen die Schüler auch den Führerschein. Aber solche Führerscheinkurse finden derzeit nirgendwo statt, auch die Jagdkurse sind eingestellt.

Landesschulinspektor Hütter

Derzeit gibt es viele Anfragen an Landesschulinspektor Johannes Hütter.

Nicht nur in den Fachschulen, sondern vor allem auch in der Landesschulverwaltung hofft man, seitens der österreichischen Bundesregierung möglichst rasch mehr Informationen zu erhalten, wie es tatsächlich weitergehen soll. In den letzten drei Wochen wurden die Schüler über Lernplattformen und per E-Mail von ihren Klassenlehrern mit Übungsaufgaben versorgt. So wie es derzeit aussieht, wird dieser virtuelle Unterricht noch längere Zeit andauern. „Die Lehrer müssen sich am Rahmenlehrplan halten. Wie intensiv sie das vermitteln, bestimmen sie selbst“, sagt der Landesschulinspektor.

Notengebung

Für die spätere Notengebung sind alle Rückmeldungen der Schüler heranzuziehen. „Von einzelnen Lehrern habe ich sogar schon gehört, dass sie über Skype eine Prüfung abgenommen haben“, erzählt Hütter und ergänzt: „Ich höre seitens der Lehrer kein Verzweifelt-Sein, dass sie einen Schüler nicht abschließen können würden.“

Direktorin Karin Kohl

Karin Kohl leitet die FS für Land- und Ernährungswirtschaft Hartberg-St. Martin.

Der digitale Unterricht verlangt von den Schulpädagogen als auch von den Schülern ein Umdenken. „Die Fragestellungen müssen so ausgerichtet sein, dass die Schüler die Möglichkeit haben, eigene Erfahrungen einzubringen“, betont Karin Kohl, Direktorin der Fachschule für Land- und Ernährungswirtschaft Hartberg-St. Martin. „Es geht aber nicht nur um fachliches Wissen, sondern wir fordern von den Schülerinnen und Schülern auch soziale Kompetenzen wie Selbstverantwortung, Zeiteinteilung und Selbständigkeit. Vereinzelt zeigt sich aber schon, dass die Schüler Probleme mit dem sinnerfassenden Lesen haben.“

Die aktuelle Situation in den Schulen ist zweifellos ein riesiger Lernprozess für alle. Aber eines ist für Karin Kohl sicher: „Den Schülern gehen die Klassengemeinschaft und die Lehrer sehr ab. Sie freuen sich schon wieder auf den ganz normalen Unterricht!“

 

Beitragsfotos: Fachschule Grabnerhof, privat

 

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