Im Interview: Hermann Schützenhöfer

von Karl Brodschneider

Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer über die Lage der ÖVP, die Auswirkungen der Corona-Pandemie und seinen baldigen 70. Geburtstag.

 

NEUES LAND: In einer Woche hätte wieder der Bauernbundball stattgefunden. Er musste aber leider abgesagt werden. Tut Ihnen das leid?

Hermann Schützenhöfer: Zum Bauernbundball bin ich immer gerne gegangen. Daher tut es mir schon leid, dass es ihn heuer nicht gibt. Das ist ja weniger ein Ball, sondern vielmehr ein Volksfest, wo sich Stadt und Land die Hand reichen und wo man kulinarisch so gut versorgt wird wie kaum sonstwo bei einem Ereignis. Alles wird von der Bauernschaft geliefert. 

 

NL: Bleiben wir bei unseren Bauern und Bäuerinnen. Wie können Sie als Landeshauptmann die heimische Land- und Forstwirtschaft unterstützen?

Schützenhöfer: Die Steiermark ist ein außerordentlich liebenswertes und lebenswertes Land mit einer einzigartigen Schönheit. Das hat schon mit den Bauern zu tun. In allen Regierungsprogrammen haben wir gesagt, dass sich das Land Steiermark und auch die Parteien im Landtag dazu bekennen, dass es die bäuerlichen Betriebe in ihrer Vielfalt zwischen Klein und Groß geben muss und dass wir daran arbeiten, deren Existenzgrundlagen zu verbessern. Die Zeit spielt uns jetzt auch ein bisschen in die Hände, weil das Thema Klimaschutz bei den Menschen angekommen ist. Das wird das Bewusstsein stärken, dass man mehr aufbringen muss für Lebensmittel aus der Region. 

 

Geboren am 29. Februar 1952

NL: Ende Februar feiern Sie Ihren 70. Geburtstag. Was ist Ihr Geheimnis, so lange in der Politik sein zu können?

Schützenhöfer: Naja, es hat sich ergeben. Das kann man nicht planen. Wir leben ja heute in einer Zeit, von der wir leider sagen müssen, dass die Pandemie das Land verändert hat, dass die Wohlstandsättigung die Menschen verändert hat und dass Werte und Wertvorstellungen in den Hintergrund treten. Umso mehr muss es uns darum gehen, eine Politik zustande zu bringen, die sich nicht an der Schlagzeile für morgen orientiert, sondern die begründet wird nach Grundsätzen, die man selber für die Menschen im Land hat. Den Traum des Landeshauptmanns gibt es schon irgendwann einmal, aber geworden bin ich es, wie ich diesen Traum schon ausgeträumt habe.

 

NL: Sie selbst haben wohl schon Hunderte Geburtstagsfeiern mitgefeiert. Was wünschen Sie sich für sich selbst? 

Schützenhöfer:  Ich antworte mit einem Zitat, das Arthur Schopenhauer zugeschrieben wird. Die Gesundheit ist zwar nicht alles, aber ohne die Gesundheit ist alles nichts. Dazu wünscht man sich, dass man die geliebten Enkel gut heranwachsen sieht und dass man noch eine gemeinsame Zeit mit seiner Frau hat; wir sind 43 Jahre verheiratet. Alles andere wird, je älter man wird, zweitrangig.

 

NL: Jetzt zum Thema, das uns alle seit zwei Jahren am meisten beschäftigt. Hat die Politik die Corona-Pandemie falsch eingeschätzt?

Schützenhöfer: Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa. Man muss natürlich mit der Politik anfangen. In manchen Phasen hat man Corona zu wenig ernst genommen, für beendet erklärt. Da ist wertvolle Zeit verloren gegangen. Es passieren Fehler, wenn man etwas bekämpft, was man noch nie hat bekämpfen müssen. Wir sind mittlerweile in der Steiermark bei bald 75 Prozent der Menschen, die ein Impfzertifikat haben. Damit sind wir das drittbeste Bundesland. Aber es ist zu wenig. Daher gibt es auch die Impflicht. Daher müssen wir weiterkämpfen, damit wir das Virus wegbekommen.

 

Spaltung in der Gesellschaft

NL: Wie konnte es dazu kommen, dass Corona die Gesellschaft so entzweit?

Schützenhöfer: Es ist den Menschen zunehmend der Glaube verloren gegangen und der Aberglaube ist eingezogen. Was da heute in den sozialen Medien geschrieben wird, ist jede Sekunde sprachliche Grenzüberschreitung. Die hasserfüllten, von Abneigung strotzenden Mails und Briefe sind schon schwerer Tobak. Ich bin schon lange in der Politik, aber ich habe noch nie so viele Drohungen erhalten wie in den beiden letzten Jahren. Dazu kommt, dass nicht einmal in Deutschland die AFD oder in Frankreich die Partei von Marine Le Pen gegen die Impfung wettert. Bei uns in Österreich hat sich die FPÖ darauf spezialisiert, alle vereinnahmen zu wollen, die kritisch sind. Solche besorgten Menschen dürfen wir nicht ausgrenzen. Wir müssen Brücken bauen. Daher ist die Impfpflicht ja auch zunächst eine Orientierung, ein Brückenbauen. Das Strafen muss ganz zum Schluss kommen.

 

NL: Die ÖVP stellt nach Sebastian Kurz und Alexander Schallenberg jetzt mit Karl Nehammer innerhalb kürzester Zeit den dritten Bundeskanzler. Wie geht es Ihnen damit?

