Marx oder Demokratie: Beides zugleich geht nicht!

von NEUES LAND

Was weder nach der Grazer noch nach der Salzburger Wahl möglich schien, hat nun Andreas Babler losgetreten: die längst überfällige Diskussion um Klassenkampf und Kommunismus. Ein Beitrag von Mag. Hans Putzer im Rahmen seiner Serie „Zeitdiagnosen“.

 

Wir sollten dem neuen SPÖ-Bundesparteivorsitzender dafür dankbar sein – allerdings nur dafür! Doch der Reihe nach: „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus.“ Mit diesem berühmt gewordenen Satz beginnt das vor 175 Jahren von Karl Marx und Friedrich Engels verfasste „Manifest der Kommunistischen Partei“. Erstaunlicherweise gibt es bis heute kaum relevante Reflexionen über den Gebrauch des Wortes „Gespenst“ in diesem Kontext. Im allgemeinen Sprachgebrauch sind „Gespenster“ bedrohlich, genau genommen wirklichkeitsfremd und sie beziehen ihre Wirkmacht ausschließlich daraus, dass an sie – auch wider besseres Wissen – geglaubt wird. Und sie sind verdammt langlebig, ungeachtet ihrer realen Auswirkungen. Man wundert sich schon angesichts der historischen Erfahrungen mit kommunistisch regierten – oder sollte man nicht besser sagen tyrannisierten – Gesellschaften und Ländern, dass diese Ideologie unverändert – meist rasch zu radikalisierende – Anhänger findet.

Kristian Niemietz, er steht immerhin im renommierten Londoner „Institut für Ökonomische Angelegenheiten“ an der Spitze der Abteilung für „Politische Ökonomie“, spricht hier wohl zu Recht über eine „gescheiterte Idee, die niemals stirbt“.

Schon 1988, unmittelbar vor dem Implosion des Kommunismus‘ hinter dem „Eisernen Vorhang“ hat der österreichische Ökonom und „Wirtschafts-Nobelpreisträger“ Friedrich August von Hayek nüchtern analysiert: „Nach siebzig Jahren Erfahrung mit dem Sozialismus können wir festhalten, dass die meisten Intellektuellen […] nicht bereit sind, sich einmal zu fragen, ob es nicht vielleicht Gründe dafür gibt, dass der Sozialismus, so oft er auch ausprobiert wird, nie so funktioniert, wie seine intellektuellen Vorreiter sich das vorstellen.“ Und Hayek spricht weiter von einer „offenbar endlosen Kette“ gescheiterter Utopien: „die Sowjetunion, dann Kuba, China, Jugoslawien, Vietnam, Tansania, Nicaragua.“

Wir dürfen uns nicht wundern, dass fundierte Ökonomen und Politikwissenschaftler wie Niemietz oder Hajek von den neuen „Lautsprechern“ des österreichischen Neomarxismus‘, sofern sie überhaupt verstanden werden, nicht argumentativ, sondern denunziatorisch bekämpft werden. Julia Herr, inzwischen stellvertretende Klubobfrau der SPÖ, kritisierte erst kürzlich die Würdigung Hajeks im runderneuerten Parlamentsgebäude. Ein Gang wurde nach dem Nobelpreisträger benannt, der während des Nationalsozialismus‘ auch einer Reihe von Juden bei der Flucht geholfen hat. Auch wenn Hajeks Sympathien für den chilenischen Diktator Pinochet nicht nachvollziehbar sind, was die radikalisierten Linken viel mehr stört, sind Hajeks profunde Studien zur Überlegenheit der Marktwirtschaft gegenüber der Planwirtschaft.

Sozialismus?

Aufmerksamen Leserinnen und Lesern wird es aufgefallen sein, dass Hajek nicht von Marxismus oder Kommunismus, sondern vom Sozialismus spricht. Er folgt hier einer ideengeschichtlichen Terminologie, die auf die gemeinsame Wurzel bei Karl Marx verweist, der sein „Kommunistisches Manifest“ ursprünglich als „Sozialistisches“ bezeichnen wollte. Letztlich war es ihm aber wichtiger, sich von einer Reihe bereits vorhandener sozialistischer Bewegungen insbesondere in England und Frankreich abzugrenzen.

Die Gretchenfrage im Sinne des entscheidenden Unterschieds ist zuallererst: „Wie hältst Du’s mit der Demokratie“. Die sozialistischen Parteien, insbesondere im deutschen Sprachraum, haben die damit verbundenen Herausforderungen schon sehr früh erkannt. Ob man sich als „sozialistische“ oder „sozialdemokratische“ Partei verstand, war schon immer mehr als eine sprachliche Variante, obwohl gerade in der Zwischenkriegszeit sowohl die deutschen als auch die österreichischen „Sozialdemokraten“ diesen damit verbundenen Selbstanspruch kaum gerecht worden sind. So war die Losung des Heidelberger Parteitages 1922 „Demokratie, das ist nicht viel, Sozialismus ist das Ziel“. Auch in Österreich war der Linzer Parteitag 1926 gerade kein demokratisches Hochamt. Die Botschaft der Sozialdemokraten war unmissverständlich: Widersetze sich die Bourgeoisie den notwendigen gesellschaftlichen Umwälzungen, gemeint war damit insbesondere der Klassenkampf, „dann wäre die Arbeiterklasse gezwungen, den Widerstand der Bourgeoisie mit den Mitteln der Diktatur zu brechen.“

