Der Kalendersammler

von Karl Brodschneider

Der Kalender mit dem Kornjockl, dem Brottommerl und dem Drischmichl auf dem Titelblatt ist bei Josef Lind gut aufgehoben. Er besitzt alle Mandlkalender seit 1800.

 

Der heute 70-jährige Josef Lind aus Altenberg in der Gemeinde St. Johann in der Haide erinnert sich noch ganz genau: „Ich war sieben Jahre alt, als ich meinen ersten Mandlkalender bekam.“ Heute besitzt er wahrscheinlich eine der größten privaten Mandlkalender-Sammlungen im Land. „Ab dem Jahr 1800 habe ich jeden Kalender“, erklärt er stolz. Sein ältester Kalender ist aus dem Jahr 1740. „Den habe ich allerdings nur in Fragmenten. Mein erster kompletter Kalender ist aus dem Jahr 1793.“

Der Mandlkalender ist ein Stück steirische Volkskultur. Mit seinen Heiligenbildern, Wettersymbolen und Tierkreiszeichen war und ist er vielen Menschen eine wichtige Orientierungshilfe. Josef Lind richtet selbst gewisse Arbeiten auf den Kalender aus. „Heuer setzten wir am 8. und 9. April die Erdäpfel, denn der Kalender zeigte mir die weichen Zeichen und abnehmenden Mond an.“ Und er berichtet, dass der Kalender heuer für Mariä Empfängnis tatsächlich Schneefall vorausgesagt hat.

Ob es noch weitere Steirer mit einer derart großen Mandlkalender-Sammlung gibt, weiß er nicht. Angesprochen darauf, ob er seine Sammlung verkaufen würde, winkt er sofort ab: „Nicht einmal, wenn mir jemand 20.000 Euro dafür bezahlen würde.“

Der Bauer Josef Fink hat aber auch andere Hobbys. Dazu zählen das Schnapsbrennen, das Holzrechen-Machen und das Herstellen von Weidekörben. „Und natürlich meine vier Enkelkinder“, fügt er lachend an.

Dauerbrenner seit 1706

Nun zur Geschichte des Mandlkalenders! Kaum zu glauben, aber wahr – ab 1706 durfte ein Grazer Buchdrucker mit Bewilligung der innerösterreichischen Behörden die ersten steirischen Bauernkalender drucken, und zwar mit dem Erscheinungsbild, das uns bis heute vertraut ist. Seit dieser Zeit hat er kaum etwas von seiner Beliebtheit eingebüßt. Auch die Auflagen änderten sich nur geringfügig, abgesehen von zwei Ausnahmen: Ab 1870 wurden die illustrierten Kalenderbücher immer beliebter, insbesondere der „Volkskalender“ von Peter Rosegger, und die Auflage wurde etwas reduziert. 1939 versuchten die Nationalsozialisten den Kalender ganz abzuschaffen, um den Steirern die Heiligenverehrung auszutreiben. Der Leykam-Verlag, nunmehr Gauverlag, durfte daher nur mehr einen Kalender in kleinerer Auflage drucken, in dem fast keine Heiligen mehr vorkamen.

Monatsbeschreibung

Die Beschreibung der Monate überrascht uns mit einer unglaublichen Fülle an Details. Nur die Namen der Heiligen sind ausgeschrieben, alles andere ist durch Symbole ersetzt, dem Umstand Rechnung getragen, dass zur Zeit der ersten Kalender kaum jemand lesen konnte. Sogar der Monatsname ist bildlich dargestellt: Im Jännerbild bringt ein Diener einem kranken Mann die Suppe, im Februar wird kräftig eingeheizt, im März beginnt die Arbeit am Acker usw. Darunter sind kleine Bildchen der Heiligen mit der Zuordnung zu ihrem Namenstag. Sie sind mit ihren Attributen versehen, Laurentius mit dem Feuerrost, Benedikt mit der Schreibfeder, Ursula mit dem Hinrichtungspfeil, Rupert mit dem Salzfass etc. Bischöfe sind als Bischofsmütze dargestellt, Päpste mit dem dreifachen Stabkreuz. Zwischen den Heiligen scheinen symbolhaft die Kirchenfeste auf und eine Sanduhr zeigt mit römischen Ziffern die Tageslängen an. Die Heiligen hatten – nicht nur für das Landvolk – die Funktion der Tagesbenennung. Man sagte nicht, „er kam am 23. April zur Welt“, sondern am „Georgstag“. Der Tag danach war der Tag nach „Georgi“. Auch für etliche Bauernregeln waren die Heiligen bedeutsam: „Zu Sebastian wenig Schnee tut Wald und Garten weh“. „An einem sonnigen Josefitag ich dir ein gutes Jahr ansag.“

Die Kontaktadresse von Josef Lind: Altenberg 5, 8295 St. Johann in der Haide, Telefon 0664 5936 305.

 

Beitragsfoto: Brodschneider

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