Am 28. November 2021 jährt sich zum 50. Mal der Todestag von Josef Krainer I. Er war 23 Jahre lang Landeshauptmann der Steiermark. Ein Beitrag von Herbert Blatnik.
Wir wollen in Erinnerung rufen, was Josef Krainer für die Steiermark bedeutet hat. Für die einen war er der einfache Holzknecht, der sich durch Fleiß und urwüchsige Kraft bis zum Landeshauptmann hocharbeiten konnte; für den politischen Gegner war er der Fels in der Brandung, der gegenüber allen Stürmen standhielt; für Landtagspräsident Dr. Hanns Koren war er der „begnadete und mit einer Urbegabung ausgestattete Führer des steirischen Volkes in den unendlich schwierigen Jahrzehnten nach dem Weltkrieg“.
Holzknecht
Als an einem Februartag des Jahres 1903 die ledige Magd Theresia Krainer in St. Lorenzen bei Scheifling einem Buben das Leben schenkte, ahnte wohl niemand, dass dieses Kind eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Steiermark werden sollte. Auf Grund seiner bescheidenen Herkunft wurde er vorerst Holzknecht. Noch vor seiner Volljährigkeit begann er sich für Sozialpolitik zu interessieren und mit 18 Jahren gründete er in Kobenz eine Ortsgruppe der christlichen Land- und Forstarbeiter. Mit Fleiß und Lerneifer erwarb er sich nach seinen harten Arbeitstagen das Wissen, das er brauchte, um seine Ortsgruppe zu einer der stärksten im Land zu machen. Als 24-Jähriger wurde er Landessekretär der christlichen Landarbeiter und zog nach Graz. Etwa ein Jahrzehnt später war er schon Vizebürgermeister von Graz und Präsident der Arbeiterkammer.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1938 wurde Krainer als leidenschaftlicher Gegner der Nazis verhaftet. Er entging knapp der Einlieferung in ein KZ. Nach seiner Freilassung schied er aus der Politik aus, zog 1939 mit seiner Frau und fünf Kindern nach Gasselsdorf und betrieb dort ein Ziegelwerk. Gegen Kriegsende sollte er erneut verhaftet werden, wurde aber gewarnt und konnte auf abenteuerliche Weise untertauchen. Er versteckte sich einige Wochen lang bis zum Kriegsende bei den Höfen „Stindlweber“ in Stammeregg und „Glirsch“ in Kornriegl bei Eibiswald. Durch eine Gerichtsverhandlung am 17. November 1948 am Grazer Landesgericht für Strafsachen wurde bekannt, dass Krainer Kommandant einer Widerstandsgruppe gewesen war. Als bei einer Wahlveranstaltung jemand laut „Partisanenseppl“ rief, ignorierte er den Vorfall.
Zuerst Landesrat
Im November 1945 wurde der Ziegelgewerke zum Landesrat bestellt und am 6. Juli 1948 wurde Josef Krainer Landeshauptmann. Dieser Vorgang sollte sich noch sechsmal wiederholen. Auf Grund seiner Leistungen war Krainer unbestritten das Zugpferd der steirischen ÖVP. In den ersten Jahren seiner Amtszeit machte der Wiederaufbau in der Steiermark gewaltige Fortschritte. Von der Finanzhilfe der USA profitierten in erster Linie Industrie, Bergbau und große landwirtschaftliche Betriebe. 1958 lief die Produktion des österreichischen Kleinwagens „Puch 500“ mit 1.000 Stück monatlich in Graz an und das LD-Stahlverfahren machte die obersteirische Industrie weltberühmt.[1]
Krainers politische Heimat war der christlich orientierte Steirische Bauernbund. Schon 1935 war er zu dessen stellvertretenden Landesobmann gewählt worden, 1946 trat er diese Position erneut in der Nachfolgeorganisation an und behielt sie bis zum Mai 1971.
