„Oft fehlt am Hof die Wertschätzung“

von Karlheinz Lind

Als einzige Steirerin versieht Anna Kandlbauer Dienst am bäuerlichen Sorgentelefon. Mit NEUES LAND teilt sie ihre Erfahrungen.

NEUES LAND: Seit über zehn Jahren besteht das bäuerliche Sorgentelefon als Teil des Projektes „Lebensqualität Bauernhof“. Sie arbeiten als einzige steirische Vertretern bei diesem Telefondienst mit. Wie kann man sich das vorstellen?

Anna Kandlbauer: Das bäuerliche Sorgentelefon ist unter der Telefonnummer 0810 676 810 von Montag bis Freitag von 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr besetzt. Unser Team besteht aus neun Mitgliedern. Rund zwei bis drei Mal pro Monat bin ich für das Sorgentelefon verantwortlich und berate die Anrufer.

 

NL: Seit wann versehen Sie in diesem wichtigen Bereich Dienst und warum?

Kandlbauer: Seit rund vier Jahren bin ich dabei. Meine Zusatzausbildungen als Lebens- und Sozialberaterin sowie ständige Weiterbildungen in diesem Bereich bilden die optimale Grundlage dafür.

 

NL: Wer sucht beim bäuerlichen Sorgentelefon hauptsächlich Rat und warum?

Kandlbauer: Zum Großteil rufen Bäuerinnen bei uns an, Männer sind eher die Ausnahme. Hauptgrund sind Probleme rund um Generationenkonflikte, Hofübergaben und -übernahmen. Meist geht es um Anliegen, die man mit Menschen im eigenen Umfeld nicht besprechen möchte oder kann. Aber auch Ehe- oder Beziehungskrisen, Scheidungen, Alkoholprobleme oder Spielsucht sind Anrufgründe.

 

NL: Wie reagieren Sie auf solche Probleme?

Kandlbauer: In erster Linie geht es darum, dass den Betroffenen jemand zuhört. Gerade Männer sehen nach solchen Gesprächen vieles klarer und können besser darauf reagieren. Unsere Hauptaufgabe ist es, den Anrufer ein Stück weit zu begleiten. Natürlich geben wir auch Tipps, wie und wo man nach dem Anruf professionelle Hilfe in Anspruch nehmen kann.

 

NL: Nimmt man diese Sorgen nach dem Dienst auch mit nach Hause?

Kandlbauer: Ich versuche, nach dem Auflegen auch im Inneren das Gespräch zu beenden. Dem Betroffenen hilft es nämlich nicht, wenn ich mir danach auch noch Sorgen mache. In diesem Zusammenhang werden wir immer wieder gut geschult und lernen immer besser damit umzugehen. Das Schönste ist jedoch, wenn der Anrufer sagt, dass man ihn geholfen hat. Das ist der größte Dank für unsere Arbeit.

 

NL: Ihr schlimmster Anruf?

Kandlbauer: Besonders tragisch ist es, wenn jemand an Selbstmord denkt und das auch offen ausspricht. Hier ist es besonders wichtig, die Aktualität abzuschätzen. Auf jeden Fall versuchen wir zu stabilisieren und die Entscheidung in ein Verhältnis setzen. Nach dem Motto, es ist zwar tragisch aber nicht ausweglos. Durch das Anerkennen von Problemen können die Anrufer auch leichter in den Alltag zurückfinden.

 

NL: Wo sehen Sie die größten Problemfelder in bäuerlichen Familien?

Kandlbauer: Viele Menschen belastet die fehlende Wertschätzung im Familienverbund am meisten. Wirtschaftliche Sorgen am Hof verstärken das zusätzlich. Andere wertschätzen ist besonders wichtig, unsere schnelllebige Zeit fördert das jedoch nicht unbedingt.

 

NL: Welche Tipps können Sie zum Abschluss geben?

Kandlbauer: Das Wichtigste ist, über Probleme zu sprechen und rechtzeitig Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch ein Zeitmanagement ist notwendig, damit genug Zeit zum Leben bleibt. Und wenn es nur die tägliche Auszeit auf dem Bankerl vor dem Haus ist.

Weitere Informationen gibt es unter www.lebensqualitaet-bauernhof.at.

 

Beitragsfoto: privat

 

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Zur Person

Anna Kandlbauer ist Absolventin der Höhere Bundeslehranstalt für Land- und Ernährungswirtschaft Pitzelstätten. Seit 37 Jahren ist sie bereits als Beraterin in der Landwirtschaftskammer Steiermark tätig. Kandlbauer stammt von einem Bergbauernbetrieb ab. Zu ihren Hobbys zählen Wandern, Reisen und die Weiterbildung. Sie wohnt in Feldbach.

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