Wie schauen die vom Steiermärkischen Landtag beschlossenen Änderungen im Bau- und Raumordnungsgesetz aus der Sicht der Land- und Forstwirtschaft aus?
Auf die Novellen zum Steiermärkischen Bau- und Raumordnungsgesetz hatten viele – vor allem auch Bäuerinnen und Bauern – schon lange gewartet. In der vorwöchigen Landtagssitzung wurden diese mit den Stimmen der ÖVP und SPÖ beschlossen. Dem seien zahlreiche Verhandlungsrunden vorausgegangen, erklärt LAbg. Erwin Dirnberger von der ÖVP. Im Gespräch mit NEUES LAND stellt er aber auch klar, dass es zu beiden Gesetzen eine Vielzahl von zum Teil entgegen gesetzten Wünschen der verschiedenen Interessenvertretungen, politischen Parteien, Gemeinden und Städte gegeben habe. Daher kündigt er schon jetzt eine Fortsetzung an: „Ein erster Teil ist umgesetzt. Summa summarum ist viel Positives geschehen!“
Weil sich bäuerliche Tierhaltungsbetriebe immer mehr mit Mehrparteienhäusern in ihrer Umgebung und den damit einhergehenden Nutzungskonflikten konfrontiert sehen, fasste der Landtag einen klaren Beschluss. Die Genehmigung von Objekten mit mehr als zwei Wohneinheiten außerhalb der Land- und Forstwirtschaft ist im Dorfgebiet künftig nicht mehr möglich.
Geregelt ist jetzt auch, dass das Einstellen von Reittieren zur landwirtschaftlichen Nutzung zählt, wenn das Tierfutter zum überwiegenden Teil aus dem eigenen Betrieb stammt. Das heißt, dass die grundsätzliche Möglichkeit besteht, erforderliche Gebäude im Freiland errichtet zu dürfen, ohne dass man dafür eine Sondernutzung benötigt. Zu beachten ist aber weiterhin die in der Gewerbeordnung festgelegte Höchstgrenze von 25 Einstellpferden.
Keine zweite Bauinstanz
Beim Baugesetz kommt es zu einem Entfall der zweiten Bauinstanz. Das war bisher der Gemeinderat. Werden Bescheide des Bürgermeisters als Baubehörde erster Instanz beeinsprucht, gelangt das Verfahren bereits zum Landesverwaltungsgericht. Dadurch erhofft man sich eine Verfahrensbeschleunigung.
Mehr Rechtssicherheit für Landwirte gibt es bezüglich nachträglicher Auflageverfahren. Sollte zum Beispiel ein Nachbar wegen des Geruchs nachträglich zusätzliche Auflagen begehren, so ist ihm das künftig in den ersten zehn Jahren nach erfolgter Benützungsbewilligung oder abgegebener Fertigstellungsanzeige eines Stallgebäudes nicht mehr möglich.
Zudem wurde der Geltungszeitraum des Feststellungsverfahrens ausgedehnt. Bisher galt er vom 1. Jänner 1969 bis zum 31. Dezember 1984. Diese Frist wurde auf nunmehr 31. August 1995 erweitert. Das betrifft Bauten, die ohne Genehmigung entstanden sind. Für eine nachträgliche Baubewilligung gelten die rechtlichen Bedingungen, die damals bei ihrer tatsächlichen Errichtung auch gegolten hätten. Wenn zum Beispiel im Jahr 1982 für die Errichtung eines Stalls üblicherweise keine Lärm- oder Geruchsgutachten notwendig waren, so gilt diese Regelung auch bei einem nachträglichen Bewilligungsverfahren.
Vereinfachtes Verfahren
Eine Erleichterung gibt es bei der Genehmigung von Solar- und Photovoltaikanlagen. Jetzt können Anlagen bis 50 Kilowatt Peak in vereinfachten Verfahren abgehandelt werden.
Keinen Durchbruch brachte die Baugesetznovelle bei den Geruchsregelungen. Wie kommt man zum Beispiel endlich zu einer einheitlichen Berechnungsmethode, die auch bei ihrer Interpretation keine Mehrdeutungen zulässt? Diese und ähnliche Fragen werden jetzt vom neugewählten Landtag diskutiert und beschlossen werden müssen. LAbg. Dirnberger ergänzt, dass auch die Baulandmobilisierung verstärkt ein Thema sein wird – dass zuerst unbebaute, gewidmete Grundstücke verwendet werden, bevor Freiland umgewidmet wird.
Weiter verhandeln
Agrarlandesrat Johann Seitinger schlägt in dieselbe Kerbe wie LAbg. Dirnberger und sagt: „Obwohl in den Novellen zum Bau- und Raumordnungsgesetz zwar nicht alle für uns wichtigen Punkte enthalten sind, bin ich dankbar, dass wir wesentliche Teile der Themenfelder wie zum Beispiel die Rechtssicherheit bei neuen Stallbauten beziehungsweise die historische Klärung einstiger Betriebsumstellungen von Rind auf Schwein abdecken konnten. Die Themenbereiche Geruchskreise und Vergrößerung der Wohnbauten im ländlichen Raum konnten aufgrund der Meinungsdifferenzen und der Zeitknappheit nicht mehr umgesetzt werden. Diese müssen nun tunlichst schnell in der neuen Periode weiterverhandelt werden!“
In Rechtskraft treten die geänderten Bestimmungen in den beiden Gesetzen mit ihrer voraussichtlichen Verlautbarung Anfang Jänner 2020.
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