Mein Weg: Waltraud Liebmann

von NEUES LAND

Die Weststeirerin Waltraud Liebmann über ihren steinigen Weg, eine „ganz normale Bäuerin“ zu werden und wie sie mit Rückschlägen in ihren Beziehungen umgegangen ist. Beitrag verfasst von Gudrun Preßler.

 

Bei meinen vielen Begegnungen mit Bäuerinnen treffe ich die unterschiedlichsten Persönlichkeiten. Oft faszinierende Frauen, die Stärke und Selbstbewusstsein vermitteln, ihre Höfe exzellent führen und daneben noch Interesse für zum Teil ganz konträre Bereiche zum bäuerlichen Leben haben. Mich interessieren ihre unvergleichlichen Biografien, die Entwicklungen und Wege, die dafür verantwortlich sind. Nicht immer kann man die positive Ausstrahlung eines Menschen mit einem glücklichen bisherigen Lebensverlauf gleichsetzen. Es sind oft das Scheitern, das Hinfallen und Wiederaufstehen, was uns fordert und stark macht.

Waltraud Liebmann, eine durchtrainierte Almbäuerin und Schihüttenbesitzerin am Salzstiegl, kenne ich von den Yogakursen, die ich im Winter für unsere Bäuerinnen organisiert habe. Sie hat uns auf ihre ganz spezielle Art vermittelt, unseren Körper zu mögen und ihm Gutes zu tun. Waltraud hat Charisma, Präsens, ist dennoch nicht aufdringlich, aber absolut motivierend. Mir, die so gut wie keinen Bezug zu spirituellen Dingen hat und die gerne den Boden unter den Füssen spürt, taten diese winterlichen Einheiten extrem gut. Danach haben wir uns aus den Augen verloren.

Pächter gesucht

Waltraud Liebmann

Für ihre Skihütte „Sunnhütt`n“ am Salzstiegl sucht Waltraud Liebmann einen Pächter.

Vor Kurzem las ich überrascht in einem Portal, dass Waltraud sich von ihren Gästen verabschiedet und einen Pächter für ihre geliebte Sunnhütt`n sucht. Massenweise standen darunter herzzerreißende Kommentare, die ihr Bedauern ausdrückten. Man liebte Waltrauds Gastfreundschaft, ihre selbstgebackenen Mehlspeisen und Gerichte. Ich rief sie also an. „Mein Leben war bisher eine Berg- und Talfahrt und ich entspreche als Bäuerin wohl nicht der Norm“, sagt Waltraud und weckt damit mein Interesse noch mehr.

Wir treffen uns auf ihrem schönen Bergbauernhof, den ihre Eltern mit unsagbarer Liebe, aber auch in schwerster Handarbeit bewirtschafteten. Ihr Vater war zusätzlich Postler, ihre Mutter eine Alleskönnerin. Waltraud ist die dritte von fünf Töchtern. Nach ihr kam nicht der erwünschte Sohn, sondern ihre Zwillingsschwestern. Durch ihr Anpacken am Hof, ihre technische Begabung und ihre gut lenkbare Art wurde sie zur Hoferbin erkoren.

„Ich wollte meinen Eltern den nicht vorhandenen Sohn ersetzen und zeigen, dass ich ihren Ansprüchen gerecht werde“, sagt Waltraud. Als ausgesprochen gute Schülerin kam aber der Wunsch, eine höhere Schule zu besuchen. Während die Lehrer sie förderten, hatten die Eltern wohl Sorge, dass sie mit einer guten Ausbildung nicht mehr zurück auf den Hof kommt. So besuchte sie die landwirtschaftliche Fachschule in Maria Lankowitz und begann eine Lehre als Koch-Kellnerin.

„Ich, das brave und immer funktionierende Mädchen, genoss zum ersten Mal Unabhängigkeit! Sehr zum Bedauern meiner Eltern. Nachdem für mich eine Familie mit Kindern zu einem Bauernhof gehörten und ich meine Zukunft dort sah, erwartete ich mit meinem damaligen Partner Kurt im dritten Lehrjahr unser erstes Kind. Nach Sohn Richard bekam ich mit 23 Jahren Tochter Julia.“

Natürlich brauchten die Eltern Zeit, um diesen Schock zu verdauen, aber sie unterstützten die junge Frau, wo es ging. „Kurt und ich hatten Zukunftspläne und bauten eine alte, fast verfallene Mühle, die im Besitz seiner Familie war, zu einer Schihütte um“, erzählt Waltraud. Diese Hütte, zu der man direkt von der Skipiste aus einkehren kann, war immer ihr Kraftplatz. Sie hat all ihre Energie dort hineingesteckt. Im Winter bei Vollbetrieb kam natürlich auch die Familie zu kurz. Ihre Mutter kümmerte sich um die Kinder und ihr Vater erledigte die Arbeiten in der Landwirtschaft.

