Vom Leben in Coronavirus-Zeiten

von Karl Brodschneider

Landesrat Hans Seitinger und viele freie Mitarbeiter von NEUES LAND berichten über ihren Alltag während der Coronavirus-Krise.

So wie Hunderttausende andere Steirer und Steirerinnen ist auch Landesrat Hans Seitinger zur Heimarbeit aufgrund der Coronavirus-Krise gezwungen. Seinen Tagesablauf beschreibt er mit ständigen Telefonaten, E-Mails-Schreiben und zahlreichen Videokonferenzen. Leicht fällt ihm das Arbeiten von daheim aus in Frauenberg nicht. „Wenn man seit Jahr und Tag immer und vor allem gern unter Menschen ist, dann ist das Vermeiden von sozialen Kontakten, wie es in dieser krisenhaften Zeit leider notwendig ist, ein besonders harter Einschnitt“, gesteht der Politiker.

Grundsätzlich hat bei ihm die Umstellung auf Home-Office gut geklappt. „An den Wochenenden habe ich ja schon immer viel von zuhause aus erledigt“, betont der Bauernbund-Landesobmann und ergänzt: „Um eine Erfahrung sind wir – meine ich – alle reicher geworden. An der Technik ließe sich noch einiges verbessern. Wir würden uns in Hinkunft Millionen an Flug- und Autokilometern ersparen, wenn diese Systeme qualitätsvoll verbessert werden.“

Landesrat Hans Seitinger in Heimarbeit.

Landesrat Hans Seitinger bei einem Selfie, das ihn bei seiner Heimarbeit in Frauenberg zeigt.

Das Abschalten fällt ihm sehr schwer. „Wenn man weiß, dass in den Verarbeitungsbetrieben tausende Arbeitskräfte von einem auf den anderen Moment ausfallen können, weil die Grenzen geschlossen werden, oder dass im Obst-, Wein- und Gemüsebau die dringend benötigten Saisonarbeitskräfte fehlen, lässt einen das keine Ruhe mehr“, erklärt Seitinger. Und weiter: „Wenn die Lebensmittelproduktion in wichtigen Teilbereichen zum Stillstand kommt, kann sich jeder ausmalen, welche Folgen das hat. Umso größer ist mein Respekt vor der Bundesregierung, die ein hervorragendes Krisenmanagement leistet. Im Besonderen meine ich hier auch meine täglich mehrmalige Gesprächspartnerin Elli Köstinger.“

Anita Galler

Das Gegenteil vom Landesrat erlebt Anita Galler aus Althofen in der Marktgemeinde St. Peter am Kammersberg. „Jetzt ist viel Zeit für Entschleunigung und für das Natur-Erleben“, sagt sie und lässt auch wissen: „Mit meiner Gattin Steffi verbringe ich viel Zeit bei der Gartenarbeit, beim Zweierschnapsen und mit dem gemeinsamen Anschauen der aktuellen Nachrichten im Fernsehen.“

Und Anita Galler beschreibt die Ist-Situation auch bei den weiteren Familienmitgliedern: „Unser Sohn macht Home-Office als Software-Entwickler und besorgt für uns die Einkäufe. Mit unserer Tochter mit Familie haben wir viel telefonischen Kontakt nach Murau. Ebenso mit Sohn und Familie in Brasilien, der seine beiden Hotels vorübergehend auch geschlossen hat.“ Ihr Resümee: „Wir sind zuversichtlich, dass wir alle in Österreich diese Krise mit viel Zusammenhalt meistern werden. Einiges wird sich ändern. Vor allem die heimische Landwirtschaft wird mehr denn je geschätzt werden.“

Gerhard Dröscher vor seinem Haus.

Gerhard Dröscher macht jetzt verschiedene Außenarbeiten rund um sein Gehöft in Einach.

