Wie der heilige Leonhard zum bedeutendsten Viehpatron der steirischen Hörndlbauer wurde und wo es auch heute noch Leonhard-Wallfahrten gibt.
Der Volksschriftsteller Karl Reiterer war ein genauer Beobachter des bäuerlichen Volkstums.[1] Unter anderem verdanken wir ihm wertvolle Notizen über die Heiligen, die einst von den Bauern besonders verehrt wurden. In ihren Häusern, auf Truhendeckeln und im „Herrgottswinkel“ sah er immer wieder die Bilder der Heiligen Leonhard, Wolfgang und Patrizius. Sie gelten noch heute als die bedeutendsten Viehpatrone der Steiermark.
Im Mittelalter, als die Heiligenverehrung hinsichtlich der Nutztiere einsetzte, war der Viehstand die tragende Säule einer Bauernwirtschaft. Allerdings nicht für alle Bauern. Wer keine ausreichenden Weideflächen hatte und das Vieh aus Futtermangel nicht durch den langen Winter brachte, hielt sich eher Ziegen und Schafe. Der bäuerliche Viehbestand blieb im Vergleich lange Zeit relativ gering. Bis zum Zweiten Weltkrieg war es für viele Wirtschaften wichtig, einige Milchkühe und ein Paar Zugochsen zu haben. Wer es sich leisten konnte, hielt sich zusätzlich besonders starke Ochsen für die Waldarbeit. Ein Überschuss in der Rinderhaltung diente dem Verkauf, um die Steuern bezahlen zu können. Ein gesunder Viehstand war für die meisten Bauern enorm wichtig. Viehkrankheiten konnten einen Hof ruinieren. Was lag näher, als bestimmte Heilige zu bitten, für ihr Vieh zu sorgen.
Wer war der hl. Leonhard?
Der Heilige Leonhard ist der bedeutendste Viehpatron der steirischen Hörndlbauern. Auch ist er einer der 14 Nothelfer. Seine Verehrung als Schutzpatron der Gefangenen reicht bis in das 13. Jahrhundert zurück. Der Überlieferung nach war Leonhard von Noblac ein fränkischer Adeliger, der in Nordafrika von den Muslimen gefangene Christen losgekauft hatte. Er wird meistens mit einer Kette, einem Rind und einem Gefangenen zu seinen Füßen abgebildet. Dass er zum Viehheiligen avancierte, verdankt er der Kette: sie wurde von den Bauern als Viehkette gedeutet.
Leonhardwallfahrt
Laut Kulturlexikon „Dehio-Stmk.“ gibt es in der Steiermark 69 Heiligtümer zu Ehren des heiligen Leonhard. Wallfahrten steirischer Bauern führten einst beziehungsweise vereinzelt noch heute zu den Kirchen St. Leonhard in Bad Aussee und Großsölk, zum Leonhardiberg bei Murau, zu St. Leonhard in Zambichl in der Soboth und zur Kirche St. Leonhard in der Eben in St. Lorenzen ob Eibiswald. Letztere ist eine der schönsten Bergkirchen der Steiermark, inmitten einer großen Viehweide. Noch heute regt sie viele Bauern aus dem Bezirk Deutschlandsberg zu einer Wallfahrt an.
Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges kamen noch Scharen von Wallfahrern aus dem heutigen slowenischen Drautal dazu. Zweimal jährlich musste das Leonhardifest abgehalten werden, um den Zustrom der Wallfahrer bewältigen zu können. Am jeweiligen Sonntag nach dem Namenstag des Heiligen, den 6. November, ist „Winterleonhardi“ mit einem Festgottesdienst. Mehr Zustrom gab es stets zum „Sommerleonhardi“ etwa Mitte Juli, weil zu dieser Zeit die Bauern beim aufgetriebenen Vieh Nachschau hielten und Salz brachten.
Ein Bericht aus 1890 erzählt uns von Leonhardipilgern aus allen Windrichtungen: „Spätabends erreichen sie entkräftet das Kirchlein und übernachten enggedrängt auf dem Dachboden der Kirche. Die Viehbauern bringen handtellergroße Opfertiere aus Wachs oder geschmiedetem Eisen mit und setzen sie am Altar ab in der Hoffnung, mit den Devotionalien das Wohlwollen des heiligen Leonhard für ihre Rinder zu erlangen.“
In einem Bericht über die Kirche St. Erhard in der Breitenau lesen wir: „Dem heiligen Leonhard zu Ehren finden an sieben Sonntagen des Jahres Wallfahrten von Viehbesitzern zur Kirche in der Breitenau statt. Dass auch dort das Wohlwollen des Heiligen erkauft werden müsse, ist selbstverständlich. Während die zu Radmer und auch an manchen anderen Orten verwendeten wächsernen Tiere zerbrechlich sind, hat man in der Breitenau eine dauerhafte Sorte eingeführt, indem man die Vieh-Ebenbilder aus Blech anfertigt, verkauft, opfert und wieder verkauft.“[2] Tatsächlich war es dem Mesner einer Wallfahrtskirche erlaubt, „überschüssige“ Opfertiere zu verkaufen.
Grazer Bezirk
Der heilige Leonhard hatte auch für Graz eine gewisse Bedeutung. Der zweite Grazer Bezirk ist nach der Kirche Sankt Leonhard benannt. Als sie zu seiner Verehrung erbaut wurde, lag sie noch inmitten ausgedehnter Viehweiden und die Viehzüchter der Umgebung waren lange Zeit die wichtigsten Fleischversorger für die Stadt.
Beitrag verfasst von Herbert Blatnik.
Fotos: Grabner, Kremser, kk
[1] Karl Reiterer, aufgewachsen in St. Peter im Sulmtal und verstorben in Graz, lebte von 1870-1934. Er verfasste über 20 Bücher und etwa 1.400 Zeitungsartikel.[2] Tagespost, 11.2.1872, „Auch eine heilige Idylle“.