Karl Nehammer

Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer lobt die bisherige Tätigkeit des neuen Bundeskanzlers Karl Nehammer und sagt über ihn: „Er sucht das Gespräch mit allen.“

Schützenhöfer: Das ist schon ein Schaukelpfad der Gefühle. Wir dürfen auch heute nicht vergessen, dass uns Sebastian Kurz zwei fulminante Wahlerfolge beschert hat, aber dass wir jetzt ordentlich gesunken sind. Karl Nehammer hat meines Erachtens in den ersten Wochen als Bundeskanzler Gutpunkte geholt. Er tut etwas, was das Wichtigste in der Politik ist. Er grenzt nicht aus, sondern führt den Dialog. Er redet mit allen. In diesem Land ist der Schulterschluss in Grundfragen des Lebens verloren gegangen. Den muss man wieder finden.

 

Schaden für die Politik

NL: Im März beginnt im Parlament ein Untersuchungsausschuss, welcher der ÖVP schwere Zeiten verheißt. Dazu kommen laufend neue Chats, die auftauchen. Wie beurteilen Sie das?

Schützenhöfer: Sie offenbaren etwas, was wir bisher gar nicht gekannt haben, was es gewiss in allen Parteien gibt, aber der Fokus richtet sich auf die ÖVP. Sie sind ein Geschwür. Das schadet der ÖVP und der ganzen Politik, weil es führt dazu, dass das Land ein Stück weit unregierbarer wird. Diejenigen, die bei Wahlen einen Vierer vorne haben, sind die Ausnahme. Aber es wird wahrscheinlich auf allen Ebenen – am wenigsten auf der Gemeindeebene, weil sie so nahe am Bürger ist – zu einer Zersplitterung der Parteienlandschaft, zu einer Minimierung der großen Parteien kommen. Das heißt, dass man in Koalitionen nicht zwei, sondern dann drei Parteien hat. Damit wird das Regieren noch schwerer. 

 

NL: Wie blicken Sie den kommenden Monaten entgegen? Wird die Bundesregierung halten?

Schützenhöfer: Ich glaube, dass es das Glück der ÖVP ist, dass es – sieht man von kleineren Parteien ab – allen anderen Parteien nicht gut geht. Ich glaube, dass momentan weder die ÖVP noch die SPÖ noch die Grünen und auch nicht die Freiheitlichen, die trotz ihrer verbal-brutalen Politik nicht wirklich zulegen, kein Interesse an Neuwahlen haben. Dennoch kann man das nicht ausschließen. Es ist so fragil geworden, dass man nicht weiß, was am Montag sein wird. 

 

NL: In der Vorwoche hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen aus Ihren Händen den Ehrenring des Landes erhalten. Noch ist nicht gewiss, ob er bei der Bundespräsidentenwahl wieder kandidiert. Soll die ÖVP einen eigenen Kandidaten aufstellen?

Ehrenring an Van der Bellen

Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer und Stellvertreter Anton Lang überreichten an Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Ehrenring des Landes. Damit ist Van der Bellen die 120. Person, die diese höchste Auszeichnung des Landes Steiermark erhalten hat.

Schützenhöfer: Es ist für eine große Partei eine Frage der Selbstachtung, bei jeder Wahl anzutreten. Wenn der Herr Bundespräsident wieder kandidiert, ist es eine Frage der Größe der Parteien zu sagen, er hat uns gut durch die Verfassungskrise gebracht, halten wir jetzt zusammen, unterstützen wir ihn. Etwas anderes ist es, wenn er nicht mehr kandidiert. Dann ist es selbstverständlich, dass man kandidieren muss.

 

Landesparteitag

NL: Im März beginnen landesweit die Ortsparteitage. Es folgen die Bezirksparteitage und im Herbst steht der Landesparteitag auf dem Programm. Sie sind seit 16 Jahren Obmann der Steirischen Volkspartei. Darf man den Landesparteiobmann Schützenhöfer fragen, ob er wieder kandieren wird? 

Schützenhöfer: Fragen darf man schon. Ich habe immer gesagt, dass ich diese Frage auf meinem Radar habe und es wird rechtzeitig zu entscheiden sein. Weil wir vorher vom Bundespräsidenten gesprochen haben – wenn ich 2024 noch einmal antreten würde, dann wäre ich 2029 beim Ausscheiden jünger als der Bundespräsident heute ist, von dem man annimmt, dass er wieder kandidiert.

 

NL: Danke für das Interview!

 

 

Zur Person

Ehe Hermann Schützenhöfers Politikerlaufbahn begann, absolvierte er eine kaufmännische Lehre in Kirchbach. Danach war er JVP-Landessekretär, ÖAAB-Landessekretär, JVP-Landesobmann und AK-Kammerrat. 1981 wurde er Landtagsabgeordneter, 1994 Klubobmann des VP-Landtagsklubs, 1995 Landesobmann des Steirischen ÖAAB. Im Jahr 2000 wurde er Mitglied der Landesregierung, 2005 Landeshauptmannstellvertreter. Seit 2006 ist er ÖVP-Landesparteiobmann, seit 2015 Landeshauptmann. Er ist verheiratet, Vater und zwei Kindern und begeht Ende Februar seinen 70. Geburtstag.

 

Beitragsfotos: Land Steiermark (2), Bundeskanzleramt

 

 

 

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