Die steirische Brot-Expertin Eva Lipp freut sich, dass das Brot-Backen boomt und erklärt, was ein gutes, selbstgebackenes Brot besonders auszeichnet.
NEUES LAND: Das Brotbacken erlebt eine Renaissance. Stimmt dieser Eindruck?
Eva Lipp: Das stimmt in jedem Fall. Insbesondere seit Corona haben viele Konsumenten damit begonnen, selbst Brot zu backen. Plötzlich war die Angst um das tägliche Brot da. Ich habe das erste Mal in meinem Leben erfahren, dass es beim Einkauf keine Germ und kein Roggenmehl mehr gegeben hat. Das Interesse an Brotbackkursen ist ungebrochen groß, obwohl wir leider in letzter Zeit nicht viele solcher Kurse durchführen konnten.
NL: Wer kann heutzutage überhaupt noch selbst Brot backen?
Lipp: Abgesehen von den Bäckern sind es insbesondere unsere Bäuerinnen, die es können, weil es auf den Bauernhöfen immer Tradition war, selbst Brot zu backen. Es gab dann zwar eine Zeit, wo viele damit aufgehört haben, aber jetzt kommt man wieder darauf zurück. Es hat einen anderen Stellenwert, wenn man es selbst gebacken hat. Man hat zum eigenen Brot einen ganz besonderen Bezug. Selbstgebackenes Brot ist einfach beliebt und vor allem in der Direktvermarktung sehr gefragt. Unseren Schätzungen zufolge gehen aber nur vier Prozent des gesamten verkauften Brotes über diese Schiene des selbst gebackenen Bauernbrotes.
Holzofenbrot
NL: Auffallend ist auch die Rückkehr zum Holzofenbrot. Wie erklären Sie sich diesen Trend?
Lipp: Grundsätzlich merke ich in meinen Kursen, dass man die Menschen mit der eigenen Begeisterung für das Brotbacken förmlich anstecken kann. Sie sind glücklich, wenn sie selbst etwas zusammenbringen und sie probieren dann auch immer wieder neue Wege. Wo zum Beispiel noch ein Holzofen vorhanden ist, wird dieser wieder in Betrieb genommen oder es wird sogar ein neuer Holzofen gebaut. Das Holzofenbrot besticht durch seinen vollendeten Geschmack mit einem leichten Anflug an rauchigen und harzigen Duftnoten.
NL: In unserer Kulturgeschichte hat Brot einen besonderen Stellenwert. Ist die Wertschätzung dafür nach wie vor hoch?
Lipp: Seit Corona hat dieser Stellenwert wieder zugenommen. Dabei gibt es schon viele Leute, die auf die Qualität großen Wert legen. Industrielles Brot hat nämlich nie eine Hand gespürt. Auch was die Inhaltsstoffe betrifft, sind in einem solchen Brot viele Dinge, die man in einem echten Brot nicht braucht. Wir brauchen nämlich nur Mehl, Wasser, Salz und den Natursauerteig. Für unsere Brote wird das Mehl oft in kleinen Mühlen gemahlen. Bei uns wird noch ausgewogen und mit der Hand oder Maschine geknetet. Unser Bauernbrot hat eine Seele, das industriell hergestellte Brot hat das nicht. Das spürt man auch beim Essen. Man merkt schon beim Brotkosten, wer es mit Liebe gebacken hat.
Brotvielfalt
NL: Wie groß ist die Brotvielfalt in Österreich?
Lipp: Sie ist sehr groß! Österreichweit kennen wir zirka 150 verschiedene Brote. Das sind Brote, die eine Bezeichnung haben, aber in Wirklichkeit sind es viel mehr. Bei den verschiedenen Broten spielt die Regionalität eine Rolle, damit zusammenhängend das Klima, wo welches Getreide gewachsen ist. Dabei zeigt sich eines. Das Brot, mit dem man aufgewachsen ist, ist das Lieblingsbrot der Menschen. Das bekomme ich immer wieder bestätigt, wenn ich in ganz Österreich unterwegs bin. Österreich hat eine große Brotvielfalt, auch weil wir viel verschiedenes Getreide haben. Das dunkle Brot gibt es im Vergleich zu anderen Ländern hauptsächlich nur bei uns.
NL: Wie stark ist dieser Unterschied bei den Broten in der Steiermark?
