Österreichs erste Schülergenossenschaft heißt Försterschule Bruck/M. Wolfgang Hintsteiner weiß genau, wie es dazu gekommen ist.
NEUES LAND: In der HBLA für Forstwirtschaft Bruck wurde Österreichs erste Schülergenossenschaft gegründet. Wie ist es dazu gekommen?
Wolfgang Hintsteiner: Die Anfänge liegen etwa zwei Jahre zurück, als der Direktor der Raiffeisenbank Leoben-Bruck zu uns in die Schule gekommen ist. Bei einer Exkursion in Deutschland hatte er Schülergenossenschaften kennengelernt. Dort hat sich diese Idee schon vor etwa 15 Jahren durchgesetzt. Für eine Pilotphase in Zusammenarbeit mit dem Landwirtschafts- und Bildungsministerium sowie dem Raiffeisenverband haben sich dann vier österreichische Schulen gemeldet. Das waren unsere Schule, die HBLA Wieselburg, die HBLA St. Florian und die HAK in Völkermarkt. In dieser Pilotphase mussten Lehrpläne erstellt, Satzungen ausgearbeitet und ein Businessplan erstellt werden. Seitens der Ministerien mussten die legistischen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden.
NL: Wie schaut die Struktur einer solchen Schülergenossenschaft aus?
Hintsteiner: In der Vorwoche fand die Gründungsversammlung der Schülergenossenschaft Försterschule Bruck/Mur statt. Dabei wurden ein Obmann, eine Stellvertreterin und ein weiteres Vorstandsmitglied gewählt. Zudem wurden acht Aufsichtsratsmitglieder bestellt. Davon sind fünf Schüler. Ein weiteres Aufsichtsratsmitglied kommt von der Raiffeisenbank Leoben-Bruck, ein Mitglied von unserer Schule und ein Mitglied vom Trägerverein. Für die Gründung der Schülergenossenschaft musste nämlich auch ein Trägerverein gegründet werden, der die Haftung übernimmt. Ansonsten hat die Schülergenossenschaft die gleichen Organe wie jede andere Genossenschaft und unterliegt auch derselben Kontrolle.
NL: Wie lange dürfen die Schüler in den Organen tätig sein?
Hintsteiner: Die Organe dürfen nur von aktiven Schülern besetzt werden. Das heißt, es findet jährlich eine Generalversammlung statt, wo dann wieder der Vorstand und die Aufsichtsratsmitglieder neu besetzt werden. Mitglied kann man aber auch als Absolvent oder Absolventin sein.
NL: Was ist der Mehrwert einer Schülergenossenschaft?
Hintsteiner: Der Mehrwert für die Schüler ist groß. Sie können einen Nutzen für die Gemeinschaft stiften und Dinge vertreiben, welche die Gemeinschaft brauchen kann. Sie erwerben soziale Kompetenzen und lernen mit demokratischen Grundregeln umzugehen. Die Schüler kommen mit dem Thema der Einnahmen- und Ausgabenrechnung nicht nur abstrakt in Berührung, sondern die Daten aus der Schülergenossenschaft können wir auch in den Betriebswirtschaftslehreunterricht einbauen. Natürlich wird auf diese Art das Genossenschaftsmodell auch unter den Schülern wieder populärer. Sie lernen das kennen und merken, dass sie gemeinsam mehr bewirken können als allein.
NL: Was werden die ersten Schwerpunkte sein?
Hintsteiner: Im ersten Schritt werden wir im September einen Schulshop eröffnen. Das Angebot reicht von Arbeitshosen über Arbeitsjacken bis hin zu einem Starterpaket für die Erstklässler – alles natürlich mit dem Logo der Schülergenossenschaft versehen. Zum Jahresende soll es dann unter allen Schülern eine Umfrage geben, was sie sonst noch alles gerne hätten.
NL: Glauben Sie, dass bald auch andere Schulen eine eigene Schülergenossenschaft gründen wollen?
Hintsteiner: Das ist leicht möglich, wenn wir einen guten Start hinlegen und andere Schulen sehen, dass das gut funktioniert und erfolgreich ist.
Zur Person:
- Wolfgang Hintsteiner (37) maturierte an der HBLA für Forstwirtschaft Bruck und kehrte nach seinem Studium an diese Schule zurück, wo er die Gegenstände Betriebswirtschaftslehre, Bauwesen und alpine Naturgefahren unterrichtet.
- Im Frühjahr 2021 übernahm er die elterliche Landwirtschaft in Kindberg.
- Er ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern.
Beitragsfoto: Brodschneider