NEUES LAND: Als Nachfolger von Heinrich Herunter als Verbandsdirektor kommt Ihnen zukünftig große Verantwortung zu. Wie geht es Ihnen dabei?
Peter Weissl: Ich übernehme ein sehr gut organisiertes Haus mit hochqualifizierten und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dadurch ist gewährleistet, dass der Raiffeisenverband Steiermark weiterhin ein verlässlicher und kompetenter Partner für seine Mitgliedsbetriebe in Prüfung, Beratung und Bildung sein wird und damit einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung und Stärkung der Autonomie der steirischen Raiffeisen-Genossenschaften leisten wird.
NL: Sie sind ausgebildeter Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Wie werden Sie Ihre Erfahrungen in das Unternehmen einbringen?
Weissl: Die steirische Raiffeisen-Organisation steht auch in Zukunft vor großen Herausforderungen, für deren Bewältigung wir weiterhin innovatives Personal mit hoher Fachkompetenz brauchen werden. Mein Ziel ist es daher, den Raiffeisenverband Steiermark als attraktiven Arbeitgeber sowie als modernes Prüfungs- und Beratungsunternehmen auch außerhalb des Raiffeisensektors zu positionieren. Meine Erfahrungen aus anderen Wirtschaftsprüfungsunternehmen werde ich dabei einbringen.
NL: Mit rund 600.000 Mitgliedern und über 6000 Mitarbeitern sind die steirischen Genossenschaften aus dem heimischen Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken. In welchen Bereichen sehen Sie das größte Entwicklungspotential?
Weissl: Die Entwicklung der steirischen Lagerhausbetriebe ist in den vergangenen Jahren sehr zufriedenstellend verlaufen. Durch hohe Kreativität wurden immer wieder neue Wege gefunden, um erfolgreich zu bleiben. Großes Potenzial ist auch im Bereich der Erneuerbaren Energien, insbesondere im Bereich Photovoltaik, gegeben. Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) ermöglicht nunmehr die Gründung von Energiegemeinschaften, wofür die Genossenschaft die ideale Rechtsform ist und große Vorteile bietet. Da die Gründung gemäß neuer Rechtslage lediglich auf Ebene eines einzelnen Netzbetreibers kleinräumig möglich ist, wird es aber in der Steiermark, wo es die höchste Anzahl an Netzbetreibern gibt, im Vergleich zu anderen Bundesländern schwierig werden, Einheiten zu finden, die sich besser rechnen. Gute Perspektiven bestehen ebenfalls in den Bereichen Soziales, Tourismus und alternative Lebensmittelnetzwerke. Und in Bruck an der Mur wurde im heurigen Jahr die erste Schülergenossenschaft Österreichs gegründet.
NL: Der Raiffeisenverband ist für seine Mitglieder in vielen Fragen Ansprechpartner Nummer eins. Wo sehen Sie die Stärken in Ihrem Unternehmen?
Weissl: Mit Sicherheit in der hohen persönlichen und fachlichen Kompetenz unserer Mitarbeiter. Dadurch sowie aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit mit unseren Mitgliedsbetrieben ist eine hohe Prüfungs- und Beratungsqualität gewährleistet.
NL: Stichwort Unwetter: Wir werden nahezu täglich mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert. Welche Auswirkungen hat diese Tatsache auf die steirischen Genossenschaften?
Weissl: Unwetter führen häufig zu Ernteausfällen, mit denen die Kunden unserer Mitgliedsbetriebe bereits in der Vergangenheit konfrontiert waren. Allerdings beobachten wir in den letzten Jahren verstärkt auch strukturelle Veränderungen im landwirtschaftlichen Bereich, wie einen Rückgang der Anzahl der bäuerlichen Betriebe, was naturgemäß auch Auswirkungen auf unsere Genossenschaften hat. Andererseits ist die Steirische Hagelabwehr, welche hilft, Unwetterschäden zu verhindern, ebenfalls Mitglied des Raiffeisenverbandes Steiermark. Grundsätzlich ist die Produktpalette unserer Genossenschaften aber verstärkt auf Nachhaltigkeit ausgerichtet.
NL: Es gibt ja kaum Wirtschaftsbereiche in der Steiermark, die nicht von genossenschaftlich organisierten Unternehmen abgedeckt werden. Gibt es da noch Platz für neue Ideen?
Weissl: Die Genossenschaft ist in diesen Tagen aktueller denn je. Wenn Menschen heute von Crowdfunding sprechen, wissen nur wenige, dass die Genossenschaft hiefür die ideale Rechtsform ist, die neben hoher Flexibilität auch die notwendige Rechtssicherheit bietet. Erst vor kurzem haben wir etwa die Gründung der Genossenschaft Bäuerliches Versorgungsnetzwerk begleitet, welche sich auf die Vermarktung und die Versorgung von Gemeinschaftspflegeeinrichtungen und Großküchen mit regionalen Lebensmitteln spezialisiert hat.
NL: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen der Zukunft für die steirische Raiffeisen-Organisation?
Weissl: Die Raiffeisenbanken in der Steiermark haben in den vergangenen Jahren sehr gute Ergebnisse erzielt, sehen sich aber nach wie vor mit stark steigenden regulatorischen Anforderungen und einem historisch niedrigen Zinsumfeld konfrontiert. Dies hat in den letzten Jahren verstärkt zu strukturellen Veränderungen, wie insbesondere steigenden Unternehmensgrößen geführt, in denen sich die zweite und dritte Führungsebene wiederum mit höheren Anforderungen im fachlichen wie persönlichen Bereich konfrontiert sieht. Auf die Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich ist daher in Zukunft besonderes Augenmerk zu legen. Die steirische Lagerhaussparte ist ebenfalls sehr gut aufgestellt und hat in den letzten Jahren trotz Corona-Pandemie tolle Ergebnisse erwirtschaftet. Die größten Herausforderungen in diesem Bereich, auch für unsere Verwertungsbetriebe, liegen zukünftig sicherlich in der Bewältigung der Auswirkungen externer Einflussfaktoren, wie insbesondere des Klimawandels. Die sehr zufriedenstellende wirtschaftliche Basis und die nachhaltige Ausrichtung unserer Genossenschaften im Bereich Ware und Verwertung lässt mich aber zuversichtlich in die Zukunft blicken.
Zur Person
Mag. Peter Weissl ist ausgebildeter Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Der 45-Jährige stammt aus Feldbach und lebt nun mit seiner Familie in Hart bei Graz. Zwischenzeitlich war Weissl bei Deloitte in Wien und Moore in Graz tätig. Seit 1. September ist er Direktor des Raiffeisenverbandes Steiermark. Zu seinen Hobbys zählen Familie, Sport und die Jagd.