Wenn die Hagelhexen fliegen

von Karl Brodschneider

Bald bringen wieder Gewitter und Hagelunwetter Unheil und Zerstörung. Früher glaubte man, dass Hagelhexen und Wetterhexen solche Naturgewalten mitbeeinflussten.

 

Der Kampf gegen Wetterhexen beziehungsweise Hagelhexen ist so alt wie der Ackerbau. In den steirischen Hexenprozessen des 17. Jahrhunderts ging es hauptsächlich um das Wettermachen. So musste in einem Hexenprozess des Jahres 1580 die alte Keuschlerin Barbara Striegl eine grausame Folter und schließlich den Feuertod erleiden. Was hatte sie verbrochen? Mehrere Nachbarn, die mit ihr in Streit lagen, hatten sie angeblich während eines schweren Gewitters auf den Hagelwolken dahinfliegen sehen. Dem Gericht gestand sie unter der Folter, vom Teufel persönlich dazu angestiftet worden zu sein.

Wetterschütze am Reinischkogel

Dem alten Klugbauern vom Reinischkogel aus dem Stainzer Bergland soll etwas Unglaubliches widerfahren sein. Um etwa 1880 war er zum Wetterschützen bestellt worden. Mit seinen „Schlägen“, wie der Steirer die Böller einst nannte, hatte er die Weinriede der Umgebung von Hagelunwettern freizuhalten. Üblicherweise waren Böllerladungen mit Ziegelstaub und Lehm verdämmt. Um die Hagelhexen in den Wolken zu treffen, mischte man auch Schrotkörner dazu. Der Klugbauer verwendete zum Stopfen zusätzlich Blätter vom Mandlkalender mit Bildern von Heiligen und auch alte Sargnägel.

Wie viele andere Wetterschützen im Lande glaubte er unerschütterlich an die Wunderwirkung solcher Nägel und pflegte gewöhnlich drei auf das Pulver zu laden. Bei solch einem Schießen soll es ihm wirklich einmal gelungen sein, einen „Wetterflieger“, wie man die Hexen auch nannte, aus den Wolken herabzuschießen. Die Hexe blieb sodann im Herabstürzen an einem Lärchenast hängen und wurde augenblicklich von Krähen aufgefressen, noch bevor es dem Schützen gelungen war, seine seltsame Beute aus der Nähe zu betrachten.[1]

Mistgabel im Boden

Wie lange sich der Glaube an Wetterhexen – trotz meteorologischer Erkenntnisse – halten konnte, zeigte der Volksschriftsteller Karl Reiterer auf. Es dürfte um das Jahr 1930 gewesen sein, als er bei einer Wanderung im Sausal von einem Gewitter überrascht wurde. „Beim Breitenegger Kramer Hans fand ich endlich Schutz. Sorgenvoll blickten die Bauersleute auf den pechschwarzen Himmel. In der Stube saßen sie dann und beteten mit den Kindern den Rosenkranz. Aus dem Herrgottswinkel leuchtete die Wetterkerze, die Taufkerze des Erstgeborenen. Vor Tenne, Stall und Haus hatte der Knecht die Mistgabeln in den Boden gesteckt, die stählernen Spitzen in die Richtung gedreht, aus der man den Anflug der Hagelhexen erwartete.“

Eine alte Bäuerin in Hofstätten bei Kumberg hatte Reiterer erzählt, dass ihr Vater, ein passionierter Obstbauer, einen verzweifelten Abwehrkampf gegen die Wetterunholden führte und mit einem Schrotgewehr gegen die Wolken anschoss, wenn sich ein „Hexenwetter“, wie er zu sagen pflegte, ankündigte. Er verwendete nur Pulver, das ihm der Pfarrer am Hl. Dreikönigtag weihen musste. Vor jedem Schuss rief er laut gegen die Wolken einen Frauennamen. Er glaubte, wenn er den Namen der Hexe erriet, würde sie tot getroffen vom Himmel fallen.[2]

Wettertürme

Wetterturm

Im Freilichtmuseum Stübing sind noch zwei solche Wettertürme zu sehen.

Im Österreichischen Freilichtmuseum Stübing stehen zwei hohe aus Holz gezimmerte Türme, die alle Besucher in Staunen versetzen, wenn sie ihren Zweck erfahren. Es handelt sich um Wettertürme, acht und neun Meter hoch. Der höhere stammt aus Schaftalberg, der andere aus Schallendorf im Burgenland.[3] Auf ihrer höchsten Etage hing einst eine Wetterglocke. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg standen einige Dutzend derartiger Türme im Steirerland, die meisten in den Weinbergen um Leibnitz, einige sogar massiv gemauert. Weil im Jahr 1942 ihre Glocken der Buntmetallsammlung zum Opfer gefallen waren, wurden sie allmählich aufgelassen.

Der Brauch des Läutens gegen Gewitterwolken dürfte noch älter als das Wetterschießen sein. Laut Expertisen aus der Zeit um 1900 dringt die Wellenbewegung des Schalles bis in die Wolken und kann diese zerstreuen. Viele Kirchen auf Bergkuppen trugen einst eigene Wetterglocken, die besonders hell klangen. Die große Glocke in der Pfarrkirche von Kitzeck trägt die Inschrift: „Die Lebenden rufe ich, die Toten betrauere ich, die Gewitter vertreibe ich.“

Fotos: Freilichtmuseum Stübing/Archiv

Text von Herbert Blatnik

[1] Hugo Reinhofer, Volksaberglaube aus dem Koralpengebiet, S. 20. In: Zeitschrift für österr. Volkskunde, Wien 1901.
[2] Archiv der Gemeinde St. Peter i. S., Sammlung  Reiterer, „Der Sausaler Landmann“. [3] Mitteilung von Mag. Gerhard Teissl, Freilichtmuseum Stübing.

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