Grenzland
Seine Sorge galt dem südsteirischen Grenzland. Er wusste, dass diese Region mit ihren abgelegenen Bauernhöfen und Keuschlern im Vergleich zur industrialisierten Obersteiermark ein Notstandsgebiet war. Ende der 1950er Jahre kam es in den Grenzlandgemeinden zu einer alarmierenden Entwicklung: Immer mehr Bauernsöhne und -töchter verließen den Hof und wanderten in die Städte ab. Um die Landflucht zum Stillstand zu bringen, beschloss der steirische Landtag im Dezember 1957 auf Antrag Josef Krainers eine großzügige Grenzlandförderung. Sie sollte vor allem helfen, Gewerbebetriebe anzusiedeln, um Verdienstmöglichkeiten zu schaffen. Ein gutes Straßennetz sollte den Bauern helfen, ihre Produkte so rasch als möglich in den Handel zu bringen. Überdies setzte Krainer gegen härtesten Widerstand durch, dass neue Berufsschulen und landwirtschaftliche Schulen nicht mehr in Graz, sondern in Eibiswald, Arnfels, Burgstall bei Wies, Gleinstätten etc. angesiedelt wurden.
Mur-Grenzbrücke
Ein besonderer Erfolg war ihm durch seine ihn Wien nicht gern gesehenen Verhandlungen mit den Jugoslawen beschieden. Er kannte das gefährliche Leben an der südlichen Staatsgrenze ab 1945 und bemühte sich, mit Tito gemeinsam den Grenzkonflikt beizulegen. Tatsächlich gelang es seinen Delegierten, in zähen Verhandlungen den Jugoslawen die Grenzland-Abkommen von 1953 abzuringen, die den sogenannten „Doppelbesitzern“, also Bauern, die Wiesen und Weingärten auf der slowenischen Seite besaßen, das Leben wesentlich erleichterten. Der Höhepunkt der „steirischen Außenpolitik“ war die Eröffnung der Mur-Grenzbrücke in Radkersburg im Oktober 1969 mit Krainer, dem jugoslawischen Staatspräsidenten Josip Tito und dem österreichischen Bundespräsidenten Franz Jonas.
Trotz seiner einzigartigen Erfolge blieb Krainer volksnah, mitunter leutselig und naturverbunden. Die meiste Zeit trug er seinen Steireranzug, auch „Krainersmoking“ genannt. Für die Wiener war er der „G´scherte hinter dem Semmering“, für seine Steirer der Landesvater. Mit seiner zuweilen polternden Art sorgte er für manche Anekdote. Im Jahr 1946, als die Ernährungslage nach dem Krieg katastrophal war, verlangte Bundeskanzler Figl von der Steiermark 2.000 Schlachtrinder für Wien und Niederösterreich. Der damalige Landesrat Krainer lehnte ab. Telefonisch erklärte er dem Kanzler, 2.000 Rinder hätten die Bauern nicht übrig. Da drohte Figl: „Dann werd´ ich den Steirern halt den Zucker sperren.“ Krainer wurde zornig: „Wenn unsere Bauern 2.000 Rinder hergeben müssen, gehen etliche Höf´zugrund. Wenn sie aber eine Zeit lang keinen Zucker haben, stirbt keiner! Friss Dein´ Zucker selber!“[2]
Auf der Jagd
Krainers Hobby war die Jagd. Auf einer Fasanenjagd am 28. November 1971 in der Nähe von Wildon ereilte ihn der Tod. Ein Schock ging durch das Land. Durch 23 Jahre hatte Josef Krainer das Land regiert, unzählige Agenden innerhalb der Landesregierung und der ÖVP-Landesorganisation waren auf seine Persönlichkeit ausgerichtet. Doch er hatte vorgesorgt, indem er als sein „politisches Testament“ Landesrat Friedrich Niederl als seinen Nachfolger vorschlug, der schließlich im Dezember 1971 Landeshauptmann der Steiermark wurde.
[1] Stefan Karner, Die Stmk. im 20. Jahrhundert, Graz 2000, S. 405.
[2] Ferdinand Fauland, Der lärchene Stipfel, Graz 1972, S. 39.