Im Interview: Werner Brugner

von Karlheinz Lind

Werner Brugner, Direktor der Landwirtschaftskammer Steiermark, gibt eine spannende Leistungsbilanz über das abgelaufene Beratungsjahr.

NEUES LAND: Die heimischen Bäuerinnen und Bauern stehen vor immer größeren Herausforderungen. Wie wirkt sich diese Tatsache auf die Arbeit in der steirischen Landwirtschaftskammer aus?

Werner Brugner: Besonders stark nachgefragt waren 2021 die Beratungs- und Serviceleistungen der Landwirtschaftskammer. Mit konkret 118 verschiedenen Beratungsangeboten in allen land- und forstwirtschaftlichen Fachbereichen hat die Landwirtschaftskammer allein im vergangenen Jahr flächendeckend mehr als 160.000 Beratungen für die steirischen Bäuerinnen und Bauern durchgeführt. Damit nehmen die steirischen Bauernhöfe von der Landwirtschaftskammer im Schnitt 4,8 Beratungen pro Jahr in Anspruch. Wir waren trotz Covid 19 stets gut organisiert zu Diensten.

 

NL: Worauf legen Sie bei der Beratungsarbeit in Ihrem Haus besonderes großen Wert und wie hilft das den Landwirten?

Brugner: Unsere Beratungsleistungen sind ISO-zertifiziert und werden von den Bäuerinnen und Bauern im Rahmen unserer zweijährig durchgeführten Kundenzufriedenheitsumfrage mit der sehr zufriedenstellenden Note 1,5 nach dem Schulnotensystem beurteilt. Die heimischen Bäuerinnen und Bauern haben im abgelaufenen Jahr ihre Betriebe konsequent weiterentwickelt und modernisiert. Mit unseren vielfältigen Beratungs- und Serviceleistungen sowie unserer interessenspolitischen Arbeit unterstützen wir die mehr als 33.000 land- und forstwirtschaftlichen Betriebe sehr umfassend.

 

NL: Gerade die Land- und Forstwirtschaft unterliegt einer ständigen Weiterentwicklung. Wie reagieren die Betriebsführer auf ihren Höfen darauf?

Brugner: Die Land- und Forstwirtschaft ist ein wichtiger Wirtschaftsmotor im ländlichen Raum. Durch Modernisierungen und Investitionen machen sich die Betriebe zukunftsfit, wirken aktiv dem anhaltenden Strukturwandel entgegen und versuchen neue Marktpotenziale und Chancen zu nutzen. Konkret haben die bäuerlichen Familienbetriebe mit Hilfe der Kammer 3000 landwirtschaftliche und 1200 forstwirtschaftliche Investitionsvorhaben auf die Beine gestellt oder in die Wege geleitet. Allein im landwirtschaftlichen Bereich bedeutet dies ein Plus von eindrucksvollen 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dadurch wurde ein beachtliches Investitionsvolumen von 255 Millionen Euro ausgelöst.

 

NL: Das Aufgabengebiet reicht ja weit über den Beratungsdienst hinaus. Welche Leistungen werden neben der Beratung am häufigsten benötigt?

Brugner: Zentrale Aufgabe der interessenspolitischen Arbeit der Landwirtschaftskammer ist es, unseren Einfluss geltend zu machen und zu versuchen, neue gesetzliche Regelungen und Auflagen praxisorientiert und machbar mitzugestalten. 2021 hat die Landwirtschaftskammer 278 Gesetzes- und Verordnungsentwürfe auf Anwendbarkeit in der Land- und Forstwirtschaft überprüft sowie mit teils umfangreichen Stellungnahmen die agrarischen Positionen eingefordert. Bei jährlich 300 Verfahren vertritt die Kammer ihre Mitglieder auch kostenlos vor dem Sozialgericht und wahrt so die sozialrechtlichen Ansprüche beispielsweise beim Pflegegeld, bei Unfallrenten oder Erwerbsunfähigkeitspensionen. Außerdem vertritt die Kammer die Grundeigentümer bei Grundablösen sowie Grundinanspruchnahmen bei Errichtung von Infrastrukturprojekten wie beispielsweise Hochspannungsleitungen, Straßen- oder Bahnprojekten.

