Kurt Weinberger, Generaldirektor der Hagelversicherung, über Klimawandel, Langfristigkeit, Risikoausgleich und Prämien.
NEUES LAND: Hätten Sie es für möglich gehalten, dass sich die Frostkatastrophe wiederholt?
Kurt Weinberger: Wir hatten heuer den wärmsten März seit 250 Jahren, was zu einem Vegetationsvorsprung von 14 Tagen führte. Mit der Konsequenz, dass die Pflanzen empfindlicher auf tiefste Temperaturen reagieren, die um diese Zeit eine nicht so große Ausnahme darstellen. Wir wissen aufgrund der Erderwärmung, dass derartige Ereignisse in Zukunft öfter stattfinden werden. Deshalb stehen wir zu diesem Thema auch international in Diskussion mit unseren Rückversicherern – niemand hat damit gerechnet, dass dieser Fall innerhalb von zwei Jahren schon wieder eintreten wird.
NL: Mit welcher Häufigkeit von ähnlich gelagerten Schadensfällen rechnen Sie in Zukunft?
Weinberger: Früher war von Jahrhundert-Ereignissen die Rede, ich denke, ab nun werden wir mit Jahrzehnt-Ereignissen konfrontiert sein. Aber in dieser kurzen Abfolge wie jetzt sollte es nicht mehr geschehen. Rein im Rückblick auf unsere Zahlenreihen war das ein krasser Ausreißer.
NL: Kann sich diese Häufung von Katastrophenfällen auch auf die Prämien auswirken?
Weinberger: Wir setzen in unseren Geschäftsbeziehungen auf Langfristigkeit und werden die Prämien sicher nicht erhöhen. Aber wir haben ein klares Ziel: Mehr Versicherte bringen einen besseren Risikoausgleich.
NL: Wie gehen Sie denn mit Ihrem Risiko um?
Weinberger: Unsere Antwort auf die Zunahme solcher Wettereignisse ist zunächst einmal der Ausgleich, den wir erstens regional und zweitens mit unserer Tätigkeit in sechs Märkten Europas haben. Zusätzlich sind wir bei insgesamt 36 Rückversicherungen weltweit in Deckung und haben alle österreichischen Versicherungen bei uns in der Rückversicherung.
NL: In diesem Jahr ist eine völlig neue Situation dadurch entstanden, dass es keine Entschädigungszahlungen von der öffentlichen Hand mehr gibt, weil sie die Eigenvorsorge kräftig unterstützt. Wie hat die Bauernschaft auf diese gravierende Veränderung reagiert?
Weinberger: Die Obstwirtschaft war bislang kaum versichert, nun stehen etwa 50 Prozent der Obst- und 40 Prozent der Weinbaubetriebe unter Versicherungsschutz und ich gehe davon aus, dass sich das weiter verbreitern wird.
NL: Welche Breite betrachten Sie als machbar?
Weinberger: Derzeit sind 85 Prozent der Betriebe im Ackerbau gegen Hagel und 65 Prozent gegen Dürre versichert. Ich kann mir vorstellen, dass Spezialkulturen in drei bis fünf Jahren eine ähnliche Größenordnung – also 80 bis 85 Prozent – erreichen werden. Die Dynamik in diese Richtung stimmt jedenfalls.
NL: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Argumente dafür?
Weinberger: Die Landwirte haben einen Rechtsanspruch auf Entschädigung und erhalten diese innerhalb von ein paar Tagen. Und es gibt eben aus gutem Grund keine Mittel aus dem Katastrophenfonds mehr, denn der Staat unterstützt die Eigenvorsorge mit einer Zahlung von 50 Prozent der Prämien.
NL: Kann man – wenn die Versicherungsdichte zunimmt – auch darüber reden, die Prämien noch günstiger zu gestalten?
Weinberger: Unser Ziel ist es, die Prämien trotz massiver Zunahme der Schadensfälle unverändert zu lassen. Von Reduktion zu sprechen, wäre daher aus heutiger Sicht unseriös.
Zur Person
Kurt Weinberger (56) ist Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung, verheiratet und Vater von drei Kindern. Er promovierte an der Universität für Bodenkultur in Wien und studierte Rechtswissenschaften an der Universität Salzburg. Von 2011 bis 2015 war er Präsident der weltweiten Vereinigung der Agrarversicherer.
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