Lipp: Die Unterschiede sind groß. Im Liezener Raum oder nördlich von Hartberg sind fast nur reine Roggenbrote da. Aber je südlicher und östlicher man kommt, desto höher ist der Weizenanteil und desto heller werden die Brote.
NL: Welche Rolle spielt bei uns die Verwendung von Gewürzen?
Lipp: Gewürze sind in der Steiermark nicht so bedeutend wie in Oberösterreich, das immer schon ein Gewürzland war. Wir Steirer würzen wenig. Wenn ich ein gutes Natursauerteigbrot backe, brauche ich eigentlich keine Gewürze.
NL: Was zeichnet eine schönes, gutes, selbstgebackenes Brot aus?
Lipp: Für mich muss es eine schöne braune Farbe, die Brotfarbe, haben. Diese bekomme ich aber nur, wenn ich beim Einschießen die richtige Hitze habe. Weiters muss es eine schöne gleichmäßige Form besitzen. Für mich darf es mehlig und auch rissig sein. Wenn ich es anschneide, sehe ich sofort, ob es eine schöne Rinde und Krume hat und das Verhältnis zusammenpasst. Wenn ein Brot keine richtige Rinde hat, ist es kein gutes Brot. Zudem muss es eine schöne Lockerung haben. Es muss gut zum Kauen sein und natürlich sind für mich auch der Geschmack und der Geruch sehr wichtig.
Brotprämierung
NL: Kürzlich fand in der Steiermark wieder die Brotlandesprämierung statt. Gibt es das in jedem Bundesland?
Lipp: So lange wie bei uns gibt es das noch nirgends. Wir führen diese Prämierung schon seit 24 Jahren durch. Die Oberösterreicher machen das etwa seit 15 Jahren – aber nur im Zweijahresrhythmus. Auch in Kärnten gibt es seit einigen Jahren eine solche Bewertung, die dort aber ebenfalls nur alle zwei Jahre durchgeführt wird. Weiters gibt es noch die Wieselburger Verkostung, sie findet jährlich statt. Wir in der Steiermark haben die größte Verkostung und in Wahrheit haben wir eigentlich drei solche Prämierungen. Eine Prämierung gibt es für Früchtebrot, Striezel und Krapfen und eine für das Osterbrot. Diese Prämierungen haben sicherlich mitgeholfen, dass wir ein so tolles Brot haben. Die Brote und Bäckereien sind supergut und werden alle Jahre noch besser. Auch der Ehrgeiz wird dadurch angeregt.
NL: Wie sind Brote erkennbar, die bei der Landesprämierung ausgezeichnet worden sind?
Lipp: Die Landessiegerbrote sowie die ausgezeichneten Brote sind für die Konsumenten eindeutig erkennbar. Die Brot-Bäuerinnen beziehungsweise auch die Brot-Bauern umwickeln sie mit der Prämierungsschleife. Diese Brote garantieren höchste Qualität, außerdem stimmt der Preis. Neben dem Landessieg mit Siegerurkunden werden die besten Brote ferner mit der Ähre in Gold ausgezeichnet. 100 Punkte sind für diese Auszeichnung Voraussetzung. Nur makellose Brote können das gewinnen.
NL: Was darf selbstgebackenes Brot kosten?
Lipp: Ich würde mir wünschen, dass alle Bauern vier Euro pro Kilo Bauernbrot verlangen. Dinkelbrote und andere Brote kosten Gottseidank mehr. Ich empfehle unseren Bäuerinnen und Bauern immer wieder, dass sie auf die Preise am Markt achten, was die gekauften Brote kosten. Das Bauernbrot ist noch immer relativ günstig. Es wäre mehr wert. Wir brauchen nichts herzuschenken, wir machen beste Qualität.
Zur Person
Eva Lipp (59) ist seit 1982 in der steirischen Landwirtschaftskammer beschäftigt und begleitet seit 24 Jahren die Brotprämierung. Die Bauerntochter aus Edelschrott wohnt mit ihrer Familie in Leoben, wo sie zehn Jahre als Vizebürgermeisterin tätig war. Zudem war sie fünf Jahre lang Abgeordnete zum Steiermärkischen Landtag. Im Laufe ihrer Berufslaufbahn hat die ausgebildete Paneologin rund 30 Fachbücher zum Thema Kochen und Backen und einmal über das Leben auf der Alm geschrieben.
Foto: Brodschneider