Gerhard Dröscher

Im selben Bezirk, nämlich in Murau, ist auch Gerhard Dröscher daheim. Zusammen mit Gattin Margarethe wohnt er im 200 Einwohner zählenden Dorf Einach. „Bei uns ist es viel ruhiger geworden“, gibt er eine kurze Beschreibung ab. „Man sieht kaum Autos. Nur ab und zu fahren Landwirte mir ihren Traktoren, um Mist auszubringen, Siloballen zu holen oder Brennholz nach Hause zu bringen. Die Kleinkinder sind bei ihren Eltern zuhause. Man sieht sie kaum im Freien spielen, auch ein Besuch bei den Großeltern ist ausgesetzt. Dies ist für viele eine große Entbehrung. Doch zum Wohle der Gesundheit uns aller, ist dies notwendig und erforderlich.“

Seine Grundhaltung ist von Optimismus geprägt. Das zeigt er auch mit der Feststellung: „Es soll uns allen Mut machen, dass die Natur gerade jetzt voll erwacht und neue Kraft gibt. Das Singen der Vögel, das Blühen der ersten Schneeglöckchen kann bewusster erlebt und beobachtet werden und wird nicht durch Verkehrslärm gestört. Es wird vieles besser und bewusster wahrgenommen.“

Dröscher setzt seine Beschreibung fort: „Meine Gattin hat mehr Zeit, um häusliche Handarbeit zu erledigen, da die Enkelkinder Besuchsverbot haben. Dies fällt ihr schwer, doch das Stutzen-Stricken für die Enkelkinder und Sohn Gerhard macht die derzeitige Entbehrung etwas erträglicher. Ansonsten sind alle im Dorfe bemüht, die landwirtschaftlichen Tätigkeiten in Haus und Hof sowie auf dem Feld mit entsprechendem Respektabstand zu erledigen. Alle Zusammenkünfte, Versammlungen und Besprechungen wurden bis auf weiters abgesagt.“

Ehepaar Spreitzhofer im Wald

Martin und Edith Spreitzhofer aus Fröschnitz bei einer Pause während der Waldarbeit.

Martin Spreitzhofer

Martin Spreitzhofer aus Steinhaus am Semmering arbeitet jetzt viel im Wald und staunt darüber, wie viel Zeit er dafür hat: „Normal wären jetzt aufgrund meiner Funktion als Landeskammerrat viele Termine wahrzunehmen. Die Gemeinderatswahl wäre zu schlagen gewesen, die Abschussplanbesprechung zu besuchen. Alles ist abgesagt oder verschoben.“

Mangels Helfer begleitet ihn nun seine Frau Edith in den Wald. Unter Beachtung aller Vorsichtsmaßnahmen und ohne zu fällen, werden die liegenden Fichten entastet, ausgestreift und die Äste zu Fratten gelegt. Es ist ein eigenartiges Gefühl für ihn, nicht bis zum nächsten Tag fertig sein zu müssen. Es ist nicht so wichtig, wann es erledigt ist. Aber es muss getan sein. Keine Termine, nur eben Dinge, die erledigt werden müssen. Die Lärchen müssen sortiert sein, Ansitzkanzeln für die Jagd gebaut werden.

Viel Aufmerksamkeit bekommen jetzt die elektronischen Medien. Bekannte rufen an. Dann wird eine Pause eingelegt und miteinander geplaudert. Und dann wird beim Aufräumen oder Fleisch-Selchen für das Osterfest weitergemacht. Spreitzhofer hält inne und fragt sich: „Aber heuer? Auch das wird neu werden, wie es aussieht. Gut, dass wir eine so gute entschlossene Regierung haben. Aber mulmig wird einem schon bei den unglaublichen Veränderungen, die jetzt jeden Tag auf uns zukommen. Trotzdem sind wir in einer glücklichen Lage. Wir können hinaus, arbeiten, Dinge erledigen, kleine Erfolge haben und abends müde sein, wo andere nur ihre Wohnungswand anstarren können. Wie haben es gut in der Fröschnitz!“

Kowald im Wald

Das Ehepaar Kowald aus Allerheiligen bei Wildon hat jetzt viel Zeit für die Waldarbeit.

