„Wir starten, wenn die anderen runter kommen“

von Karlheinz Lind

Josef Mündler, Obmann der steirischen Hagelabwehrgenossenschaft räumt mit Mythen auf. Er erklärt, worauf es beim Einsatz gegen den Hagel ankommt.

NEUES LAND: Wie kommt man eigentlich dazu, Hagelflieger-Pilot zu werden?

Josef Mündler: Seit meinem vierten Lebensjahr bin ich von Gewittern begeistert. Bereits in diesem Alter bin ich meinem Vater nachgeschlichen, wenn er in der Nacht sogenannte Hagelraketen abgeschossen hat. Mit fünf Jahren schoss ich bereits selber die erste ab. Diese Faszination ließ mich nicht mehr los. Im Jahre 1987 machte ich den Privatpilotenschein und fliege seither bei der Steirischen Hagelabwehrgenossenschaft. Bei der letzten Generalversammlung wurde ich zum Obmann gewählt.

 

NL: Wo liegen die größten Herausforderungen bei den Einsätzen?

Mündler: Das sind sicherlich das Starten und Landen, beinahe bei jeder Witterung. Denn wenn die anderen Flugzeuge runterkommen, starten wir. Grundsätzlich lernen alle Piloten, Gewitter auszuweichen, wir hingegen suchen sie. Es gibt enorm viele Turbulenzen, Scherwinde und extrem schlechte Sicht. Dabei darf man die Orientierung sowie den Kontakt zu den anderen Hagelfliegern und der Einsatzzentrale nie verlieren.

 

NL: Ihr gefährlichster Einsatz?

Mündler: Besonders herausfordernd sind sogenannte Kaltfrontgewitter. Sie kommen im Schnitt rund sechs bis sieben Mal pro Saison vor. Dabei gibt es extreme Turbulenzen. Glücklicherweise konnten wir diese Herausforderungen noch immer meistern.

 

NL: Immer wieder wird im Volksmund behauptet, dass Hagelflieger den Regen vertreiben? Was sagen Sie dazu?

Mündler: Dieser Mythos ist so alt wie die Tradition des Wetterschießens. Im Jahre 1902 gab es in der Steiermark ein internationales Treffen der Wetterschießer, bereits damals hat man darüber diskutiert. In Oberösterreich ist es sogar umgekehrt. Da behauptet der Volksmund, dass Hagelflieger den Hagel verursachen. Ich verspreche eines, wir können beides nicht. Sonst würden wir ja auch bei Hochwasser zu Einsätzen gerufen werden.

 

NL: Wie funktioniert diese Hagelbekämpfung? Früher konnte man doch immer einen Feuerstrahl sehen.

Mündler: Unsere Hagelabwehrflugzeuge sind mit Spezialgeneratoren ausgerüstet. Bei einem Einsatz wird eine sechsprozentige Silberjodid-Acetonlösung verbrannt. Während das Aceton dank ständiger Weiterentwicklung rückstandsfrei und ohne vom Boden aus sichtbarer Flamme verbrennt, werden unzählige Silberjodidkristalle freigesetzt und in die hagelträchtige Gewitterwolke eingebracht. Somit entwickeln sich wesentlich mehr, aber dafür viel kleinere Hagelkörner. Wenn sie dann die wärmeren Bodenschichten erreichen, schmelzen diese und fallen als Regentropfen zu Boden. Um den perfekten Einsatzzeitpunkt und Ort zu bestimmen, betreiben wir auf der Reicherhöhe ein eigenes Wetterradar. Diese Daten werden von der TU Graz digital umgewandelt und alle 58 Sekunden über ein eigenes Tablet dem Piloten zur Verfügung gestellt.

 

NL: Wie viele Einsätze fliegen Sie und ihr Team pro Saison, wie lange dauert ein durchschnittlicher Einsatz?

Mündler: Im vergangen Jahr flogen wir auf einer Einsatzfläche von 4200 Quadratkilometern 197 Einsätze. Unsere Flotte umfasst vier Flugzeuge und zehn Piloten, die in der Hagelsaison abwechselnd Dienst versehen. Ein eigener Wissenschaftler (Meteorologe) koordiniert die Flugzeuge. Dies alles ist nur möglich, wenn man ein perfektes Team hat. Und so ist es bei uns, ich bin auf jeden mächtig stolz.

Info: www.hagelabwehr.at

 

 

Beitragsfoto: Lind

Zur Person

Josef Mündler ist als Obmann der Steirischen Hagelabwehrgenossenschaft für die Einsätze in der Steiermark zuständig. Der 65-jährige besitzt den Privat- sowie den Berufspilotenschein und war 40 Jahre als Diplomkrankenpfleger auf der Intensivstation im LKH Graz tätig. Seit 1987 ist er als Hagelpilot tätig und hält bei Interesse auch gerne spannende Vorträge.

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