Eine Bauernpersönlichkeit ist der vor 100 Jahren gestorbene Karl Gerhalter, der im Jahr 1908 an der „Ersten Steirischen Pilgerreise“ nach Jerusalem teilnahm.
Vor genau 100 Jahren ist der Veitscher Bergbauer Karl Gerhalter gestorben. Über ihn erschien jetzt ein Buch. Ein großes Kapitel darin ist über die „Erste Steirische Volkswallfahrt nach dem Heiligen Land“ geschrieben worden. Karl Gerhalter – sein Todestag jährte sich dieser Tage zum 100. Mal – war damals selbst dabei und führte über die ganze Reise ein Tagebuch.
Drei Wochen unterwegs
Insgesamt nahmen 535 Männer und Frauen an der im Juli 1908 durchgeführten Reise teil. Sie dauerte drei Wochen und brachte die Teilnehmer vom Hauptbahnhof Graz zum Triester Hafen. Von dort ging es mit dem Pilgerschiff nach Jaffa und mit dem Zug nach Jerusalem.
Mehr als ein Viertel aller Pilger stammte aus dem landwirtschaftlichen Bereich. 39 Bauern, 20 Bäuerinnen, 22 Bauernsöhne und 48 Bauerntöchter waren mit dabei. Von den insgesamt 231 mitgereisten Männern gehörten 76 dem geistlichen Stand an.
Für Karl Gerhalter war es unbestritten das größte Abenteuer in seinem Leben. Der Grund seiner Teilnahme könnte damit zu tun gehabt haben, dass ein damals durch eine brennende Kerze ausgelöster Brand im eigenen Bauernhaus in letzter Sekunde gelöscht werden konnte.
Fürstbischof Schuster
Billig war die Reise, an der auch Fürstbischof Leopold Schuster teilnahm, sicher nicht. Nach heutigen Maßstäben kostete sie damals – je nach gebuchter Klasse – zwischen 1470 und 2210 Euro. Für einen Bergbauern entsprach das dem Marktwert von mindestens einem ganzen und einem viertelten Ochsen, für den Getreidebauern dem Jahresertrag von zwei Hektar Weizenacker. Den Tagebuch-Eintragungen des damals 56-jährigen Karl Gerhalter ist zu entnehmen, dass er während des neuntägigen Jerusalem-Aufenthalts 14 Heilige Messe mitfeierte, 27 Kirchen und weitere 39 Sehenswürdigkeiten besichtigte.
Dass Peter Gerhalter, Li Gerhalter und Rudolf Gstättner überhaupt ein so umfassendes Buch über ihren Urgroßvater schreiben konnten, lag daran, dass dieser im Laufe seines Lebens vieles selbst aufgeschrieben und gut sortiert aufbewahrt hatte. Er war auch Musikant, Gemeinderat, Schulrat und Armenrat.
Nach dem Vorbild von Friedrich Wilhelm Raiffeisen übernahm Gerhalter – er hatte daheim am vulgo Wernbacher-Hof einen eigenen Tresor – die Aufgabe des Geldverwahrens übernommen. Damit wusste er, wenn die Nachbarn das Geld für die Bezahlung von Steuern, Mitgiften oder Hochzeiten wirklich benötigten. Damals wurden viele Bauern von Großindustriellen, die ihre Jagdgebiete erweitern wollten, „gelegt“. Binnen eines halben Jahrhunderts blieben von ursprünglich 113 Höfen in Groß-Veitsch und Klein-Veitsch 40 übrig. Gerhalter selbst half Verwandten und Nachbarn bei Finanzengpässen mit einem Privatdarlehen aus. Das Geld verdiente er sich durch seine Tätigkeit als Tanzmusiker. Bei Bällen, Festen und Bauernhochzeiten verdiente er in einer Nacht meist ein Vielfaches von dem, was ein Rossknecht oder ein Zimmerer einnahm.
Zum Buch
Das im Eigenverlag erschienene Buch „Karl Gerhalter 1852-1919“ beschreibt das Leben des obersteirischen Bergbauern, Musikers, Gemeindepolitikers und Jerusalem-Pilgers Karl Gerhalter. Es umfasst 270 Seiten und kostet 29 Euro. Zu beziehen bei Peter Gerhalter, Karolinengasse 7, 1040 Wien. ISBN: 978-3-200-06650-2
Beitragsfotos: Brodschneider