Josef Kowald

Ähnliches empfindet Josef Kowald aus Allerheiligen bei Wildon. Er erzählt: „In unsere Familie und auf unserem landwirtschaftlichen Betrieb gibt es auch Einschränkungen. Die notwendigen Arbeiten im Stall werden wie üblich erledigt. Da wir alle zusammenleben, gibt es auch mit den Enkelkindern Kontakt. Es finden aber vermehrt Telefongespräche mit Kindern und Enkelkindern, welche nicht zu Hause wohnen, statt. Aber es gibt keinen direkten Kontakt zu anderen Menschen und den Einkauf erledigen Sohn und Schwiegertochter.“  Tagsüber sind Josef Kowald und seine Frau meistens im Wald. Aufräumungsarbeiten, Pflegemaßnahmen sowie Neuanpflanzungen bieten genug Entfaltungsmöglichkeiten. Mit einem Lächeln kommt ihm eine Feststellung über die Lippen: „Auf einmal sind andere Termine nicht mehr so wichtig. Wünsche und Anliegen der Mitmenschen lassen sich auch am Telefon abklären.“

Für Kowald fällt aber schon auf: „Merkbar ist, dass heimische Bauern und deren Lebensmittelerzeugung auf einmal wieder den gebührenden Stellenwert haben. Dankbar sind wir für den Mut von Bundeskanzler Sebastian Kurz und seinem Team für die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen!“

Gerald Holler

Sein Nachfolger als Leibnitzer Kammerobmann, Gerald Holler, spürt von dieser Entschleunigung wenig. Der Frühjahrsanbau steht vor der Tür und andauernd muss er telefonieren. Schlagwortartig nennt er: „Fragen zur Versorgung mit Lebensmittel, zu den Invekos-Anträgen, Bauernmärkten und Buschenschenken.“ Und am vergangenen Sonntag kam für den südsteirischen Landtagsabgeordneten noch etwas hinzu. Das Erdbeben in Kroatien löste bei vielen auch Ängste um die Sicherheit des Atomkraftwerks in Krsko aus.

Marianne und Helmut Ofner

Von einem Aha-Erlebnis infolge der Coronavirus-Krise berichten Marianne und Helmut Ofner aus Kammern: „Die Überraschung war groß, dass in Zeiten der Hamsterkäufe, in denen die Regale der Geschäfte zeitweise leer gekauft waren, die Menschen sich plötzlich wieder daran erinnerten, dass es Bauern gibt, bei denen man auch einkaufen kann. Unser Erdäpfelverkauf ab Hof erlangte erneut großen Zulauf.“

In die Zukunft blickend, sagen sie: „Da ist die Zuversicht, dass sich diese Zeit zu einer großen Chance für die Landwirtschaft in unserem Land entwickelt. Nun hoffen wir, dass wir diese Krise ohne allzu großes menschliches Leid überstehen. Es war eine Frage der Zeit, bis eine große Krise die Menschen zurück in die Knie zwingt. Wenn man die Ereignisse im Skitourismus in Tirol verfolgte, zeigt dies einmal mehr, dass sich unsere Gesellschaft nur noch um Geld, Gewinn, Vergnügen und Freizeit drehte.“

Marianne und Helmut Ofner beschreiben auch das Leben daheim auf ihrem Hof: „Es fühlt sich nun anders an. Die Kinder können vorerst nicht mehr mit den Nachbarkindern spielen. Und doch haben sie im Vergleich zu den Stadtkindern unendlich viel Freiheit. Unsere Großeltern am Hof zählen zur engeren Familie, deshalb frühstücken wir auch jetzt gemeinsam. Sie arbeiten im Stall mit und haben Kontakt zu unseren Kindern. In schweren Zeiten wie diesen muss man auch auf die Seele achten und das Beste aus der Situation machen.“

Maria Fink

Im Falle des Ehepaars Maria und Franz Fink aus Sebersdorf hat die Coronavirus-Krise zu einer großen innerfamiliären Veränderung geführt. Maria Fink erzählt: „Da jetzt unsere behinderte Tochter Sandra aus Sicherheitsgründen von der Lebenshilfe zu Hause ist, wird sie vorwiegend von mir versorgt und betreut. Unsere Tochter ist so schwer behindert, dass sie jeden Handgriff braucht. Ob Essen geben, Trinken verabreichen, Körperpflege, richtige Lagerung und vieles andere mehr. Meine Familie unterstützt mich dabei sehr brav. Gott sei Dank.“ Sie berichtet auch, dass Tochter Cornelia, die den Betrieb einmal übernehmen wird, im Lagerhaus arbeitet.

