Studie zeigt Nutzen von Pflanzenschutz auf – Zulassung: Entscheidungen nur auf wissenschaftlicher Basis treffen – Zulassungsverfahren gewährleistet sichere Anwendung von Pflanzenschutzmitteln
Die Studie zu den Auswirkungen von gefahrenbasierter Gesetzgebung für Pflanzenschutzmittel in Europa (Originaltitel: „Cumulative impact of hazard-based legislation on Crop Protection Products in Europe“) im Auftrag der European Crop Protection Association (ECPA) untersucht die Effekte des Verlusts von 75 von insgesamt 400 Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen. Diese würden durch eine Umstellung vom risiko- auf den gefahrenbasierten Ansatz bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln verloren gehen. Durch die damit verursachten Ertragseinbußen und die schlechtere Qualität der Lebensmittel würde ein immenser landwirtschaftlicher und wirtschaftlicher Schaden entstehen, der rund eine halbe Million Arbeitsplätze in Europa gefährdet. Studienautorin Hedda Eggeling von Steward Redqueen präsentierte die Ergebnisse. Josef Plank, Generalsekretär der Landwirtschaftskammer Österreich (LK Österreich), und Christian Stockmar, Obmann der IndustrieGruppe Pflanzenschutz (IGP), erläuterten die Auswirkungen für die Landwirtschaft und die Pflanzenschutzmittelindustrie.
Eggeling: Innovationen fördern, um hohen Selbstversorgungsgrad aufrechtzuerhalten
„Pflanzenschutzmittel bringen höhere Erträge, höhere Umsätze und damit den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft“, so Hedda Eggeling. Denn die 75 Wirkstoffe tragen in Europa bei den sieben Hauptkulturen zum Gesamtertrag 96 Millionen Tonnen bzw. 15 Milliarden Euro bei. Bei Gerste, Weizen, Raps und Mais ist ein Ernteverlust von bis zu 20 Prozent zu erwarten, bei Kartoffeln und Zuckerrübe sogar bis zu 40 Prozent. Bei den 24 Sonderkulturen variiert der Mehrertrag durch die Wirkstoffe pro Hektar zwischen 40 und 100 Prozent, das entspricht einem Gesamtvolumen von 12 Millionen Tonnen. „Gemessen am aktuellen Bedarf riskiert die EU mit dem Verlust der Wirkstoffe die eigene Selbstversorgung mit Weizen, Gerste, Kartoffeln und Zuckerrüben“, so Hedda Eggeling. „Es wäre also fahrlässig, auf der einen Seite Wirkstoffe zu verbieten und auf der anderen Seite Innovationen durch Bürokratie zu erschweren. Die Rahmenbedingungen, um Wirkstoffe zu entwickeln, sollten verbessert werden. Nur so können entstehende Wirkstofflücken rasch geschlossen werden.“
Die Gewinne der Landwirte würden bei einem Verlust der Wirkstoffe durch sinkende Erträge und steigende Arbeits- und Produktionskosten um 17 Milliarden Euro sinken, wovon 15 Milliarden Euro auf sinkende Umsätze und zwei Milliarden auf höhere Kosten entfallen. Die Wirtschaftlichkeit würde sich damit um 40 Prozent reduzieren. Eggeling: „In der Landwirtschaft wären in Europa insgesamt eine halbe Million Arbeitsplätze in Gefahr. In Österreich sind es 30.000 von insgesamt 61.000 Arbeitsplätzen, also knapp die Hälfte.“ Denn die österreichische Produktion ist mit den 75 Wirkstoffen um zwei Millionen Tonnen höher und erwirtschaftet einen um 412 Millionen Euro höheren Umsatz pro Jahr. Die Erträge bei der Zuckerrübe würden im Schnitt um 35 Prozent sinken, jene für Weizen, Gerste, Mais, Kartoffeln und Wein um bis zu 25 Prozent. Gleichzeitig würden die Produktionskosten pro Hektar um bis zu zehn Prozent steigen, jene für die Zuckerrübe würden sich verdoppeln.