Aber bleiben wir nicht in der Vergangenheit, in keiner politischen Bewegung oder Partei in Österreich war im 19. Jahrhundert oder in der Zwischenkriegszeit ein uneingeschränktes Verständnis für die Alternativlosigkeit einer demokratisch verfassten Politik und Gesellschaft vorhanden. Erst nach 1945 konnte sich dieses „zarte Pflänzchen Demokratie“ kontinuierlich entwickeln. Innerhalb der SPÖ sind hier vor allem zwei innerparteiliche Entscheidungen relevant: 1991, unter Franz Vranitzky, hat die „Sozialistische Partei“ auch in ihrer Eigenbezeichnung diese Entwicklung der letzten Jahrzehnte hin zur „Sozialdemokratischen Partei“ nachvollzogen. Noch wichtiger ist oder wäre die sogenannte Eisenstädter Erklärung von 1969, in der die SPÖ jede Zusammenarbeit mit der KPÖ ausgeschlossen hat. Aber spätestens seit der letzten Grazer Gemeinderatswahl ist dieses Papier ohnehin nur mehr Makulatur. 

Raubtier-Sozialismus!

Was wir derzeit erleben, ist die ohnehin ständig beschriebene Radikalisierung der politischen Ränder. Weder scheint die ÖVP ein erfolgversprechendes Rezept gegen die Kickl-FPÖ zu haben, noch die SPÖ eine Idee davon, wie zukunftsfähige „Sozialdemokratie“ aussehen könnte. Deren „Wiederentdeckung“ der marxistischen Wurzeln mag in einer sich zunehmend emotional aufladenden Gesellschaft zwischen Klimawandel und Migrationswellen Prozentpunkte bei Umfragen und möglicherweise auch bei Wahlen bringen, mehr „Miteinander“ ist davon allerdings nicht zu erwarten.

Österreich neige zu einer „Politik der Gefühle“, so der Buchtitel eines höchst erfolgreichen Essays von Josef Haslinger zur sogenannten „Waldheimaffäre“ 1986.

2023 ist eine solche Diagnose aktuell wie kaum zuvor, nur mit dem Unterschied, dass die Priorisierung dumpfer Gefühle anstatt rational-aufgeklärter Argumente nun vor allem links zu Hause ist. Schon Christian Kern hat mit seinem Slogan „Holt euch, was euch zusteht“ tief in die Wühlkiste klassenkämpferischer Klischees gegriffen. Babler will noch mehr: Weniger arbeiten ums gleiche Geld (plus Lohnerhöhungen selbstverständlich)! Bezahlen sollen das die sogenannten Reichen, schließlich besitzen 335 Personen in Österreich ein Drittel des gesamten Finanzvermögens. Dass ein Großteil dieses Geldes in Unternehmen gebunden ist, die wiederum einen Großteil der österreichischen Arbeitsplätze sichern, davon ist selbstredend nie die Rede. Natürlich kann man auf das Kapital eines Unternehmens seine neomarxistischen Phantasien projizieren, bloß am Ende des Tages ist das Unternehmen dann doch noch „rechtzeitig“ weg von Österreich oder – noch schlimmer – nicht mehr länger investitionsfähig.

Auge auf die Landwirtschaft

Natürlich haben es Babler und die Seinen auch auf die Landwirtschaft abgesehen. Ein durchschnittlicher Hof in Österreich hat 45 Hektar und damit relativ schnell einen Nominalwert von einer Million Euro oder mehr. Aber Höfe sind zugleich schon heute – aus sehr guten Gründen, die hier nicht weiter erörtert werden müssen – von solidarischen Beiträgen der Gesamtgesellschaft abhängig. Sollen sich also die Bäuerinnen und Bauern ihre Förderungen am Ende durch eine zuvor geleistete Millionärssteuer selbst bezahlen? Das wird sich nicht ausgehen.

Die christliche Soziallehre und die klassische Sozialdemokratie – beide zumindest seit 1945 – gehen von einem Gerechtigkeitsbegriff aus, der eine gesellschaftliche Entwicklung im Sinne eines besseren Lebens für alle als Ziel hat. Klassenkampf und Rassenwahn grenzen dagegen schon per definitionem einzelne Gruppen davon aus. Eine Grazer Bürgermeisterin, die Teile ihres Gehalts an real oder vermeintlich Bedürftige verschenkt und die Zahl der Sozial-Card-Empfänger in ihrer Stadt sukzessive erhöht, verbessert nicht unsere Gesellschaft, sondern kauft ebenso ungeniert Wählerstimmen wie einst Jörg Haider mit seinem „Hunderter“ oder Andreas Babler mit seinen Ankündigungen eines sozialistischen Paradieses, das bisher weltweit ausschließlich und überall gescheitert ist. Hier wird viel zu oft Sozialpolitik mit dem Befriedigen höchst individueller Bedürfnisse verwechselt.

Ein letztes: Spricht man Kommunisten oder Neomarxisten darauf an, dass ihr Gesellschaftsmodell bisher verlässlich nur Armut und Intoleranz, jedenfalls keine liberale Demokratie, hervorgebracht hat, gibt es ebenso verlässlich die Standardantwort: Es gab ja noch nie eine wirklich sozialistische Gesellschaft. Eine besondere Chuzpe ist dann oft auch noch der Hinweis auf Jesus, dessen Ideen ja von der Kirche auch bis zum heutigen Tag nie wirklich realisiert worden seien. Unter uns gesagt, mir ist aus dem Evangelium keine Formulierung bekannt, wie sie im Marx’schen „Kapital“ nachzulesen ist: „Die Gewalt ist der Geburtshelfer jeder alten Gesellschaft, die mit einer neuen schwanger geht.“

 

Foto: jro-grafik – stock.adobe.com 

 

 

 

Zum Thema passend

Einen Kommentar abgeben