Wer singt, braucht dazu Lunge, Kehlkopf, Stimmlippen und Resonanzräume. Worauf es noch ankommt: auf Schwingung und Stimmung.
Sprechen, schreien, flüstern, jubeln, schluchzen und natürlich singen: Die menschliche Stimme ist ein Instrument, dem man viele Töne und Klänge entlocken kann. Wir benutzen sie ständig und ohne über sie nachzudenken. Sie ist einfach da. Babys verwenden sie schon im Reflex – ab dem ersten Schrei. Die Stimme ist immer auch ein Ausdruck und Spiegelbild der Seele.
Der Ursprung eines jeden Tons liegt im Ausatmen. Das muss man sich so vorstellen: Die Stimmbänder liegen horizontal im Kehlkopf. Sie sind ein Teil der Stimmlippen. Unterhalb der Stimmlippen beginnt die Luftröhre. Atmen wir ein, sind die Stimmlippen offen. Wenn die eingeatmete Luft wieder aus den Lungen gepresst wird, schließt sich diese Stimmritze. Als Widerstand bleibt die Schleimhaut, die von der durchströmenden Luft zum Schwingen gebracht wird. Und so entsteht er: der Ton. Beim Kammerton A beispielsweise schwingt die Schleimhaut 440 Mal pro Sekunde.
Lautsprecher im Körper
„Singen hat folglich nichts mit Kraft, sondern mit Schwingung zu tun“, verweist Robert Sawilla darauf, dass viele beim Singen einfach zu viel Druck aufbauen. Der Logopäde und Stimmcoach hat selbst eine Gesangsausbildung und war sowohl im Chor als auch als Solist bereits auf vielen Bühnen tätig.
Damit der Ton für das menschliche Ohr hörbar wird, braucht es Resonanzräume. Als Lautsprecher fungieren vor allem Mund- und Nasenhöhlen sowie der Rachenraum. „Der Ton breitet sich in den Resonanzräumen aus und bringt den Raum um uns zum Klingen. Wenn ich singe, geht von mir eine Schwingung aus“, sagt Sawilla.
Resonanzräume verstärken Töne nicht nur, sie geben ihnen auch ihren individuellen Klang. Und der verändert sich zudem mit unserer Stimmung. Ja, mehr noch: „In der Stimme spiegelt sich die ganze Lebensgeschichte wieder“, lässt der Experte keinen Zweifel darüber, dass eine offene, freie Stimme keine Selbstverständlichkeit ist. Erziehung und Umwelt, Ereignisse und Erlebnisse wirken auf uns und damit auch auf unsere Stimme.
„Singen ist ein Prozess, um sich wieder zu öffnen“, betont der Singleiter für heilsames Singen. Es ist eine Möglichkeit, sich aus auferlegten Einschränkungen wieder Schritt für Schritt zu befreien. Dabei geht es auf der einen Seite darum, dass leise, zurückhaltende Menschen einmal lauter werden, und auf der anderen Seite laute Menschen mit Zartheit in Berührung kommen.
Persönliche Note
Mitsummen und Mitsingen zu jeder Tageszeit und in jeder Stimmungslage ist daher überaus empfehlenswert. Ganz wesentlich ist es auch, Kindern vorzusingen. Die Kenntnis von Noten ist keine Voraussetzung, zudem bestehen einfache Lieder oft nur aus einzelnen Silben. Gerade die intensive Wiederholung kann die Kraft eines Liedes ausmachen.
Falsche Töne? Die gibt es gerade in Singkreisen nicht, „es zählt einzig und allein die persönliche Note“, betont der Fachmann. Eine Gesangsausbildung unterstützt dabei, die richtige Atemtechnik anzuwenden, um den ganzen Körper zu einem großen Klangraum werden zu lassen. Sie lehrt, die Resonanzräume optimal auszuloten und zu nützen, „egal, ob es sich um einen hohen oder tiefen, einen leisen oder lauten Ton handelt“.
Elke Jauk-Offner
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