Geflügelexperte Anton Koller im NEUES LAND-Interview über einen Boom bei Hühnerfleisch, modernste Produktionstechniken und mehr Tiergesundheit in steirischen Ställen.
NEUES LAND: Weltweit steigen der Bedarf und die Produktion von Geflügelfleisch. Ist hier der Zenit bereits erreicht?
Anton Koller: Gleich zu Beginn einige Zahlen: Alleine in der EU stieg die Geflügelfleischerzeugung in den vergangenen vier Jahren um zehn Prozent auf 14 Millionen Tonnen. In der EU erhöhte sich der Pro-Kopf-Verbrauch von 19 Kilo im Jahr 1994 sogar auf 26,8 im Jahr 2014. Betrachtet man den Weltmarkt, so zeigen die Zahlen eine Verdoppelung der Geflügelfleischerzeugung zwischen 1994 und 2010 von 51 auf 99 Millionen Tonnen. Aufgrund der vielen Vorteile des Geflügels werden für die nächsten 30 Jahre weitere Zuwächse in der Schwankungsbreite zwischen 60 und 90 Prozent prognostiziert.
NL: Warum gewinnt Hühnerfleisch in der Ernährung immer stärker an Bedeutung?
Koller: Geflügelfleisch ist gesund, einfach zuzubereiten, von allen Religionen akzeptiert und schont die natürlichen Ressourcen aufgrund der guten Futterverwertung in der Aufzucht. Außerdem ist Geflügelfleisch mit etwa 24 Prozent eine richtige Eiweißbombe. Genau dieses Eiweiß ist im menschlichen Körper maßgeblich an der Aufrechterhaltung unseres Immunsystems beteiligt.
Legehennen
NL: Wie sieht es derzeit in der Sparte Legehennenhaltung aus?
Koller: Seit dem Ausstieg Österreichs aus der Käfighaltung im Jahr 2009, wo die Selbstversorgung mit Eiern auf fast knapp 70 Prozent absank, hat sich die Zahl der hierzulande gehaltenen Legehennen wieder sehr gut erholt. Der aktuelle Selbstversorgungsgrad ist wieder deutlich gestiegen und liegt nun knapp unter 90 Prozent. Besonders erfreulich ist der Anstieg des Pro-Kopf-Verbrauches auf derzeit 239 Eier. Für die nächsten 30 Jahre werden für den Eiermarkt weltweit sogar Zuwächse von bis zu 90 Prozent prognostiziert. Ein Grund für diesen Boom liegt in ihrem günstigen Preis im Verhältnis zu anderen Lebensmitteln, die ähnlich wertvoll für die Ernährung sind. Das Ei konnte sich in den letzten Jahren zunehmend als gesundes und unverzichtbares Lebensmittel positionieren.
Technik
NL: Modernste Technik hat ja auch in unseren Geflügelställen Einzug gehalten. Welche Trends gibt es hier?
Koller: Was in den 1960er Jahren mit automatischen Fütterungen sowie Heizungs- und Lüftungssystemen begann, entwickelte sich zu Hightech-Stallungen mit höchstem Wohlfühlkomfort für Mensch und Tier. Moderne Ställe – konventionell oder biologisch – unterstützen Landwirte mit Hilfe von Computersteuerungen. Eine vollautomatische Futter- und Wasserversorgung, ein Klimamanagement, das fast alles übernimmt. Heizung, Lüftung, Stalltemperaturen und Luftfeuchtigkeit, Sauerstoffgehalte, bis hin zur Kühlung an heißen Sommertagen. Zusätzlich auch die Datenerfassung und deren Auswertungen, eine Alarmüberwachung sowie Fernabfragen über Smartphones inklusive.
NL: In dieser Branche arbeiten Produktion und Verarbeitung sehr eng zusammen. Wie kann man sich das vorstellen?
Koller: Geflügelmast und Legehennenhaltung sind bestens technisierbar. Zudem ist eine genaue Vorausplanung des zeitlichen Arbeitseinsatzes sowie der Arbeitsspitzen möglich. Kaum eine andere Branche in der tierischen Veredelung steht in so enger Zusammenarbeit von den produzierenden Landwirten, den Züchtern, den Brütereien, dem Veterinärbereich, der Futtermittelbranche, den Schlachthöfen, Eierpackstellen und Vermarktern bis hin zu den Tiergesundheitsversicherungen, die in Summe das mögliche Restrisiko sehr überschaubar machen.
NL: Die Tiergesundheit hat in den letzten Jahren massiv an Bedeutung gewonnen. Was wird dafür gemacht?
Koller: Nahezu alle neuen Geflügelstallungen unterstützen die Geflügelhalter bei der Überwachung der Tiergesundheit. Wichtige Parameter wie Tageszunahmen oder Futter- und Wasserverbrauch sind dabei jederzeit über Knopfdruck abrufbar. Folglich werden anbahnende Gesundheitsprobleme meist noch vor Auftreten von diversen Symptomen erkannt. Gemeinsam mit den Geflügelfachtierärzten können dann sofort Maßnahmen gesetzt werden. So gelang es in Österreich allein in den vergangenen fünf Jahren den Medikamenteneinsatz um 40 Prozent zu senken.
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