Meteorologe Alexander Podesser von der ZAMG Graz über fehlende Niederschläge, Starkwetterereignisse und einen Anstieg bei Spätfrösten.
NEUES LAND: Gerade für die Land- und Forstwirtschaft spielt das Wetter eine besonders wichtige Rolle, haben sie doch ihre Werkstatt unter freiem Himmel. Wenn Sie auf das Jahr 2021 zurückblicken: Wo sehen Sie die größten Unterschiede zu den letzten Jahren?
Alexander Podesser: Es war so, dass der Winter 2021 ein ausgeglichener war. Seit langer Zeit gab es danach wieder einmal einen Frühling, der im Vergleich zu anderen Jahren zu kalt war. Trotzdem hat uns diese Tatsache nicht vor Spätfrostereignissen geschützt. Es gab zwischen dem 5. und 9. April Tiefstwerte um rund minus fünf Grad Celsius. Die Folge waren enorme Schäden, besonders bei der Marille.
NL: Bestätigt sich der Trend zu wärmeren und trockeneren Sommern?
Podesser: Ja. Im Großen und Ganzen war es fast überall zu warm. Es gab zwar keine extremen Hitzerekorde, aber wir lagen über dem Durchschnitt. Leider mussten wir auch beim Niederschlag einen Rückgang verzeichnen. Im Jahr 2021 gab es rund 20 bis 25 Prozent weniger Regen als üblich. Trotzdem mehren sich die punktuellen Starkwetterereignisse. Als besonders schlimm ist hier das Unwetterereignis vom 30. Juli rund um Graz einzustufen. Innerhalb kürzester Zeit fielen bis zu 200 Millimeter Regen. Ich habe mir das selber angeschaut, da ist wirklich alles geschwommen. Hier können wir nur froh sein, dass solche Phänomene nicht flächig auftreten.
NL: Gerade der Herbst spielt als Erntemonat eine wichtige Rolle für die Landwirtschaft. Wie sah es da aus?
Podesser: Auch hier setzte sich der Trend des Jahres fort. Es war um 0,3 Grad Celsius wärmer als üblich und deutlich zu trocken. So fielen etwa an den Messtationen Flughafen Graz und Gleisdorf in diesem Zeitraum um 35 Prozent weniger Niederschlag als in Vergleichsjahren. Außerdem ist zu erwähnen, dass es ein sehr sonniger Herbst war. Die Sonnenstunden lagen mit 30 Prozent im Plus. Die Erntearbeiten konnten somit gut durchgeführt werden.
NL: Wir befinden uns derzeit mitten im meteorologischen Winter, der von Anfang Dezember bis Ende Februar dauert. Wie sehen Sie den bisherigen Verlauf?
Podesser: Genaue Einschätzungen kann man hier noch nicht treffen. Doch jetzt ist schon klar, dass es bisher viel zu trocken war. Es gab zwar früher als üblich schon den ersten Schnee, der um den 4. und 9. Dezember hauptsächlich im südöstlichen Alpenvorland fiel. Aber besonders in den Nordstaugebieten haben sich große Defizite aufgetan. Hier liegen wir teilweise bei 90 Prozent weniger Niederschlag in Form von Regen und eben hauptsächlich Schnee. Glücklicherweise hat sich in diesen Tagen die Großwetterlage gedreht. Nach einer stürmischen Nacht am Beginn dieser Woche haben besonders in den Gebieten Dachstein, Totes Gebirge, dem Ennstaler Alpen bis hin zu Hochschwab vermehrt Schneefälle eingesetzt. Es wird unwahrscheinlich sein, dass die Schlechtwetterfront auch stärker auf den Süden der Steiermark durchgreifen wird.
NL: Wie sieht es mit den Wintertemperaturen aus?
Podesser: Da liegen wir derzeit weit über dem Durchschnitt. So war es etwa in Kalwang um 3,6 Grad Celsius, in Kalwang um 3,4 Grad Celsius und in Graz um 2,4 Grad Celsius zu warm. Weiters konnten wir auch historische Spitzenwerte feststellen. Verursacht durch eine Föhnwetterlage kletterte am 1. Jänner des heurigen Jahres die Temperatur in Köflach auf sagenhafte 18,8 Grad Celsius, ein österreichischer Spitzenwert.
NL: Sie sind auch fachlicher Leiter des Lawinenwarndienstes Steiermark. Kam es in diesem Winter schon zu gefährlichen Situationen?
Podesser: Glücklicherweise nicht. Die Gefahr hat sich bis jetzt extrem in Grenzen gehalten. Der Grund dafür sind die geringen Schneemengen. Da kommt es auch nicht so leicht zur Bildung von Triebschneebrettern. Somit gab es auch kaum Lawinenunfälle.
NL: Wie wird sich das Wetter in den nächsten Wochen entwickeln? Gibt es schon eine Langzeitprognose?
Podesser: Es ist sehr schwer, eine Aussage zu tätigen, da die derzeitigen Prognosen noch sehr vage sind. Es ist wie immer der berühmte Blick in die Glaskugel. Doch die Statistik zeigt uns ganz klar, dass die Frühjahre immer wärmer werden. Dies wirkt sich auch auf die Gesamtjahresbilanz aus. So hatten wir 2021 zwar das kühlste Jahr seit 2010, dennoch lagen wir unter den 25 wärmsten der 254-jährigen Messgeschichte. So zählen zum Beispiel 2018, 2019 und 2020 zu den fünf wärmsten Jahren seit Beginn der Messreihe.
NL: Was bedeuten diese hohen Frühlingstemperaturen für die heimische Landwirtschaft?
Podesser: Auf jedem Fall nichts Gutes. Die hohen Temperaturen – meist im März und Anfang April – führen bei vielen Kulturen, gerade im Obst- und Weinbau zu verfrühtem Austrieb. Durch folgende Kaltwettereinbrüche, so wie im vergangenen Jahr, können diese Kulturen massiv geschädigt werden. Ich hoffe somit, dass der heurige Winter noch so lange wie möglich andauert.
Zur Person
- Alexander Podesser wurde 1960 in Graz geboren.
- Er studierte Meteorologie und Geographie an der Universität Graz studiert.
- Bei der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) ist er seit 1999, davor war er selbstständig.
- Seit 2008 leitet er die ZAMG in der Steiermark, Podesser ist auch fachlicher Leiter des Lawinenwarndienstes Steiermark.
Beitragsfoto: kk