Im Jahr 2003 übernahm Waltraud mit der Pensionierung ihres Vaters den Betrieb. In der Beziehung begann es allerdings zu kriseln. Im Nachhinein waren die beiden wohl zu jung für diese große Verantwortung und haben sich auch unterschiedlich entwickelt.

Eine neue Beziehung

Nach der Trennung von Kurt lernte Waltraud in der Skihütte ihren jetzigen Partner Horst kennen. Sie fühlte sich von ihm verstanden. Die Zwei haben sich ineinander verliebt und waren bereit dazu zu stehen, obwohl Horst dafür seine vorangehende Beziehung beenden musste. Jeder kann sich denken, was das in einem Dorf, in dem jeder jeden kennt, bedeutet. Vor allem als Frau von zwei Kindern wird man genau beäugt. „Wir haben das aber allen Unkenrufen zum Trotz durchgezogen, geheiratet und 2006 Sohn Martin bekommen.“

Horst zog auf den Hof. „Ich wollte wohl auch aus ihm einen perfekten Bauern machen, wie ich ihn in meinem Vater sah.“ So ging auch diese Beziehung durch einen Fehltritt von Horst in die Brüche, die Ehe wurde nach zwei Jahren geschieden.

Verletzt und emotional am Boden nahm Waltraud den Rat eines Freundes an und besuchte ein Karma-Seminar, obwohl sie bis heute ein normales Verhältnis zum katholischen Glauben hat. Aus heutiger Sicht war es für sie die richtige Entscheidung zur damaligen Zeit. „Ich habe zum ersten Mal die Erfahrung gemacht, dass ich als Mensch etwas wert bin, dass man sich seiner eigenen Bedürfnisse nicht zu schämen braucht und sich nicht ständig anpassen muss, um zu gefallen. Mir wurde bewusst, dass ich immer nur entsprechen wollte. Mein Ideal, eine ganz normale Bäuerin zu sein, habe ich mit dem Zerbrechen meiner Beziehungen in Wirklichkeit nicht erreicht, aber ich habe gelernt es zu akzeptieren. In den Seminaren habe ich Freunde gefunden, die ähnliche Probleme hatten. Das, worüber zuhause nie gesprochen wurde, konnte ich dort erzählen.“

Die einzige Konstante in ihrem Leben waren in dieser Zeit ihr Hof und die gut funktionierende Sunnhütt`n. Sie entwickelte wieder ein Gespür für das, was ihr wichtig war. Genau dieses Gespür hat sie trotz Widerstand ihrer gesamten Familie auch wieder zurück zu ihrem Partner Horst gebracht. Auch er hat aus seinen Fehlern gelernt.

Sie begannen die 64 Hektar große Landwirtschaft mit Mutterkuhhaltung, die bis auf 1500 Meter Seehöhe reicht, umzukrempeln. Bis 2011 wurde für den Eigenbedarf gemolken. Das wurde eingestellt. Horst hat eine Affinität zu Maschinen und bringt einen völlig neuen Ansatz bei der Hofarbeit mit. Auch die Eltern sehen mittlerweile die Vorteile und so ist Ruhe in das Familienleben eingekehrt.

Yogakurse auf der Alm

Waltraud hat die Sunnhütt`n 25 Jahre lang exzellent mit einem hervorragenden Team geführt. Daneben hat sie eine Yogaausbildung gemacht und hält Kurse ab. Vor allem die Yogakurse auf der Alm boomen. Meine Frage: „Warum verpachtest du jetzt deine Skihütte, wo es so gut läuft?“

Yoga Kurs

Waltraud Liebmann leitet verschiedene Yoga-Kurse. Sehr beliebt sind ihre Kurse auf der Alm.

„Die Wintermonate fordern mich schon sehr und sind inzwischen auch eine körperliche Belastung. Ich möchte auch nicht ständig wie eine Verrückte dem Geld hinterherlaufen.“ In nächster Zeit wird Waltraud mehr Yogakurse anbieten und eine dreijährige Ausbildung machen, bei der es um traditionell überlieferte Ernährungstechniken geht.

Horst und der inzwischen 17-jährige Sohn Martin gesellen sich zu uns auf die Terrasse. Da sitzt wohl der zukünftige junge Bauer neben uns. Wünschen wir ihm auf seinem Weg alles Gute! Möge er das Glück in seinen Beziehungen erfahren, das seiner Mutter lange verwehrt blieb.

Wie oft sind wir wertend und beurteilen Menschen nach dem, was wir gerade sehen oder hören. Oft ist es nur ein kleiner Teil eines Gesamtbildes. Dieses ganze Bild zeigt eine Frau, die gelernt hat, mit Höhen und Tiefen umzugehen, die nach dem Hinfallen wieder aufgestanden ist und die sich ihrer Verantwortung nie entzogen hat. Waltraud, du bist eine ganz starke Bäuerin und du hast verdammt viel Mut zur Ehrlichkeit! Ja, es menschelt auf unseren Bauernhöfen!

 

Fotos: privat

 

 

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