Sie ist Stoff gewordene Tradition, Ausdruck eines Lebensgefühls und war sogar Schreckgespenst für einen Kaiser. Ein Blick auf die vielen Rollen der Tracht.
Das Wort Tracht kommt vom tragen und war ursprünglich wesentlich weiter gefasst. Tracht war jedes vereinheitlichte Gewand, das getragen werden durfte oder musste. Aus regionalen, sozialen, beruflichen oder welchen Gründen auch immer. Was wir heute unter Tracht verstehen, hat seine Ursprünge im 19. Jahrhundert, als das Arbeitskleid der weiblichen Hilfskraft am Bauernhof, also der „Dirn“, Einzug in die Mode der Städter fand. Es ist die Zeit der Romantik. Das Landleben wird verklärt und romantisiert. Und damit auch die Kleidung der Landbewohner. Im Prinzip ist die Tracht als Modeerscheinung also ein ziemlich städtisches Phänomen.
Was für die Damen das Dirndlkleid, ist für die Männer der Steireranzug. Seine heutigen Formen gehen auf Trachten und Berufsbekleidungen aus der Obersteiermark zurück und nehmen deutliche Anleihen an der Uniform. Längsstreifen an der Hose oder Schulterspangen sind ein Zeichen dafür. Und das ist gar nicht so weit hergeholt. Schließlich galt der Steireranzug am kaiserliche Hof als Kleidung subversiver Subjekte und war für Beamte zeitweise sogar verboten. „Schuld“ daran und auch, dass der Steireranzug in breiten Bevölkerungsschichten so richtig populär wurde, ist Erzherzog Johann. Der beim Volk beliebte Bruder des Kaisers galt am Hof in Wien als ziemlicher Aufrührer. Und die Tracht, die er mit Vorliebe trug, galt als Symbol dafür. Der Steireranzug als Revoluzzer-Uniform, sozusagen.
Für jeden Anlass
Heute haben Dirndlkleid und Steireranzug wenig Aufrührerisches an sich. Sie sind Ausdruck eines Lebensgefühls und damit viel mehr als bloß ein modischer Trend. Und sie werden auch von Gästen gern getragen, welche die steirische Tracht dann in die ganze Welt hinaus tragen und so deren Beliebtheit weiter steigern. Dirndlkleider gibt es für wirklich jeden Anlass. Ob relativ einfach für den Alltag, als Sonntagsdirndl mit Seide und Verzierungen bis hin zum prächtigen Festtagsdirndl ganz aus edlen Stoffen. Natürlich gibt es auch in der relativ streng reglementierten Welt der Tracht Modeerscheinungen in Schnitt oder Farbe. Ganz besonders natürlich bei Modedirndl, die keinem historisch vorgegebenem Vorbild folgen.
Bei den Herren sieht die Sache etwas anders aus. Er hat im Wesentlichen die Wahl zwischen Altsteirer oder Leobner Anzug. Sonderformen wie Leinenjanker oder Rosegger-Janker einmal ausgenommen. Individualisierungsmöglichkeiten gibt es aber bei den Accessoires. Hut, Weste, Tücher, Schmuck – hier gibt es viele Gelegenheiten, die eigene Tracht auf ihre Weise einzigartig zu machen. Ganz wichtig ist natürlich die Lederhose. Übrigens nicht nur für die Herren. Aber das ist eine Geschichte, mit der wir uns ein anderes Mal befassen werden.
Beitragsbild: Steiermark Tourismus/Brigitte Trinker