Maria Fink hofft, die kommenden Wochen gut zu überstehen und sagt: „Wichtig ist es mir, unserer älteren Generation zu helfen, wo wir können. Bei uns am Land ist das ja nicht so ein Problem, was Versorgung betrifft. Wir Bäuerinnen und Bauern sorgen dafür, dass unsere Lebensmittel nicht zu knapp werden und dass genug davon da ist. Es ist jetzt eine schwere Zeit, aber wenn wir alle gemeinsam das tun, was man uns vorgibt, werden wir auch diese Zeit meistern.“

Gottfried Heinz

Mut und Zuversicht vermitteln will auch der Bürgermeister von Thannhausen, Gottfried Heinz. Beim Abstreifen der Wiesen nahm er sich sogar die Zeit, Bilder in die Landschaft zu malen, um seinen Kunden und Nachbarn zu danken und ihnen allen Mut und Zuversicht zu vermitteln. „Das Leben wird nach Corona weitergehen und hoffentlich werden die Liebe und Herzlichkeit dieser Tage bestehen bleiben“, sagt Heinz. Zusammen mit seiner Gattin Hildegard führt er einen Biobergbauernhof und sie sehen sich aufgrund ihres Hofladens als kleiner Nahversorger. Er erzählt: „Wir kommen mit dem Mehlmahlen fast nicht nach und meine Gattin Hildegard ist in der Direktvermarktung voll eingedeckt.“

Andrea Pauli

Am Frötscher-Hof in Dornegg bei St. Marein bei Graz ist Andrea Pauli daheim. Sie erzählt, gerade mit der Schur ihrer Schafe fertig geworden zu sein. Die Schurwolle wird sehr gerne als Langzeitdünger im Garten oder auch gegen Wildverbiss verwendet und wird ab Hof in Säcken angeboten. Und sie lässt auch wissen, dass gerade in dieser schwierigen Zeit ihre bunten Freilandeier bei den Konsumenten sehr beliebt sind. Pauli dazu: „Die unterschiedlichen Farben zaubern hoffentlich dem Einen oder Anderen ein Lächeln ins Gesicht. Wir arbeiten gerne auf unserem Frötscher-Hof weiter und achten auf unsere Mitmenschen und uns. Bleibt’s gesund!“

Stallfoto Dittmann

Im Stall der Familie Dittmann in St. Barbara.

Sabine Dittmann

Auch Sabine Dittmann aus der Gemeinde St. Barbara berichtet von ihrem Alltag: „Am Vormittag steht die Schule im Vordergrund, wenn die Kinder Hilfe brauchen. Ich finde, dass es in der Landwirtschaft keine wirklich gravierenden Einschränkungen gibt, denn die Tiere müssen ja versorgt werden. Angst vor der jetzigen Lage habe ich nicht, aber schon so etwas wie Respekt. Beim Einkaufen ist alles ungewöhnlich ruhig. Übrigens ist am Foto Sandra mit Kuh Mimi und Piri zu sehen.“

Katharina Glatz

Eine angehende Maturantin ist Katharina Glatz (großes Bild) aus Eichberg. Sie trifft die augenblickliche Situation besonders. Sie sagt: „Wir haben keinen Unterricht in den Schulen mehr und müssen dadurch von zu Hause aus den neuen Stoff über Selbstarbeit und Webinare erarbeiten. Vor allem für uns angehenden Maturantinnen und Maturanten stellt das eine enorme Herausforderung dar. Wir wissen derzeit nicht, wann wir die Matura schreiben können. Eine weitere große Herausforderung ist es, insbesondere für uns Jugendliche, dass wir zu Hause bleiben und uns einmal nicht für geraume Zeit mit unseren Freunden und Bekannten treffen.“

Sie selbst hat ein Mittel gefunden, mit dieser neuartigen Situation bestmöglich umzugehen. „Ruhe finde ich momentan, indem ich mit unserem Hund Ako eine Runde im Wald drehe oder einfach bei der Stallarbeit mithelfe. Derzeit ist es einfach nur wichtig, dass wir zusammenhalten und die Maßnahmen der Regierung ernst nehmen.“

 

Beitragsfotos: alle privat

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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