Im Interview: Erich Linhardt

von Karl Brodschneider

In Gottes Weingarten fehlen die Arbeiter. Generalvikar Erich Linhardt informiert, dass es heuer in der Diözese Graz-Seckau keine einzige Priesterweihe gibt.

 

 

NEUES LAND: Rund um das Apostelfest Peter und Paul Ende Juni fanden früher üblicherweise Priesterweihen statt. Gab es heuer in unserer Diözese keine Priesterweihen oder folgen noch welche?

Erich Linhardt: Heuer gab es keine einzige Priesterweihe, im vorigen Jahr waren es zwei. Geweiht wurden 2021 zwei Ordensmänner, einer aus Admont und einer aus Seckau. Im nächsten Jahr ist die Weihe eines Weltpriesters und eines Ordensmannes geplant. 

 

NL: Wie viele Welt- und Ordenspriester sind derzeit noch in unserer Diözese aktiv?

Linhardt: Im aktiven Dienst unserer Diözese stehen 192 Welt- und 74 Ordenspriester. Insgesamt gehören zur Diözese 384 Priester – „einheimische“, „ausländische“, in anderen Diözesen tätige, pensionierte. Tatsache ist, dass der Klerus überaltert ist. Das schlägt sich auch in den Todesfällen nieder; im Vorjahr starben 20 Priester.

 

NL: Droht die Gefahr, dass die Katholiken nicht mehr wissen, wer in ihrer Pfarre ihr zuständiger Pfarrer ist?

Linhardt: Die Gefahr könnte bestehen, wenn man es schlecht kommuniziert. Aber grundsätzlich müssten sie es wissen, weil es auch von diözesaner Seite eindeutig festgelegt ist. Es gibt keine Pfarre, für die nicht ein konkreter Priester verantwortlich ist.

 

NL: Angesichts des Priestermangels ist in der Bevölkerung die Ansicht weitverbreitet, dass die katholische Kirche den Priestermangel selbst mitverschuldet hat. Stimmt das?

Linhardt: Der Vorwurf zielt vor allem auf zwei Bereiche. Das sind der Zölibat und die Zulassung der Frauen zur Weihe. Wir können diese „Problematik“ aber bei uns in der Diözese nicht lösen. Das ist eine weltkirchliche Angelegenheit, die in Rom entschieden wird.   

 

Priestermangel

NL: Wie erklären Sie, dass sich immer weniger Männer für die Nachfolge Christi entscheiden?

Linhardt: Ich glaube, dass das letztlich auch ein Problem des jetzigen Zeitgeistes ist. Es gibt eine Studie über die Priesterweihe-Zahlen in den deutschsprachigen Diözesen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. Wenn man sich das anschaut, sieht man, dass die Entwicklung dieser Zahlen immer einem Auf und Ab unterworfen war. Man muss die Zeitumstände mitberücksichtigen. Momentan scheint es bei jungen Leuten aus verschiedensten Gründen nicht erstrebenswert zu sein, Priester zu werden; auch die gesellschaftliche Akzeptanz der Priester ist zum Beispiel gesunken. Trotzdem müssen wir uns schon die Frage stellen, warum wir unsere großartige Botschaft den jungen Menschen nicht so weitergeben können, dass sie das als bereichernd für ihr eigenes Leben erfahren können. Außerdem kommt hinzu, dass die derzeitige gesellschaftliche Gesamtsituation überhaupt nicht dazu angetan ist, Berufe zu fördern, die eine Haltung der Hingabe erfordern. 

 

Katholikenzahl sinkt

NL: In den letzten 30 Jahren ist der Anteil der österreichischen Bevölkerung, die sich zur Katholischen Kirche bekennt, von fast 80 auf 55 Prozent gesunken. Was heißt das?

