Eineinhalb Jahre kämpfte ihr Mann Seppi mit einer Krebserkrankung und verlor diesen Kampf. Iris Herzog über diese Zeit des Hoffens und Bangens und über die schwere Zeit danach. Beitrag verfasst von Gudrun Preßler.
Ein Teil der Geschichte von Iris Herzog ist tief in meiner Erinnerung verwurzelt. Mein Mann Werner und Iris’ viel zu früh verstorbener Mann waren nämlich Kammerobmann-Kollegen. Seppi war ein aufstrebender, äußerst talentierter junger Bauer und Politiker. Einer, den man durch seine ruhige und ausgeglichene Art, seine Authentizität und Teamfähigkeit in der Bauernschaft sehr schätzte. Seine Laufbahn wäre wohl noch steil bergauf gegangen, wenn nicht sein früher Krebstod dem Ganzen ein jähes Ende bereitet hätte.
Schon damals erzählte man von der schwierigen Lage seines Bergbauernhofes in der vormaligen Gemeinde Großstübing. Hier, nahe der Kirche, lässt sich die Steilheit nicht erahnen, die einen entlang der Silberbergstraße erwartet. Da liegen die Höfe an Hängen, denen man ein kleines Stück ebenes Bauland abgerungen hat. Unfassbar steile Wiesenflächen, fein säuberlich von Bauernhand gemäht. Iris erwartet mich vor dem schönen Bauernhaus, dass sie mit Seppi gebaut hat. Auch das Stallgebäude haben die beiden umgebaut. Man sieht an jeder Ecke, wie viel Liebe in den Moasterhof, so der Vulgoname, gesteckt wurde.
Iris hat sich im Vorfeld mit ihren beiden Töchtern abgesprochen, denn es ist auch die Geschichte ihrer Kinder und die des Hofes. „Ich habe meinen Partner und Lebensmenschen verloren, die Kinder ihren Vater und der Hof seinen Bauern!“ Theresa, die jüngere Tochter, sitzt mit uns am Tisch. Als wir tiefer in die Vergangenheit eintauchen, verlässt sie uns. Zu schmerzlich sind die Erinnerungen.
Hochzeit im Jahr 2000
Iris erzählt von der glücklichen Zeit mit Seppi, den sie schon seit der Kindheit kannte. Beim Fortgehen in der Landjugendzeit erwachte die Liebe zueinander. 1995 zog sie zu Seppi auf den Hof, ins Moasterhaus, das immer gastfreundlich und offen war. 1998 übernahm Seppi den Betrieb und im Juni 2000 wurde geheiratet. Das Glück schien mit der Geburt der beiden Töchter Sophie (2002) und Theresa (2008) perfekt zu sein.
Seppi war neben der herausfordernden Arbeit am Hof inzwischen in vielen Funktionen tätig und erfuhr als Vizebürgermeister von Großstübing und Kammerobmann von Graz-Umgebung große Zustimmung. 2015 bemerkte Iris aber eine Veränderung bei ihrem Mann. Sie dachte an eine Art „Burnout“.
Aber eines Tages konnte Seppi wegen extremer Schmerzen in Schulter und Oberschenkel kaum mehr vom Traktor absteigen. „Nach vielen Untersuchungen bekamen wir am 4. August 2015 von den Ärzten die bittere Diagnose: Prostatakrebs! Es begann eine Zeit des Hoffens und Bangens. Man hofft, dass sich durch die Therapien Besserung einstellt und bangt bei jeder Veränderung.
Obwohl es ihm zwischendurch besser ging, hat Seppi einige Funktionen zurückgelegt, um mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. Kostbare Zeit, wie man im Nachhinein weiß, denn die Krankheit legte nur eine kurze Pause ein.
Die Wucht der Wahrheit
Nachdem sich sein gesundheitlicher Zustand zusehends verschlechterte, konfrontierten uns die Ärzte mit der vollen Wahrheit. Am 5. Februar 2017 erfuhren wir, dass seine angeschlagenen Organe den Vergiftungsprozess in seinem Körper nicht mehr aufhalten konnten.“
Man mag sich keine Vorstellung davon machen, was das für eine junge Familie bedeutet, aber Iris wollte ihren Mann in seinen letzten Tagen bei sich und den Kindern auf dem Hof haben. Dank einer einfühlsamen Ärztin wurde der Familie dieser Wunsch erfüllt.
„Seppi kam nach Hause und hat in dieser Woche alles Notwendige für uns geregelt. Es wurde der Viehbestand reduziert, Pachtflächen abgestoßen, die Übergabe an mich vorbereitet. Er hat mir alle Mittel in die Hand gegeben, um frei entscheiden zu können, sei es der Verkauf, eine Verpachtung oder die Weiterbewirtschaftung des Hofes. Eigentlich möchte man in diesen Stunden nur sagen, `Bitte, lass mich nicht allein!`, aber man funktioniert und ist stark.“
Seppi hat sich von den wichtigsten Menschen in seinem Leben verabschiedet. Die Kinder waren bis zum letzten Tag an seiner Seite. Man spürt die Traurigkeit und den Schmerz, wenn Iris von den Tagen des Loslassens erzählt.
„Von nun an ist man für alle Entscheidungen allein verantwortlich,“ sagt Iris, die die darauffolgenden Tage wie in Trance erlebt und kaum eine klare Erinnerung daran hat.
