Steiermarkhof-Leiter Dieter Frei über 70 Jahre Bildungsarbeit, das neue Kursprogramm und wie sich das größte Bildungszentrum Österreichs auf Corona-Einschränkungen eingestellt hat.
NEUES LAND: Vor 70 Jahren wurde im heutigen Steiermarkhof die Bildungsarbeit mit der Errichtung der Bäuerlichen Standesschule aufgenommen. Wann hat man sich von der ursprünglich reinen Ausbildungsstätte für junge Bauern und Bäuerinnen der gesamten Bevölkerung als Bildungszentrum geöffnet?
Dieter Frei: Ich blende noch kurz in das Jahr 1951 zurück. Das war keine einfache Zeit. Österreich war noch besetzt. Trotzdem haben die Verantwortlichen erkannt, dass Bildung der Schlüssel für die weitere Entwicklung ist. Das finde ich interessant, weil man trotz der geringen Ressourcen, die man hatte, massiv in die Bildung investiert hat. Mit der kulturellen Öffnung – wir feiern heuer ja auch 50 Jahre Hofgalerie – ist auch eine Öffnung des Hauses einhergegangen.
NEUES LAND: In der Zwischenzeit gilt der Steiermarkhof als das größte Bildungszentrum in ganz Österreich. Kann man das mit Zahlen und Beispielen belegen?
Frei: Vor Corona hatten wir über 70.000 Besucher und rund 12.000 Nächtigungen im Jahr. Von den rund 2000 Veranstaltungen werden ca. die Hälfte, also rund 1000 von der Landwirtschaftskammer bzw. landwirtschaftsnahen Vereinen und Verbänden durchgeführt. Die andere Hälfte sind Gastveranstaltungen.
NL: Wie unterscheidet sich das Bildungsangebot von heute gegenüber dem vor 20 Jahren?
Frei: Dazu eine persönliche Erfahrung. Ich bin seit 20 Jahren im Bildungsbereich tätig. Am Beginn war es ganz schwierig, junge Menschen für längere Ausbildung zu interessieren. Das hat sich gänzlich geändert. Die Teilnehmer:innen wollen eine umfassende Weiterbildung zu ihren selbst gewählten Schwerpunkten auf den Betrieben machen.
Wir haben im Jahr 2007 die Bildungsarbeit in der Landwirtschaftskammer neu ausgerichtet und fahren eine Zwei-Marken-Strategie. Wir haben den Steiermarkhof, der sich mit seinen vier Bildungsschwerpunkten – das sind Persönlichkeitsentwicklung, Ernährung und Gesundheit, Kreatives Gestalten sowie Kunst und Kultur – auch an die urbane Bevölkerung wendet. Und wir haben das LFI Steiermark, das ganz stark die Weiterbildungsprodukte für unsere Bäuerinnen und Bauern anbietet. Wir haben aber zum Beispiel keine Sprachkurse und EDV-Kurse im Steiermarkhof. Das bedeutet, dass es im Bildungsbereich schon eine deutliche Spezialisierung gegeben hat.
Neues Bildungsprogramm
Was sind nun die Schwerpunkte im neuen Bildungsprogramm 2021/22?
Frei: Die Highlights sind sicherlich im Ernährungsbereich die Frische Kochschule oder die Brotbackkurse, im Kreativbereich das Arbeiten mit Naturmaterialien bis hin zu alten Techniken. Im Kulturbereich sind es unsere Ausstellungen und Konzerte. So findet 2022 bei uns das Finale im Steirischen Hackbrettwettbewerb statt. In der Persönlichkeitsentwicklung gehen wir in Richtung Zusatzqualifikationen.
NL: Muss man sich als Bildungshaus von anderen vergleichbaren Einrichtungen unterscheiden?
Frei: Ich glaube, dass die Voraussetzungen für jedes Bildungshaus unterschiedlich sind und jedes Bildungshaus seine Stärken finden muss. Während der Lockdown-Phase haben wir mit digitalen Ausstellungen begonnen. Aus dieser Erfahrung im Kulturbereich heraus sind wir nun das erste und einzige Bildungshaus, das man auch virtuell besuchen kann.
