Das Schweigen und das Comeback

von Karl Brodschneider

Wieso ist es so schwer, ein demokratisches Wahlergebnis anzuerkennen, fragte man sich auch zwei Tage nach dem Urnengang in Brasilien, wo Amtsinhaber Jair Bolsonaro seinem sozialistischen Herausforderer Lula da Silva knapp unterlegen war. Während Bolsonaro hartnäckig schwieg, brachen in vielen Teilen des Landes schon erste Unruhen aus. Zum Beispiel blockierten Brasiliens Lkw-Fahrer, die zu Bolsonaros größten Anhängern gehören, an Hunderten Punkten im Land mit ihren Trucks die Straßen und forderten einen Militärputsch.

Trotzdem darf das Wahlergebnis als Sieg für die Demokratie angesehen werden. Die einfache Formel lautet: Wer schlecht regiert, bekommt die Quittung präsentiert. Allerdings kann der neue Präsident nicht als Heilsbringer angesehen werden. Der heutige 77-jährige Lula da Silva bekleidete schon zwei Perioden lang das wichtigste Am im größten Land Lateinamerikas. In seiner Amtszeit blühte die Bestechlichkeit in der brasilianischen Politik. Er selbst saß wegen des Vorwurfs der Korruption und Geldwäsche im Gefängnis, kam aber wegen eines Verfahrensfehlers wieder frei.

Dass Lula da Silva den Wahlsieg einfahren konnten, lag auch darin, dass die Anti-Bolsonaro-Riege geschlossen hinter ihm stand. Der bisherige Präsident hatte nicht zuletzt wegen des beschleunigten Abholens des Amazonas-Regenwaldes Brasilien in ein international geächtetes Land verwandelt. Das war sogar vielen Politikern der bürgerlichen Mitte zu viel, weshalb sie gemeinsam mit extremen Linken und Umweltschützern für Lula da Silva warben.

 

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