Linhardt: Es macht uns natürlich traurig und muss uns auch nachdenklich über eigene Fehler stimmen. Trotzdem spiegeln diese Zahlen nicht unbedingt eine Ablehnung des katholischen Glaubens wider. Oft treten Menschen nämlich aus der Kirche aus, weil sie keinen Kirchenbeitrag bezahlen wollen oder weil sie sich über etwas geärgert haben. Bei vielen heißt das aber nicht, dass sie sich auch vom Glauben verabschieden.

 

NL: Während die Anzahl der Katholiken sinkt, steigt – auch durch die Migration verursacht – der Anteil der Menschen mit anderen Religionszugehörigkeiten. Aktuell bekennen sich zum Beispiel mehr als acht Prozent der in Österreich lebenden Menschen zum Islam. Ist diese religiöse Diversität eine Chance oder eine Gefahr?

Linhardt: An eine Gefahr glaube ich nicht. Grundsätzlich müssen wir darauf achten, dass wir einander respektieren, es geht eben um den achtungsvollen Umgang miteinander. Das erwarten wir auch für uns. Eine besondere Herausforderung sind natürlich radikalisierte Bewegungen. Durch Migration verschiebt sich aber auch die „innerchristliche“ Situation, da sehr viele Orthodoxe aus dem Osten zu uns kommen.

 

Seelsorgeräume

NL: Die Diözese reagiert auf die angespannte personelle Situation bei den Priestern mit dem Konzept der Seelsorgeräume. Wie schauen die ersten Erfahrungen damit aus?

Linhardt: Es gibt gute und weniger gute Erfahrungen. Großteils ist das auch vom Miteinander-Können der Beteiligten abhängig. Ich glaube nach wie vor, dass die Seelsorgeräume die Zukunftslösung sind, um das Evangelium weiter gut verkünden zu können. Denn alle im Seelsorgeraum Tätigen haben den Auftrag, auf den gesamten „Raum“ hinzuschauen, darauf zu achten, dass dort niemand und nichts zu kurz kommt oder etwas übersehen wird.

 

NL: Gibt es ein Zeitlimit, bis die Entwicklung der Seelsorgeräume abgeschlossen ist?

Linhardt: Wir haben alle Vorgaben, die Druck ausgelöst haben, herausgenommen. Das muss sich entwickeln dürfen. Dazu passt folgende Weisheit: „Wir sollen revolutionär denken und evolutionär handeln.“ Betonen möchte ich auch, dass die Pfarren nicht aufgelöst werden. Sie bleiben in ihrer ganzen Rechtmäßigkeit bestehen und sind auch in der wirtschaftlichen Verwaltung völlig autonom.

 

NL: Den Laien wird in Zukunft wohl eine immer größere Bedeutung im kirchlichen Leben zukommen. Wie sehen Sie das?

Linhardt: Die Laien werden in der Verkündigung der frohen Botschaft immer bedeutender. Meine Erfahrung ist, dass auch sehr viele Laien vor Ort äußerst aktiv mitwirken, wenn man sie lässt. Das ist für mich eine große Hoffnung für die Zukunft. In der lateinischen Fassung des Entlassungsgrußes der Hl. Messe heißt es: „Ite, missa est! Geht, ihr seid gesandt!“ Dazu ist jeder beauftragt und durch die Taufe und Firmung auch autorisiert. Nur so kann die Glaubensweitergabe erfolgen, nämlich durch die Beziehung zwischen Menschen, durch die man spürt, was Christ-Sein heißt.

 

Zur Person

Nach seinem Studium (Geschichte, Kunstgeschichte, Philosophie, Theologie) war der heute 65-jährige Erich Linhardt, ein gebürtiger Tobelbader, am Institut für Kirchengeschichte tätig. 1990 wurde er zum Priester geweiht. 1992 wurde er Pfarrer von Frauental an der Laßnitz. 1997 übernahm er die Pfarre Voitsberg. Von 2008 bis 2015 war der Dechant des Dekanats Voitsberg und wurde dann von Bischof Wilhelm Krautwaschl zum Generalvikar bestellt.

 

Foto: Neuhold/Sonntagsblatt

 

 

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