Hybridkurse
NL: Im neuen Bildungsprogramm ist auch von Hybridkursen die Rede. Was heißt das?
Frei: Was machen wir, wenn es durch Corona im Herbst zu neuen Beschränkungen kommt? Daher haben wir als Steiermarkhof die modernste Hybridtechnik angekauft und acht Seminarräume damit ausgestattet. So besteht die Möglichkeit, den Kurs nicht nur in Präsenz mit zu verfolgen, sondern die Teilnehmer:innen können diesen auch von daheim aus am Bildschirm miterleben. Die Anforderungen an die Vortragenden werden dadurch aber ungemein größer. Fest steht, dass das Segment Online-Kurse neue Teilnehmer gebracht hat. Gleichzeitig haben sich andere verabschiedet. Insofern ist es auch in Zukunft sehr wichtig weiterhin Präsenzkurse anzubieten. Das direkte Miteinander-Kommunizieren kann die digitale Bildung nicht ersetzen. Deshalb haben wir auch klar gesagt, dass wir in der Berufsausbildung nicht mehr als 25 Prozent digitale Bildungseinheiten anbieten werden.
NL: Mit welchen Hoffnungen und Ängsten gehen Sie mit Ihrem Team in die nächsten Monate?
Frei: Im Bildungsbereich haben wir für den Herbst voll geplant und im Wirtschaftsbereich sind wir voll gebucht. Gestärkt gehen wir in den Herbst, da meines Wissens es keine andere Lokation in der Steiermark gibt, die Hybridveranstaltungen in der Qualität anbieten kann. Grundsätzlich haben wir nicht nur seit Corona gelernt, sehr flexibel zu arbeiten und sind darin schon sehr geübt.
NL: Bei einem großen Festakt am kommenden Dienstag begeht man nicht nur das Jubiläum „70 Jahre Steiermarkhof“, sondern auch das Jubiläum „50 Jahre Hofgalerie“. Warum messen Sie im Haus der Kunst und Kultur so breiten Raum ein?
Frei: Wir wollen kein Museum und keine bessere Galerie sein, aber Kunst und Kultur sind für uns ein Bildungsauftrag. Es gibt hier im Steiermarkhof einen niederschwelligen Zugang zur Kunst. Man besucht ein Seminar und geht an Bildern vorbei.
NL: Der Steiermarkhof arbeitet auch bewusst mit Symbolen. Aus der früheren Bezeichnung Raiffeisenhof wurde 2013 der Steiermarkhof. Zum Panther, der vor dem Haus thront, kommt jetzt der Stier. Was will man damit zum Ausdruck bringen?
Frei: Als Raiffeisenhof wurden oft als Teil der Raiffeisenlandesbank in Verbindung gebracht. Wir sind aber das Bildungshaus der steirischen Landwirtschaftskammer. Im Steiermarkhof spiegelt sich die Steiermark wider – ob das die Namen bei den Seminarräumen oder Zimmern sind. Daher war es uns wichtig, den Steirischen Panther als Symbol im Hof aufzustellen.
Mit der Bronze „Philo“ hat der Künstler Gerhard Almbauer versucht ein weiteres starkes Symbol und Wahrzeichen für den Steiermark zu schaffen. Genauso wie der Stier als Symboltier für Treue, Verlässlichkeit, aber auch Stärke und Ruhe strahlt der Steiermarkhof mit seinem Bildungs- und Kulturprogramm weit über die Grenzen der Stadt Graz und des Landes Steiermark hinaus. Im Stier „Philo“ vereinigen sich alle Werte und Tugenden, für die der Steiermarkhof und sein Team stehen.
Zur Person
Dieter Frei (48) ist gebürtiger Bad Mitterndorfer und studierte an der BOKU Forstwirtschaft. Seit dem Jahr 2000 ist er in der steirischen Landwirtschaftskammer beschäftigt. 2002 übernahm er als Nachfolger von Heiner Herzog die Leitung der Abteilung Bildung. Seit 14 Jahren leitet er den Steiermarkhof, das Bildungszentrum der steirischen Landwirtschaftskammer in Graz. Dieter Frei ist verheiratet, hat zwei Zwillingssöhne und wohnt mit seiner Familie in Hirschegg-Pack.