Tragisches Ende eines großen ÖVP-Politikers

von Karl Brodschneider

Am 8. Jänner 2024 wäre Karl Schleinzer 100 Jahre alt geworden. Wer war dieses politisches Ausnahmetalent, das 1975 bei einem Verkehrsunfall starb? Professor Gerhard Poschacher begibt sich auf Spurensuche.

 

An der Bahre von Karl Schleinzer im Landhaushof in Klagenfurt charakterisierte Bundeskanzler Bruno Kreisky den Verstorbenen: „Er war ein bedeutender Staatsmann und ausgezeichneter Minister. Das ist das Beste, was von einem Politiker gesagt werden kann.“  Das war am 24. Juli 1975. Fünf Tage vorher war der damals 51-jährige ÖVP-Obmann und VP-Spitzenkandidat für die bald darauf stattfindenden Nationalratswahlen mit seinem PKW auf der Fahrt von Wien in Bruck an der Mur tödlich verunglückt.

Karl Schleinzer wäre am 8. Jänner 2024 hundert Jahre alt geworden. Er war ein Bauernsohn, der in Wien 1961 mit 37 Jahren zum jüngsten Regierungsmitglied (Verteidigungsminister) der Zweiten Republik berufen wurde und bis zum Obmann der Volkspartei (1971-1975) aufstieg. Nach dem Landwirtschaftsstudium an der Hochschule für Bodenkultur begann seine berufliche Laufbahn in der Landwirtschaftskammer Kärnten. 32-jährig zog er in den Kärntner Landtag ein und erreichte vier Jahre später als Spitzenkandidat der ÖVP das bisher beste Ergebnis bei Landtagswahlen.

Baumeister der modernen Agrarpolitik

Karl Schleinzer gilt als Baumeister der modernen Agrarpolitik. Als Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft (1964-1970) hat er als Erster die Vernetzung mit der Wissenschaft forciert und internationale Kontakte im Hinblick auf einen schon damals diskutierten Beitritt Österreichs zur EWG intensiviert. Auf Wunsch von Bundeskanzler Josef Klaus wechselte Karl Schleinzer als Ressortchef und Nachfolger von Eduard Hartmann vom Verteidigungs- ins Landwirtschaftsministerium.

Die Schaffung und Erhaltung einer leistungsfähigen Agrar- und Ernährungswirtschaft war sein zentrales politisches Anliegen. Zu dieser Zeit hinterließ der Strukturwandel immer deutlichere Spuren im ländlichen Raum. Er erforderte neue agrarpolitische Konzepte und eine Erweiterung der im Grünen Plan gemäß Landwirtschaftsgesetz 1960 festgelegten Förderungsmaßnahmen.

Der damalige europäische Agrarkommissar, der Holländer Sicco Mansholt, setzte auf das in Europa heftig umstrittene Konzept „Wachsen oder Weichen“. Mansholt präsentierte 1969 seinen Plan zur Förderung land- und forstwirtschaftlicher Haupterwerbsbetriebe mit dem Ziel, moderne Unternehmen zu schaffen. Mit Karl Schleinzer als Landwirtschaftsminister ist bis heute das „Strukturpaket“ (Siedlungsgrundsatzgesetz, Güter- und Seilwegegesetz, Besitzstrukturfonds) verbunden.

Viele Maßnahmen umgesetzt

Er forcierte auch die erste Qualitäts- und Absatzstrategie für die heimische Agrar- und Ernährungswirtschaft. Zudem setzte er mit Maßnahmen im Rahmen der Marktordnung und Reformen für eine bessere Abstimmung von Angebot und Nachfrage auf eine intensivere Verbindung zwischen Produzenten und Konsumenten. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch das Qualitätsklassegesetz.

Der von Kanzler Josef Klaus und Finanzminister Stephan Koren verordnete budgetäre Sparkurs 1968/1969 forderte auch von den Bauern Opfer. Unter anderem wurde der Krisengroschen bei Milch zur Überschussverwertung mehrmals erhöht. Der Weizenpreis wurde zugunsten des Futtergetreides gesenkt und eine Auto- sowie Weinsteuer eingeführt. Zahlreiche Bauerndemonstrationen und lautstarke Proteste gegen die ÖVP-Alleinregierung brachten den Bauernbund und die Landwirtschaftskammern in Bedrängnis.

Isidor Grießner, Präsident der LK Salzburg (1950-1970) und Vorsitzender der heutigen LK Österreich (1962-1970), wurde aus seinen Ämtern gedrängt und das Kammergebäude angezündet. Josef Wallner, Präsident der LK Steiermark (1948-1971) und Obmann des Österreichischen Bauernbundes (1960-1970), musste nach der Wahlniederlage der ÖVP 1970, die eine 16 Jahre lange politische Vorherrschaft der SPÖ begründete, einräumen, dass die bäuerlichen Familien vom agrarpolitischen Wirken der Volkspartei nicht ausreichend überzeugt werden konnten.

Aufstieg zum Bundesparteiobmann

Nach der Wahlniederlage der ÖVP zog sich Bundeskanzler Josef Klaus aus allen Ämtern zurück und starb, als heute (fast) vergessener Reformkanzler, 91-jährig 2001 in Wien. Karl Schleinzer wurde Generalsekretär und nach Hermann Withalm, langjähriger ÖVP-Generalsekretär und Vizekanzler in der Alleinregierung Josef Klaus von 1968 bis 1970, ÖVP-Bundesparteiobmann. Er verhinderte eine Zersplitterung der ÖVP und erneuerte sie mit dem „Salzburger Programm“ 1972. Die zentrale Botschaft lautete: Christliche Demokratie, Gerechtigkeit, Eigenverantwortung, Nächstenliebe und Freiheit. Als ÖVP-Parteiobmann hat Karl Schleinzer keine Wahl gewonnen, aber seiner Partei in einer schwierigen Phase ihrer Geschichte einen großen Dienst erwiesen und die Weichen für eine Integration des Landes in die heutige Europäische Union gestellt.

 

Foto: Archiv

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