Der Wunsch der Österreicherinnen und Österreicher zu wissen, woher ihr Essen stammt und welche Produktionsstandards dahinterstehen, wird immer größer.
Beim persönlichen Einkauf im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) zeigt sich, dass die Verbraucher gezielt und vermehrt heimische Produkte bevorzugen. Wo sie aber keine Wahl haben, nämlich in der Gemeinschaftsverpflegung, will die bäuerliche Interessenvertretung mit einer Herkunftsauslobung diese ermöglichen. „Transparenz macht die Entscheidung leicht. Im Großverpflegungssystem – also in Schulen, Kantinen, Krankenhäusern oder Seniorenheimen – ist jedoch oft nicht klar, woher beispielsweise Fleisch oder Eier stammen. Und auch bei Produkten aus Milch, Fleisch oder Eiern findet man nur selten Herkunftsangaben. Die Bundesregierung hat daher für diese beiden Bereiche im Regierungsprogramm eine Kennzeichnungspflicht vorgesehen, die nun rasch umzusetzen ist. Das erst macht Gästen und Kunden eine bewusste Kaufentscheidung möglich“, betonte der Präsident der Landwirtschaftskammer (LK) Österreich, Hermann Schultes, bei der heutigen Klartext kompakt-Veranstaltung „Herkunft? Gut zu wissen“. „Wer die Chance bekommt, zu erfahren, woher die Hauptzutaten seines Menüs stammen, bei dem wächst auch das Bewusstsein für die bäuerlichen Erzeuger und deren Produktionsweisen“, ist Schultes überzeugt.
„Österreichs Landwirtschaft hat in den vergangenen Jahren sehr intensiv an der Qualität ihrer Erzeugnisse gearbeitet und damit die EU-Spitze erreicht. Gentechnikfrei, ohne Rückstände, aber dem Tierwohl verpflichtet sind die Grundsätze, nach denen auf unseren Höfen gearbeitet wird. Wenn die Konsumenten beim Lebensmitteleinkauf auf Qualität, Preis, Frische und Herkunft achten, finden sie all diese Kriterien vereint in österreichischen Produkten. Diese Klarheit muss es ebenso in der Gemeinschaftsverpflegung geben“, fordert der LK-Präsident. Die bestehenden EU-Regelungen reichen dafür nicht aus. Die Interessenvertretung will eine einfache, gesetzlich geregelte Herkunftskennzeichnung für gering verarbeitete tierische Lebensmittel wie Milch-, Fleisch- und Eiprodukte nach französischem Modell, wo für die Hauptzutat eine Herkunftsangabe vorgeschrieben ist. Ferner wird eine flexible und einfach zu kontrollierende Auslobung nach dem Schweizer Modell für Fleisch und Eier beziehungsweise Eiprodukte in der Gemeinschaftsverpflegung gefordert, beispielsweise mit Aushang bei der Speisenausgabe.
GfK-Umfrage zeigt, dass Konsumenten Transparenz wollen
Wie sehr man damit dem Wunsch der Verbraucher entsprechen würde, macht eine aktuelle Umfrage des GfK-Meinungsforschungsinstituts bei 1.000 Bürgern deutlich. Demnach wollen 68% der Befragten wissen, woher die Zutaten ihres Kantinenessens stammen. Vor allem Pensionisten (70%), Freiberufler (73%) und Beamte/Angestellte (72%) haben großes Interesse an diesen Informationen, während jüngere Menschen andere Prioritäten setzen. Auch regional zeigen sich große Unterschiede, veranschaulichte Paul Unterhuber auf. Während der Prozentsatz in den südlichen Bundesländern wie Kärnten und Steiermark bei 79% liegt, beträgt er in Wien nur knapp 60%. „Wer die bäuerlichen Hintergründe genauer kennt, hat einen besseren Bezug dazu, wobei in der österreichischen Bevölkerung generell eine hohe Meinung von der Landwirtschaft besteht“, betonte Unterhuber. Seine Untersuchung hat außerdem gezeigt, dass Verbraucher, die im LEH auf die Herkunft achten, dies auch beim Außer-Haus-Konsum tun und für viele Menschen, unabhängig davon, ob sie selbst in einer Kantine essen, die „Transparenz auf dem Teller“ einen hohen Stellenwert hat. „Der Wunsch des mündigen Konsumenten nach einer Entscheidungsmöglichkeit ist Ausdruck seines Selbstbewusstseins. Er weiß um die Macht, die er hat“, so Unterhuber.
Finnland erließ Dekret für Fleisch und Milch – Vorschrift für Gastronomie in Arbeit
Die EU-Verbraucherinformationsverordnung, die auch die Herkunftskennzeichnung regelt und diese bereits verpflichtend für Fleisch umgesetzt hat, ermöglicht den Mitgliedstaaten Regelungen auf nationaler Ebene für die Auslobung bei weiteren Produktgruppen.
