Mensch, Musik und Milch

von NEUES LAND

Wenn die Beziehung stimmt, fließt mehr Milch – davon ist Susanne Waiblinger, Österreichs renommierte Expertin in Sachen Haltung von Stalltieren, überzeugt.

 

Nicht wenige Bäuerinnen und Bauern glauben an Geheimrezepte, mit denen sie die Milchleistung ihrer Kühe steigern können. Manche meinen, dass sich das liebe Vieh von bestimmter Musik beflügeln lässt, andere sind überzeugt, dass man vor dem Melken ein kurzes „Plauscherl“ führen muss, und einige nehmen sogar an, dass es auf die richtige Beleuchtung ankommt. Hilft das wirklich? Das ist die Frage, die Susanne Waiblinger von der Veterinärmedizinischen Universität Wien immer wieder beantworten muss. Sie zählt international zu den führenden Experten zu zwei eng miteinander verbundenen Themenkreisen – nämlich Verhalten und Haltung von Wiederkäuern bzw. Mensch-Tier-Beziehung.

Expertin

Die Expertin: Susanne Waiblinger

Gute Nachricht

Die Tierärztin und Wissenschaftlerin hat eine gute Nachricht für all jene, die an ihr persönliches Doping glauben: Jede der genannten Methoden macht Sinn! Und die Erklärung dafür ist einfach: Der entscheidende Erfolgsfaktor ist immer der Mensch, dessen Tiere – in welcher Form auch immer – spüren können, dass sie ihm wichtig sind. Waiblingers Forschungen der letzten zwei Jahrzehnte bestätigen eindrucksvoll, dass der richtige Umgang mit den Wiederkäuern entscheidende Bedeutung für deren Gesundheit und Leistung hat.

Es geht also auch im Stall um Beziehungsarbeit. Und diese kann, so Waiblinger, von regelmäßigen Streicheleinheiten genauso geprägt sein wie von immer wiederkehrenden Ritualen. Und in diese Kategorie reiht Waiblinger auch die vielen Bemühungen ein, Kühe mit Klängen zu beglücken. Das helfe dabei, wie sie sagt, einen guten Draht zur Bäuerin oder zum Bauern herzustellen.

Und es hilft auch dabei, Angst-reaktionen und Stress im Stall zu vermeiden. Das wiederum reduziert nicht nur die Unfallgefahr, sondern auch das Risiko von Erkrankungen. Erst jüngst haben ausgewählte Landwirte aus Österreich und Deutschland an einem Coaching- und Schulungsprojekt in Sachen richtige Haltung, aber auch Mensch-Tierbeziehung teilgenommen, dessen Ergebnisse (in Australien) höchst bemerkenswert waren: Das Stresshormon Cortisol hat bei allen stark ab-, die Milchleistung hingegen deutlich zugenommen!

 

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Leistung und Gesundheit liegen in der Hand des Bauern, meint Susanne Waiblinger.

Atmosphäre

Jörg-Martin König, Landwirt in Nordrhein-Westfalen (Deutschland), fasst die Erkenntnisse für sich so zusammen: „Es geht darum, die richtige Atmosphäre zu schaffen!“ Er erhofft sich nun dadurch deutliche Gewinnsteigerungen, dass er die Beziehung zu seinen Tieren verbessert und dass er sie unter anderem auch weiterhin musikalisch versorgen wird.

Vinzenz Stern, einer der führenden steirischen Käser aus Rohrbach bei Hitzendorf, glaubt schon lange an die Kraft der Klangstrategie: „Wenn bei mir im Melkstand das Radio läuft, dann werden meine Kühe ruhiger, lassen sich länger melken und geben somit mehr Milch“, schwärmt er.

Musikrichtung

Heiß diskutiert wird weiterhin die Frage bleiben, ob bestimmte Musikrichtungen im Stall besondere Wirkung zeigen. In einer Großstudie der britischen Universität Leicester glaubt man jedenfalls entdeckt zu haben, welchen Musikgeschmack die dortigen Kühe haben. Sie wurden zwölf Stunden lang mit Sound verschiedener Stilrichtungen beschallt. Das Ergebnis: Eher sanfte Musik ließ die Milchausbeute im Vergleich zu Tagen ohne Beschallung um durchschnittlich drei Prozent ansteigen. Schnellere Rhythmen führten dann allerdings dazu, dass sie abnahm.

 

Musik im Stall

Top: Mozart, Beethoven, Bach, REM, Lou Reed. Klassische Musik beruhigt die Tiere sehr.

Flop: Beatles, Wonderstuff, Presley, Jackson. Pop und Rock kann Tiere erschrecken und sorgt für angespannte und nervöse Stimmung im Stall

 

Glückliche Haltung

  • Harmonische Beziehung zwischen Mensch und Tier
  • Ruhe
  • Genügend Auslauf
  • Kratz- und Spielmöglichkeiten
  • Große Auswahl an Futter
  • Dauerhaft frisches Wasser
  • Wiederkehrende Rituale: zum Beispiel Streicheln
  • Musik im Stall / beim Melken
  • Stresssituationen meiden (kein lautes Wort, keine unkontrollierten Bewegungen)
  • Keine Gewalt
  • Bei rebellischen Tieren viel an Sensibilität einbringen und sich laufend spielerisch mit dem Tier beschäftigen

 

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