„Die Realität holt einen relativ schnell zurück! In dieser schwierigen Situation stand mir unser damaliger Kammersekretär Franz Höfler in vielen Fragen beratend zur Seite. Er wies auch auf die negativen Folgen einer etwaigen Verpachtung hin. Ich beschloss also, den Hof für meine Kinder weiterzuführen.
Ankerpunkt Familie
Die Familie war in dieser Zeit unser wichtigster Ankerpunkt. Seppis Mutter und seine Geschwister, die selbst sehr betroffen waren, halfen am Hof mit. Mein Papa verrichtet bis heute tagtäglich notwendige Arbeiten und ist für mich beinahe unabkömmlich. Meine Mama hilft mir jederzeit bei Hausarbeiten oder chauffiert die Kinder, wenn es notwendig ist. Meine Eltern und auch Seppis Mutter, die bei uns am Hof lebt, sind wichtige Bezugspersonen für die beiden Mädchen. Und es hat sich so ergeben, dass mein Bruder Thomas, dessen Kinder im selben Alter sind, zu einer Art Vaterfigur für Sophie und Theresa wurde.
Dank unserer Nachbarn und Freunde und einer gut funktionierenden Dorfgemeinschaft konnte ich die großen und gefährlichen Arbeiten am Betrieb bewältigen. Bis heute besteht dieser fast familiäre Zusammenhalt, wo man sich gegenseitig unterstützt. Freundschaften zu pflegen und Nachbarschaftshilfe zu leisten war Seppi immer ganz wichtig. Nun kam all das zurück.“
Aber auch aus finanzieller Sicht war Iris gefordert. Der Hof wurde geschätzt, wie das bei minderjährigen Kindern notwendig ist. Die Witwenpension hätte nicht einmal 800 Euro betragen. Also ging sie weiterhin einer Nebentätigkeit als Assistenz in einem Büro eines Elektrogroßhandels nach, die sie begonnen hat, als Seppi in seinen Funktionen kürzertreten musste. „Bis heute ist das meine Haupteinnahmequelle. Mein Chef hatte immer Verständnis für meine Situation. Ich kann mir die Arbeit einteilen und fünfzig Prozent im Homeoffice erledigen. Natürlich musste ich dadurch auf die Witwenpension verzichten.“
Kinder machen ihren Weg
Während unseres Gesprächs kommt Sophie nach Hause, eine ebenso bildhübsche junge Frau wie ihre Schwester Theresa. Nach der Matura bei den Schulschwestern in Eggenberg und nach der Hochschule für Agrar- und Umwelttechnik in Ober St. Veit wird sie im Herbst in der Fachschule Grottenhof in ihr berufliches Leben einsteigen.
Man spürt, wie geerdet und vernünftig Sophie ist. Sie weiß ganz genau, was sie will und ist mit dem Hof so vertraut, wie es ihr Vater war. „Sie bedient alle Gerätschaften am Hof, macht die Arbeiten mit dem Traktor und geht in den Stall. Auch Theresa, die bald eine Lehre als Labortechnikerin beginnt, arbeitet gern in der Landwirtschaft mit. Ihre Leidenschaft zu den Pinzgauer Ziegen zeichnet Theresa besonders aus Wir sind gerade dabei, den Hof auf einen Biobetrieb mit Ziegenhaltung umzustellen.“
Iris erzählt, wie sehr sie anfangs um das Gleichgewicht und gegen die Einsamkeit in ihrem Leben gekämpft hat. Erst jetzt, nach fast sieben Jahren, spürt sie ein wenig Erleichterung und geht ihr Blick vage in die Zukunft. „Die Kinder mussten so schnell erwachsen werden, aber ich denke, jetzt sind sie auf einem guten Weg! Irgendwann wird aus Traurigkeit Dankbarkeit! Man beginnt, den positiven Seiten wieder Platz einzuräumen.“
Mariazeller-Gruppe
Seppi hatte eine tiefe Beziehung zu Mariazell. Seit seiner Erkrankung geht deshalb noch immer ein Teil seiner Freunde und Familie alle zwei Jahre zu Fuß in den Wallfahrtsort. „Ich pilgerte letztes Jahr zusammen mit meinem Bruder nach Mariazell. Das war für uns als Geschwister etwas ganz Besonderes. Die Mariazeller-Gruppe hilft mir zu verarbeiten, zu lachen und unbeschwert zu sein. Der Glaube an Gott hat mir immer Stärke gegeben und ich bin überzeugt, dass es irgendwann ein Wiedersehen mit meinem Lebensmenschen gibt!“
Davon bin auch ich überzeugt, liebe Iris! Und, dass sich dein Einsatz und die Kräfte, die du in dieser schweren Zeit mobilisiert hast, lohnen werden. Man kann dieser starken Frau nur das Beste wünschen! Sie hat sich alles Glück dieser Welt verdient.
Als ich aufbrechen will, streift eine wunderschön getigerte Katze meinen Arm. Es ist Princess, die Therapiekatze von Theresa, die ihr damals half, ihre Trauer um den geliebten Papa wegzustreicheln. Sie lag unbemerkt auf dem Sessel neben Iris. Ich habe sie gar nicht wahrgenommen. Es ist, als würde sie mir sagen, dass es ein gutes Gespräch war, das wir geführt haben. Ja, das war es, finde ich!
Fotos: privat