Für Bauern endete das Mittelalter

von NEUES LAND

Die „Bauernbefreiung“ vor 175 Jahren zählt mit Sicherheit zu den markantesten Einschnitten in unserer Gesellschaftsgeschichte. Beitrag von Walter Feldbacher.

 

Gesellschaft gibt es zwar nur im Modus der Transformation, doch lassen entscheidende Veränderungsfaktoren mitunter lange auf sich warten. So blieb von der mittelalterlichen Rodung und Besiedelung des Landes bis zur Aufhebung der Grunduntertänigkeit wirtschaftlich, rechtlich und sozial die Grundherrschaft die alles bestimmende Kraft im ländlichen Raum.

Im Feudalsystem hielten adelige und kirchliche Grundherren sämtliche Anwesen und Grundstücke einer „Herrschaft“ in ihrem Eigentum, während die abgabepflichtigen Bauern lediglich über ein Nutzungsrecht daran verfügten. Für „Schutz und Schirm“ schuldeten sie „Treue und Gehorsam“, hatten die Höfe und Keuschen samt Liegenschaften in gutem Zustand zu halten und dazu in Form der Robot unentgeltlich Arbeiten für die herrschaftlichen Güter zu verrichten. Zudem stand der Grundherr als Gerichtsherr in Zivilrechtssachen und niederen Strafsachen sowie als Verwaltungsbehörde den grunduntertänigen Bauern gegenüber.

Die Bauern waren keineswegs Teil des urbanen, bürgerlichen Aufbruchs im März 1848, doch sie sollten maßgeblich und letztlich systemverändernd davon profitieren. Während das Bürgertum nach Partizipation an der Macht auf politischer Bühne strebte und gleichzeitig wenig an der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Bauern interessiert war, wollte ein Großteil der Bauernschaft im Kern nicht an der alten gesellschaftlichen Ordnung von „Thron und Altar“ rütteln. Wohl aber trieben sie ihre sachlichen Anliegen beharrlich voran. In der Steiermark hatten bereits der Landtag, ein Vordenker für die „Bauernbefreiung“, und auch einzelne Grundherren die mangelnde Wirtschaftlichkeit der Grunduntertänigkeit erkannt.

Viele Belastungen

Zunehmend hemmend für eine betriebswirtschaftlich gedeihliche Landwirtschaft wurden vor allem die landesfürstlichen Steuern, die grundherrschaftlichen Abgaben („Rentengrundherrschaft“), die im bäuerlichen Jahreslauf lästige Robot sowie die Besitzwechselabgaben des Hoferben empfunden. Vielfach wurden daraus erwachsene Schulden über Generationen mitgeschleppt und verhinderten so notwendige Modernisierungsmaßnahmen. Auch auf Seiten der Grundherren drang die Erkenntnis durch, dass ein meist marktferner „Moarhof“ noch lange keinen florierenden gutsherrlichen Betrieb ergibt.

Der Zorn der Landbevölkerung richtete sich im Zuge der revolutionären Ereignisse 1848 vor allem gegen Herrschaftsbeamte, die oft zugleich Bezirkskommissare und staatliche Obrigkeit gewesen und allzu schroff und selbstherrlich aufgetreten waren. So wird beispielsweise aus der Bezirksadministration Weinburg gemeldet: „Es sei gelungen, das Landvolk, das von ‚erwerblosem Gesindel sowie anderen Böswilligen‘ mit Schrecken und Furcht erfüllt worden sei, zu beruhigen. Mehrer Gemeindevorstände hätten ihre Treue und Anhänglichkeit an das allerhöchste Kaiserhaus und die hohe Regierung versichert. Allerdings habe man im Schlosse eine Sicherheits- und Feuerwache eingerichtet, da es Gerüchte über Brandlegung und Einbruch gegeben habe.“

Antrag von Hans Kudlich

Die Grundentlastung machte schließlich auch die Bauern zu gleichberechtigten Mitbürgern. Das Patent war auf Antrag des schlesischen Bauernsohnes Hans Kudlich am 7. September 1848 vom Reichstag beschlossen und durch Gesetz vom 4. März 1849 ergänzt worden. Damit endete auch die „Untertanengehorsamspflicht“. Die Bauern erwarteten sich zwar eine Grundentlastung ohne Entschädigung der Grundherren, doch dazu kam es nicht. Sie mussten ein Drittel des Wertes ihrer ehemaligen Leistungen – in maximal 20 Jahresraten – dem Grundherrn begleichen. Ein weiteres Drittel übernahm der Staat, den Rest hatte die vormalige Grundherrschaft durch Verzicht selbst zu tragen.

Grundentlastungsbüchl

Grundentlastungs-Zahlungsbüchel für Hans Kleindienst, Steueramt-Bezirk Eibiswald, Catastral-Gemeinde St. Peter, Oktober 1855-März 1856

Die Grundentlastungskommission errechnete für das Herzogtum Steiermark ein Entschädigungskapital von rund 23,6 Millionen Gulden, die sich aus den Ansprüchen der 1.496 bisherigen Grundherrschaften ergaben. Insgesamt wurden 149.380 untertänige Anwesen entlastet, von denen 91.273 als Häusler oder Keuschler der kleinbäuerlichen Schicht angehörten.

Auch für die Grundherren endeten Pflichten, wie ihr Unterhalt von Wundärzten und Hebammen oder die Beteiligung an der Erhaltung von Straßen und Brücken. Bis 1861 sind in der Steiermark zwar zirka 75 Prozent der bäuerlichen Verpflichtungen aus der Grundentlastung abgezahlt, doch viele Bauern gerieten bald in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Der Liberalismus machte auch den Hof zur Ware, nicht wenige mussten versteigert werden.

Ausstellung

Das Museum für Geschichte/UMJ in der Sackstraße in Graz rückt in der von Bettina Habsburg-Lotheringen, Walter Feldbacher und Ulrich Becker kuratierten Ausstellung „Wendezeiten. Gesellschaftlicher Wandel seit dem Mittelalter“ auch die Stellung der steirischen Bauern im sozialen Gefüge in den letzten knapp 1000 Jahren in den Fokus. Als „Nährstand“ waren und sind sie stets die eigentlichen Träger der Gesellschaft, die letztlich Versorgungssicherheit garantieren. Die Ausstellung ist noch bis 7. Jänner 2024 zu sehen.

 

Beitragsfotos: Walter Feldbach, Kulturhistorische Sammlung/UMJ

 

 

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