 

NL: Auch die Bildung spielt eine wichtige Rolle. Hat sich die Corona-Pandemie negativ auf diesen wichtigen Bereich ausgewirkt?

Brugner: Nein. Trotz der herausfordernden Corona-Situation hält das große Interesse an einer Meisterausbildung in den 14 landwirtschaftlichen Berufen an. 2021 haben 81 steirische Bäuerinnen und Bauern ihre Berufsausbildung mit der Meisterprüfung gekrönt. Ausgebildet hat die Landwirtschaftskammer auch 311 Facharbeiterinnen und Facharbeiter im zweiten Bildungsweg.

 

NL: Stichwort digitales Lernen. Werden hier die Angebote der Landwirtschaftskammer auch angenommen?

Brugner: Digitales Lernen ist auch in der Land- und Forstwirtschaft zur Selbstverständlichkeit geworden. 60 Prozent der von der Landwirtschaftskammer angebotenen Weiterbildungsveranstaltungen wurden online in Form von Webinaren, Farminaren oder Cookinaren durchgeführt. 22.000 steirische Bäuerinnen und Bauern haben an den rund 600 Weiterbildungsveranstaltungen der Landwirtschaftskammer in ihren Bildungseinrichtungen – dem Ländlichen Fortbildungsinstitut Steiermark (LFI), dem Steiermarkhof und der Forstlichen Ausbildungsstätte Pichl (FAST Pichl) – teilgenommen.

 

NL: Immer wieder werden von Ihnen auch zu Zwecken der Konsumenteninformation Herkunftstests von Lebensmitteln in Supermarktregalen durchgeführt. Warum ist Ihnen dieser Bereich so wichtig?

Brugner: Es ist der Landwirtschaftskammer auch ein großes Anliegen, die Steirerinnen und Steirer über Wert, Vorzüge und korrekte Herkunftskennzeichnung der heimischen Lebensmittel zu informieren. Dazu leisten insbesondere die heimischen Bäuerinnen an den drei Standorten der „Frischen Kochschule“ am Steiermarkhof in Graz, in Leoben und in Feldbach einen wichtigen Beitrag: Bei knapp 100 Kochkursen und online-Cookinaren haben sich im Jahr 2021 tausende Steirerinnen und Steirer für frisches, regionales Essen begeistern können. Äußerst bedeutsam für die Konsumenteninformation sind auch die Herkunftstests von Lebensmitteln in Supermarktregalen. Bei den fünf Store-Checks für Butter, Honig, Erdäpfel, Heurige und Apfelsäfte decken wir die tatsächliche Herkunft der agrarischen Rohstoffe auf. Damit schenken wir den Konsumenten über die wirkliche Herkunft der untersuchten Lebensmittel reinen Wein ein und wollen sie für regionale Lebensmittelqualität sensibilisieren.

 

NL: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen der Zukunft?

Brugner: Wenn das auch von manchen Akteuren immer wieder suggeriert wird, gibt es den Schalter dennoch nicht, den man nur umzulegen braucht, um Systeme oder Wirtschaftsmodelle in kurzer Zeit zu ändern oder maßgeblich zu beeinflussen. Unsere zentrale Herausforderung der kommenden Jahre wird sein, den bäuerlichen Betrieben im Rahmen der Berufsausbildung und berufsbegleitenden Weiterbildung ausreichend Qualifikation zu bieten. Mittels Beratung, Begleitung und Unterstützung wollen wir gewährleisten, dass trotz rasant fortschreitender Technik und Globalisierung betriebliche Entwicklung und Stabilität stattfinden kann. Meine feste Überzeugung dazu ist, dass nicht allein die Größe der Betriebe entscheidend ist. Jeder Betrieb, egal wie groß oder wie ausgestattet, verdient und bekommt unsere volle Unterstützung.

Zur Person:

  • Werner Brugner, Jahrgang 1962, absolvierte nach der Matura in Fürstenfeld das Studium Landwirtschaft an der Universität für Bodenkultur in Wien.
  • Brugner ist verheiratet, Vater von drei erwachsenen Söhnen und bewirtschaftet gemeinsam mit seiner Frau einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb mit der Hauptkultur Spargel.
  • Brugner ist auch musikalisch aktiv.

Beitragsfoto: kk

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