Im Interview: Gerald Holler

von Karl Brodschneider

Demenzkranke Menschen werden immer mehr. Grund für LAbg. Gerald Holler, auf einen Kurs hinzuweisen, der sich an Bauernfamilien wendet.

 

NEUES LAND: In Zusammenarbeit mit der steirischen Landwirtschaftskammer und dem Verein Green Care Österreich machen Sie Werbung für einen im Herbst startenden Lehrgang, in dem es um ein spezielles Seniorenangebot geht. Warum?

Gerald Holler: Das hat zwei Gründe. Zum einen bin ich der Seniorensprecher der ÖVP im Steiermärkischen Landtag. Zum anderen ist es mir als bäuerlicher Mandatar ein großes Anliegen, unsere Bäuerinnen und Bauern auf Angebote hinzuweisen, die vielleicht mithelfen, dass sie ihre Betriebe gut weiterführen können. Oberstes Ziel sollte dabei aber immer sein, dass wir sie im Vollerwerb auf ihren Höfen halten können.

NL: Um was geht es in diesem Lehrgang eigentlich?

Holler: Der Kurs des LFI Steiermark richtet sich an Landwirte, die am eigenen Hof ein niederschwelliges, stundenweises Betreuungsangebot für Menschen mit beginnender oder leichter Demenz anbieten wollen. Aus den Gesprächen mit Senta Bleikolm-Kargl von der steirischen Landwirtschaftskammer weiß ich, dass es solche Demenzhöfe bereits in Nachbarländern wie zum Beispiel in Norddeutschland oder Südtirol gibt.

NL: Gibt es für die Bereitstellung solcher Angebote überhaupt einen Handlungsbedarf?

Holler: Ja, in jedem Fall! Laut dem aktuellen Demenzbericht haben wir in Österreich derzeit schon 115.000 Menschen, die an Demenz leiden. Bis zum Jahr 2050 wird sich diese Zahl verdoppeln. Überhaupt werden die Österreicher und Österreicherinnen im älter. Derzeit sind 1,4 Millionen zwischen 65 und 84 Jahre alt sowie 126.000 Menschen älter als 85 Jahre. Das heißt, dass da auch in punkto Pflege noch einiges auf uns zukommen wird.

NL: Damit schneiden Sie schon einen Punkt an, der gerade in bäuerlichen Familien eine große Rolle spielt, nämlich die Pflege der Angehörigen daheim. Wie stellt sich das dar?

Holler: In bäuerlichen Familien werden noch 80 Prozent der pflegebedürftigen älteren Menschen daheim auf den Höfen von ihren Familienangehörigen betreut. Das stellt für die betreuenden Personen oft eine große physische und psychische Belastung dar. Darum finde ich es aber so wichtig, dass es bei Menschen mit Demenz ein stundenweises Angebot gibt. Wenn man etwas zu erledigen hat, einen Einkauf machen möchte oder an einer Feier teilnehmen möchte, braucht man jemanden, der einem die Betreuung für einige Stunden abnimmt und wo man weiß, dass alles gut und sicher gemacht wird. Oder wenn jemand ein oder zwei Tage auswärts einer Arbeit nachgeht, ist er oder sie auch damit beschäftigt, dass in dieser Zeit jemand auf die demenzkranke Person schaut. Für jede Frau und jeden Mann, der Angehörige pflegt, ist es wichtig, dass man ab und zu von daheim wegkommt und entlastet wird. Die Gefahr ist sonst groß, dass die betreuende Person ausbrennt und vielleicht selbst gesundheitliche Probleme bekommt. Darum setze ich mich dafür ein, dass in der Steiermark solche Demenzhöfe entstehen.

NL: Was soll in diesem Lehrgang alles angeboten werden?

Holler: Grundsätzlich möchte ich festhalten, dass sich Bauernhöfe für solche Angebote gut eignen. Denn die Vielfalt an alltäglichen Aktivitäten am Hof fördert das Wohlbefinden und steigert die Lebensqualität der betroffenen Menschen. Und wir sprechen dabei auch nicht von Pflege, sondern von Betreuung. Die Inhalte des Lehrganges befassen sich mit den Grundlagen der Themen Alter und Demenz und mit der Alltagsgestaltung. Ganz wichtig ist auch, dass man dann als landwirtschaftlicher Betrieb nicht nur die fachliche Befähigung hat, sondern auch die rechtliche Absicherung. Am besten ist es aber, wenn sich Interessierte direkt mit Senta Bleikolm-Kargl von der steirischen Landwirtschaftskammer in Verbindung setzen (Anm. d. Red.: Telefon 0316 8050-1294).

NL: Haben Sie einen Wunsch für dieses Angebot?

Holler: Natürlich ist das Ganze nur eine von vielen Möglichkeiten, die sich für landwirtschaftliche Betriebe ergeben und natürlich weiß ich, dass so etwas nicht für jeden passt. Aber warum sollte es nicht möglich, dass es früher oder später in jeder steirischen Gemeinde einen Demenzhof gibt?

Zur Person:

  • Gerald Holler (48) ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.
  • In Stocking in der Marktgemeinde Wildon führt er gemeinsam mit seiner Familie einen landwirtschaftlichen Betrieb (Schweinezucht, Mast und Ackerbau).
  • Sieben Jahre war er Obmann der Bezirksbauernkammer Leibnitz.
  • Seit November 2019 ist er ÖVP-Landtagsabgeordneter und übt im Steiermärkischen Landtag unter anderem auch die Funktion des Seniorensprechers der ÖVP aus.

Zum Lehrgang

Der Green Care Lehrgang “Seniorenbetreuung am Hof” startet am 4. November 2021 im Steiermarkhof in Graz. Die Abschlusspräsentation ist im März 2022. Insgesamt gibt es 13 Kurstage mit 103 Unterrichtseinheiten. Dazu kommt ein 20-stündiges Praktikum. Es muss auch eine schriftliche Hausarbeit erstellt werden.  Die Lehrgangsinhalte umfassen: Persönlichkeitsbildung, Grundlagen der Gerontologie und Krankheitsbilder im Alltag, Alltagsgestaltung und Aktivierungsmöglichkeiten am Hof, Marketing, Recht, Konzept- und Angebotsentwicklung. 

Bleikolm-Kargl und Holler

Mag. Senta Bleikolm-Kargl von der steirischen Landwirtschaftskammer hat das Konzept für den Lehrgang “Seniorenbetreuung am Hof” erstellt. LAbg. Gerald Holler macht auch auf dieses Angebot aufmerksam.

Die Kosten sind: 450 Euro gefördert (Informationen über den geförderten Personenkreis unter www.stmk.lfi.at/bildungsfoerderung) und 2253 Euro ungefördert. Informationen zum Lehrgang beim Mag. Senta Bleikolm-Kargl, Telefon 0316 8050-1295 bzw. senta.bleikolm@lk-stmk.at)

Beitragsfotos: Michaela Lorber, Karl Brodschneider

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