Milch- und Käseexperte Karl M. Fraißler über Chancen der Veredelung, das Gebot des Maßhaltens.
NEUES LAND: Käseprodukte von steirischen Bauernhöfen sind derzeit im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde. Warum?
Karl M. Fraißler: Dafür gibt es gleich mehrere Erklärungen. Wichtige Rollen spielen natürlich die unseren Breiten mittlerweile insgesamt stark entwickelte Käsekultur, das immer größere Interesse am Thema gesunde Ernährung und nicht zuletzt die für unsere Bäuerinnen und Bauern so wichtige Erkenntnis, dass die verarbeitete Milch ein Vielfaches von dem einbringt wie das einfache Abliefern.
NL: Sie halten ja auch an der Landwirtschaftlichen Fachschule Alt Grottenhof für das Ländliche Fortbildungsinstitut (LFI) die längst schon zur Marke gewordenen Käsekurse ab. Wie spürt man den Trend dort?
Fraißler: Besonders stark. Wir sind häufig ausgebucht und müssen Leute, die teilnehmen möchten, auf andere Termine vertrösten. Und wir freuen uns über Menschen, die von weit her kommen. Sogar aus der Schweiz, dem so berühmten Käse-Land! Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass wir es da gar nicht selten mit Umsteigern zu tun haben, die von der Sehnsucht nach dem eigenen Schaffen eines wertvollen Produktes getragen sind.
NL: Noch einmal zurück zur derzeit katastrophalen Preissituation bei der Milch. Für wie viele bäuerliche Betriebe sehen Sie eine Chance, auf diesen Zug der Produkt-Veredelung aufzuspringen?
Fraißler: Ich gehe davon aus, dass derzeit um die 100 bäuerliche Betriebe erfolgreich in der Käseproduktion tätig sind. Ich bin überzeugt davon, dass am Markt noch Platz für mindestens 500 Betriebe ist – wenn nicht mehr.
NL: Welche Ratschläge haben Sie für Bäuerinnen und Bauern, die den Sprung zur Hofkäserei schaffen wollen?
Fraißler: Wie schon gesagt, bäuerliche Handwerkskunst dieser Art ist stark gefragt und der Trend zeigt eindeutig steil nach oben. Das sollte allerdings niemanden bei der Preisgestaltung in Versuchung führen, da ist Maßhalten ein wichtiges Gebot. Und es geht auch um Differenzierung, nicht alle sollten das Gleiche machen. Es muss uns bewusst sein, dass sich bei der Vermarktung alles um drei zentrale Aspekte dreht – es geht um Personen, Regionen und Rassen. Daran müssen wir uns orientieren.
NL: Wagen Sie Prognosen in Sachen Milchpreis?
Fraißler: Auch wenn’s weh tut – es wird in nächster Zeit leider nicht besser werden. Das ist eine riesige Katastrophe, die ich als Sachverständiger selbst auch immer hautnah erleben muss. Aber noch einmal: Die Veredelung ist ein guter Ausweg.
Zur Person
Karl M. Fraißler ist Lehrer in der Landwirtschaftlichen Fachschule Alt Grottenhof in Graz, gerichtlich beeideter Sachverständiger für Milch, Rahm und andere Milchprodukte sowie Käsereien. Der Bauernsohn aus Semriach besuchte die HBLA Raumberg-Gumpenstein und studierte an der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik in Wien. Fraißler ist auch Leiter der Geschäftsstelle Österreich im Verband für handwerkliche Milchverarbeitung (VHM) im ökologischen Landbau, der 1992 in Deutschland gegründet worden ist und mit dem man auch in Österreich eng zusammenarbeitet.
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