Die finnische Regierung, der die Umsetzung der EU-Verordnung 1169/2011 zu wenig ambitioniert war, hat ein Dekret (Geltungszeitraum 1. Juni 2017 bis 31. Mai 2019) für die verpflichtende Herkunftsauslobung von Fleisch, Milch und Milchprodukten als Zutat in Verarbeitungs- sowie in verpackten Waren für Endverbraucher und die Gemeinschaftsverpflegung erlassen. „Der Konsument hat ein Recht auf Informationen und die Wahlfreiheit. Das Ziel unserer jahrelangen Bemühungen um mehr Transparenz bei der Lebensmittelherkunft ist eine Wertsteigerung für die bäuerlichen Erzeuger“, sieht Anni-Mari Syväniemi, Ombudsman for Foodculture The Central Union of Agricultural Producers and Forest Owners (MTK) aus Helsinki, damit einen wichtigen Schritt getan. Bedauerlich sei, dass diese Regelung nicht auch für importierte Lebensmittel gelte, so die MTK-Vertreterin. Die Umsetzung sei weniger problematisch verlaufen, weil das staatliche Qualitätsgütesiegel bei den Finnen einen sehr hohen Bekanntheitsgrad habe und damit die Kosten für die Verpackungsindustrie geringer als befürchtet ausgefallen seien. Das Siegel wird aktuell von rund 320 Herstellern für knapp 12.000 Produkte verwendet.
Eine weitere Rechtsvorschrift, die sich auf unverpackte Lebensmittel (Fleisch und Fisch) von Massengastronomen an Endverbraucher bezieht, ist noch in Arbeit. Die EU-Kommission fordert eine detailliertere Ausarbeitung, wie die Qualität mit der Herkunft korreliert. „Bei dieser Maßnahme gibt es starken Gegenwind, unter anderem von der Verarbeitungsindustrie und den Caterern“, so Syväniemi. Die bisherigen Erfolge schreibt sie der jahrelangen Vorarbeit des Bauernverbandes mit dem Konsumentenschutzverband zu, ebenso wie sie generell auf die verstärkte Zusammenarbeit innerhalb des Sektors und mit den politisch Verantwortlichen setzt. „Unser Ziel sollte eine EU-weit einheitliche Regelung sein, dafür brauchen wir den Zusammenhalt möglichst vieler Mitgliedstaaten.“
Seit 1. April auch Herkunftsauslobung in der ÖBB
Dass die Herkunftskennzeichnung auf freiwilliger Basis erfolgreich umgesetzt werden kann, hat Niederösterreich bewiesen, wo in den öffentlichen Küchen des Landes Fleisch und Eier entsprechend gekennzeichnet sind, basierend auf der LK-Kampagne „Gut zu wissen!“. „Unser Ziel wäre eine verbindliche Herkunftsangabe in allen Gemeinschaftsküchen, damit jeder Mensch, der dort isst, weiß, woran er ist“, zeigte sich LK-Präsident Schultes mit dem bisherigen Ergebnis in NÖ aber überaus zufrieden.
Ein weiteres Positivbeispiel ist das größte österreichische privatgeführte Cateringunternehmen, die Donhauser GmbH, die seit 1. April auch die ÖBB beliefert. Sie setzt an elf Standorten seit mittlerweile zwei Jahren die „Gut zu wissen“-Kampagne bei Fleisch, Geflügel und Eiern um und hat dafür „durchwegs positive Feedbacks“ erhalten, wie CEO Josef Donhauser erklärte, „vielleicht auch deshalb, weil unsere Kunden sich das nicht erwartet hätten“. Der Aufwand der Umstellung sei im Vergleich zu den rechtlichen Umsetzungen in der Gastronomie der vergangenen Jahre „überschaubar gewesen“, als Effekt aber „ein steigender Stellenwert der Ware“ zu erkennen. Mit der Auslobung aller Lebensmittelherkünfte, nicht nur der österreichischen, habe sich die Philosophie des Einkaufs für seine Köche geändert, zeigte Donhauser auf: „Der Druck, österreichische Ware zu kaufen, wird für uns größer“, die Wahlfreiheit der Kunden sei im Gegenzug aber hilfreich, denn sie werde werbewirksam eingesetzt.
Der Brexit werde die Märkte neu ordnen und insbesondere der Rinderwirtschaft und den Zuckerrübenbauern harte Jahre bringen, zeigte Schultes abschließend auf. „Die österreichische Landwirtschaft kann ihren hart erarbeiteten Stellenwert nur über das Vertrauen der Konsumenten erhalten. Mit einer klaren Herkunftsauslobung im Außer-Haus-Verzehr können wir dieses Vertrauen in die heimische Qualitätsproduktion stärken.“
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