Plank: Beweislastumkehr im Pflanzenschutz schafft nur neue Probleme
„Wenn für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln nicht mehr das Risiko, sondern eine eventuelle Gefahr ausschlaggebend sein soll, es also zu einer de facto Beweislastumkehr kommt, dann widerspricht das der menschlichen Erfahrung und schafft mehr Probleme als es löst. Nach diesem Ansatz müsste nämlich auch das Autofahren verboten werden, da es nachweislich Menschen Schaden zufügen kann; sowohl jenen, die es fahren, als auch jenen, die es nicht fahren. Andererseits führt ein solches Verbot zu immer weniger Mitteln gegen Krankheiten oder Schädlinge, was Resistenzen fördert. Wir sollten uns deshalb bei der Entscheidung, den Pflanzenschutz noch verträglicher zu machen, nicht von Emotionen, sondern von wissenschaftlichen Erkenntnissen leiten lassen“, stellte LK Österreich-Generalsekretär Josef Plank fest und ergänzte: „Denn gerade eine ‚Low Input Landwirtschaft’ braucht maßgeschneiderte Instrumente, um auf neue Herausforderungen, wie sie der Klimawandel mit sich bringt, punktgenau reagieren zu können. Mit Verboten ist da nichts getan.“
„Die Bauern und ihre Partner in der Produktion brauchen nicht neue Probleme, sondern sichere Lebensmittel. Die Grundlagen dafür müssen Wissenschaft und Forschung liefern. Es kann jedoch nicht sein, dass wissenschaftliche Erkenntnisse von der Politik je nach Belieben anerkannt oder missachtet werden. Die Politik muss sich entscheiden: Entweder will sie ihre politischen Entscheidungen auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse treffen, oder sie handelt nach anderen Kriterien. Dann muss sie es auch sagen. Die Wissenschaft diskreditieren, wenn es der eigenen Meinung widerspricht, ist der schlechteste Weg. Das geht gar nicht“, so Plank deutlich. „Immer weniger Wirkstoffe führen zu immer weniger Mitteln, die die Bauern gegen Pflanzenschädlinge und -krankheiten einsetzen können. Resistenzen sind eine Folge, die Aufgabe von Produktionen, vor allem im Spezialbereich die andere. Verschwindet die Produktion eines Nahrungsmittels aus unserm Land, stehen wir über kurz oder lang vor neuen Problemen, wie dem Verlust von Wertschöpfung und Arbeitsplätzen, beispielsweise in der Verarbeitung. Außerdem müssen fehlende Lebensmittel importiert werden, oft aus Ländern, in denen Pflanzenschutz noch meilenweit von unseren jetzigen Standards entfernt ist“, so Plank abschließend.
Stockmar: Wirkstoff-Kahlschlag gefährdet Sicherheit der Nahrungsmittel
Aufgrund der teuren und 11- bis 13-jährigen Entwicklung von Wirkstoffen sowie dem mehrstufigen und langwierigen Zulassungsverfahren auf EU-Ebene ist es nicht möglich, Wirkstofflücken rasch zu schließen. Christian Stockmar, Obmann der IGP: „Die Breitband-Bürokratie und das zunehmend strengere Zulassungsverfahren erschweren Innovationen im Pflanzenschutzbereich. Es würde konservativen Schätzungen zufolge mindestens 15 bis 20 Jahre dauern, um die entstehenden Lücken zu schließen. Die Landwirte können in dieser Zeit die Ernte nicht vor Krankheiten schützen. Diese gelangen dann in unsere Nahrungsmittel“, unterstreicht Stockmar. Als Beispiel nennt Stockmar Mykotoxine, die schwerwiegende Folgen für die menschliche Gesundheit haben können. Sie kommen regelmäßig in Nahrungsmitteln vor, oft werden auch die Grenzwerte überschritten, wie die Rückrufstatistik der Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) zeigt. „Es stellt sich also die Frage: Wollen wir einen gut untersuchten Stoff, der nachweislich unterhalb der entsprechenden Grenzwerte unbedenklich ist, oder wollen wir Pilze in unserem Essen, von denen niemand sagen kann, welchen Schaden sie im Körper anrichten?“, so Stockmar.
„Weil Polemik und politische Kurzsichtigkeit im politischen Entscheidungsprozess schwerer wogen, als wissenschaftliche Fakten, kam es zu einigen Wirkstoffverboten. Aber der Wegfall von Wirkstoffen gefährdet nicht nur die Sicherheit unserer Ernährung, sondern auch die Versorgungssicherheit mit gesunden und qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln“, so Stockmar. Er betont, dass der risikobasierte Ansatz und das mehrstufige Zulassungsverfahren von Wirkstoffen eine ausreichende Sicherheit für Mensch, Tier und Umwelt gewährleisten. „Bereits jetzt muss eine Vielzahl von Studien und Analysen im Labor, im Glashaus und auf dem Feld durchgeführt werden, die das Verhalten der Wirkstoffe in Boden, Luft und Wasser untersuchen. Damit wird das Vorsorgeprinzip ausreichend beachtet und sichergestellt, dass die sachgemäße Anwendung sicher ist.“
Video: Nutzen von Pflanzenschutz am Beispiel Zuckerrübe
Hintergrund zur Studie
Die Studie „Cumulative impact of hazard-based legislation on Crop Protection Products in Europe“ wurde von Steward Redqueen durchgeführt und konzentriert sich auf sieben Hauptkulturpflanzen (Kartoffel, Gerste, Weizen, Zuckerrübe, Raps, Mais und Trauben) sowie 24 Sonderkulturen in den neun größten EU-Mitgliedsländern (gemessen an den landwirtschaftlichen Märkten). Insgesamt werden damit umgerechnet 49 Prozent des Ernteertragswertes des gesamten EU-Marktes abgedeckt. Die Analyse basiert auf einem Fünf-Jahres-Durchschnitt von Produktion und Kosten (2009-2013) und den aktuellsten statistischen Daten von Eurostat, FAOstat, FADN, WUR, Teagasc und DEFRA. Mit der vorliegenden Studie soll der Nutzen des modernen Pflanzenschutzes auf die europäische Landwirtschaft ermittelt werden.
Foto: LK