Immer mehr Edelkastanien

von Karl Brodschneider

Die Edelkastanien-Fläche in der Steiermark wird weiter zunehmen. Die heurige Ernte ist sehr gut, beim Absatz gibt es aber Probleme.

 

Die Edelkastanienflächen in der Steiermark wachsen von Jahr zu Jahr. Lagen sie im Jahr 2016 bei insgesamt 49 Hektar, so sind es heuer schon 131 Hektar. „Und sie wird weiter zunehmen“, ist Johannes Schantl vom Verein ARGE Zukunft Edelkastanie überzeugt. Wurden früher die Kastanien vorwiegend in Wäldern gesammelt, so entstanden in den letzten Jahrzehnten richtige Kastanien-Kulturen.

Gottfried Lafer, Edelkastanien-Experte in der Fachschule Silberberg, stellt fest: „Viele Obst- und Weinbauern suchen für ihre Flächen eine Alternative beziehungsweise Ergänzung. Vor allem in der Südsteiermark gibt es wegen der fehlenden Viehhaltung viele Flächen in Nordlagen, die verbuschen.“ In Silberberg laufen Versuche mit Edelkastanien-Intensivkulturen. In der 2018 gepflanzten Anlage gab es schon nach drei Jahren die erste kleine Ernte. „Die Zukunft schaut gut aus, auch wenn wir bei den Bäumen jährlich einen Ausfall von 10 bis 15 Prozent haben“, sagt Lafer.

Heuer verzeichnen die heimischen Edelkastanienbauern eine sehr gute Ernte. Das führt dazu, dass sie auf Absatzprobleme stoßen. Ihre Hauptabnehmer in der Steiermark sind die Endverbraucher. Zum Lebensmittelhandel, zur Gastronomie und Hotellerie bestehen erst geringe Handelsbeziehungen. Dabei können Edelkastanien gekocht, gebraten, als Mehl, Flocken, Creme oder in Form von Kastanienreis in vielen pikanten und süßen Gerichten verwendet werden.

Selbstversorgungsgrad

Johannes Schantl gibt den Selbstversorgungsgrad in Österreich mit maximal zehn Prozent und den Kastanien-Import aus den europäischen Hauptanbaugebieten Italien, Frankreich und der Schweiz mit 2000 Tonnen pro Jahr bekannt. In jedem Fall ist man seitens der ARGE bestrebt, die Edelkastanie zu einem Ganzjahresprodukt zu machen. Dafür braucht es aber auch viel Öffentlichkeitsarbeit. Eine Aktivität dabei ist das Kastanienfest am kommenden Sonntag in Kaindorf an der Sulm. Eine andere ist der Europäische Edelkastanienkongress, der im nächsten Jahr in der Südsteiermark stattfinden wird.

ARGE Zukunft Edelkastanie

Hubert Schwarzl, Johannes Schantl, Gottfried Lafer und Direktor Reinhold Holler beim Besichtigen der Edelkastanien-Anlage in Silberberg.

Dabei geht es neben Qualitäts-, Züchtungs- und Erntefragen auch um die gemeinsamen Probleme. Neben dem Frost sind das vor allem tierische Schädlinge und Pilzkrankheiten, die der Edelkastanie zu schaffen machen. Der Kastanienrindenkrebs gefährdet vor allem ältere Bäume. Die vor 15 Jahren eingeschleppte Gallwespe hat man mittlerweile schon im Griff. Sie führte übrigens dazu, dass sich in der Steiermark die Sorte Bouche de Betizac etablierte, denn sie wurde von der Gallwespe nicht angegriffen. Neue Sorgen bereiten die Tintenkrankheit und der Graufäule-Pilz, der seit dem Jahr 2018 rasant zunimmt und oft mehr als 50 Prozent der Ernte vernichtet. Das Problem dabei ist, dass der Befall erst nach dem Öffnen der Kastanien feststellbar ist.

Viele Inhaltsstoffe

Aktuell werden in der Steiermark mehrere Versuche angelegt, um noch mehr geeignete Sorten für die heimischen Standortbedingungen zu finden. Eine Vergrößerung der Anbauflächen ist zu erwarten, wobei aber in den Fragen der Sortenwahl, Bodenvorbereitung, Düngung, Ernte und Behandlung der Früchte weitere Erfahrungen gesammelt werden müssen. Früher galt, so Schantl, die Edelkastanie als „Brot der Armen“, heute genießt sie manchmal den Ruf als Luxusprodukt. Das hört Schantl nicht gern. Für ihn ist die Edelkastanie ein echtes „Superfood“. Sie weist einen hohen Gehalt an Kohlehydraten in Form leicht löslicher Zuckerarten auf. Der Eiweiß-, Fett- und Mineralstoffgehalt gleicht dem von Getreide. Der Gehalt an Folsäure, Vitaminen, Kalium und anderen Spurenelementen macht sie zu einem hochwertigen Lebensmittel. In der Medizin werden das getrocknete Kastanienblatt und die Kastanienrinde eingesetzt.

Steirisches Kastanienfest

Am Sonntag, 16. Oktober, findet von 11 bis 17 Uhr im Besucherzentrum Grottenhof in Kaindorf an der Sulm das Steirische Kastanienfest statt. Dabei gibt es viele Informationen zur kulinarischen Vielfalt der Edelkastanien und über die vielen Arten des Kastanienbraten. Es wird über den Anbau, die Ernte, Sortierung und Weiterbehandlung der Früchte informiert. Verschiedene Kastanien-Sorten und die Möglichkeiten der Holzverwendung werden präsentiert. Für Musik sorgt die „Weinstub`n Musi“. Der Eintritt ist frei.

 

 

Fotos: Brodschneider, ARGE Zukunft Edelkastanie

 

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