LAbg. Silvia Karelly, eine von 202 Bürgermeisterinnen in Österreich, über das Image von Politikern und die schönen Seiten ihres Amtes als Gemeindeoberhaupt.
NEUES LAND: Kürzlich fand in der Hofburg in Wien erstmals eine Fachtagung für alle österreichischen Bürgermeisterinnen statt. Aktuell sind ja 202 Frauen als Bürgermeisterin tätig. Wie war die Stimmung? Gab es auch ein Rahmenprogramm?
Silvia Karelly: Die Stimmung war außerordentlich gut und freundschaftlich geprägt. Es war eine große Freude, bekannte Kolleginnen zu treffen und neue Kontakte zu knüpfen. Besonders groß war die Wiedersehensfreude bei den Schweizerinnen und bei den deutschen Kolleginnen, die im Jahr 2018 erstmals zum internationalen Treffen nach St. Ulrich am Pillersee gekommen waren und nun ebenfalls in die Hofburg eingeladen wurden. Das Rahmenprogramm zeugte von immenser Wertschätzung uns Bürgermeisterinnen gegenüber, denn nach dem Empfang im Festsaal des Rathauses durch den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig am ersten Abend der Tagung luden Bundespräsident Alexander Van der Bellen und seine Gattin Doris Schmidauer am zweiten Abend in die Präsidentschaftskanzlei und nahmen sich mehrere Stunden Zeit für persönliche Gespräche und ein geselliges Beisammensein.
Politiker-Image
NL: Das Image der Politiker ist generell nicht sehr gut, allerdings ist jenes der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aber viel besser. Warum ist das so?
Karelly: Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind viel näher an der Basis und den Menschen direkt verantwortlich. Da reicht reine Ankündigungspolitik nicht aus, sondern da müssen konkrete Umsetzungsschritte folgen. Im Bürgermeisteramt ist man nahbar, für die Bevölkerung erreichbar. Da funktioniert noch der direkte Draht und das Feedback lässt nicht lange auf sich warten. Das schafft Vertrauen und Glaubwürdigkeit, man ist den Menschen im Wort.
NL: Sind die Erwartungen an Frauen für das Bürgermeisteramt höher als an Männer?
Karelly: Ja, ich denke schon: Von Frauen erwartet man sich mehr diplomatisches Geschick, soziale Kompetenz und ein hohes Maß an persönlichem Engagement. Frauen müssen sich in diesem Amt mehr beweisen als Männer, weil man es ihnen (zu) lange nicht zugetraut hat.
NL: Was empfinden die Bürgermeisterinnen als größte Herausforderungen im Amt?
Karelly: Eine Kollegin aus Stuhlfelden im Salzburger Land hat gesagt: „Echte Frauen sind nicht perfekt und perfekte Frauen sind nicht echt!“ Frauen legen an sich selbst sehr hohe Maßstäbe an, sind als Bürgermeisterinnen oft viel selbstkritischer als Männer. Dazu kommt die Frage nach der sozialen Absicherung, der enormen Verantwortung und der persönlichen Haftung, wie es sie sonst auf keiner anderen politischen Ebene gibt.
Vereinbarkeit
NL: Inwieweit ist die Vereinbarkeit von Bürgermeisterin, Familie und Beruf und Privatleben überhaupt noch möglich? Wie groß ist die Gefahr, dass man sich dabei körperlich und psychisch verausgabt?
Karelly: Bürgermeisterin zu sein, ist ein Vollzeit-Job. Im Grunde muss man sieben Tage die Woche von früh bis spät erreichbar sein, im Notfall sogar in der Nacht. Das verlangt einem viel Disziplin, gutes Zeitmanagement und große Belastbarkeit ab. Für das Privatleben bleibt leider wenig Zeit, was für die Familie eine enorme Herausforderung darstellt. Die Gefahr, sich aufgrund der Mehrfachbelastung körperlich und psychisch zu verausgaben, ist relativ groß. Umso wichtiger ist es, auf die eigene Gesundheit zu achten und seine Grenzen zu kennen.
NL: Laut einer aktuellen Studie ist beinahe die Hälfte der Frauen, die derzeit in Österreich Bürgermeisterinnen sind, nicht in ihrer jetzigen Gemeinde aufgewachsen. Ist es für dieses Amt ein Vorteil, wenn man in die Gemeinde zugezogen ist?
Karelly: Unter Umständen kann der Blick von außen nicht schaden. Man ist vielleicht weniger voreingenommen und betrachtet die Dinge aus etwas mehr Distanz. Dafür fehlt einem aber andererseits das Wissen um die Genese bestimmter Entwicklungen und Konflikte, was bei der Problemlösungskompetenz entscheidend sein kann.
Persönliche Angriffe
NL: In einer aktuellen Umfrage unter den österreichischen Bürgermeisterinnen gaben mehr als 70 Prozent an, schon Erfahrungen mit Beleidigungen, Bedrohungen und Übergriffen gemacht zu haben. Mussten auch Sie das schmerzlich erfahren?
Karelly: Ja, auch ich musste schon solche Erfahrungen machen. Das ist nicht lustig und geht tief unter die Haut! Die Aussage eines Windparkgegners, man solle mich an einem der Windräder aufhängen, hat auch meine Kinder erschüttert und betroffen gemacht.
NL: Was sind die schönsten Seiten der Tätigkeit als Bürgermeisterin?
Karelly: Die Möglichkeit, die Lebenswelt der Bevölkerung zu gestalten und zum Besseren verändern zu können, schätze ich sehr. Ich liebe meine Gemeinde und die Menschen, die hier wohnen. Ihnen in allen Lebenslagen nahe zu sein und manchmal auf direktem Wege helfen zu können, betrachte ich als große Bereicherung des eigenen Lebens und macht für mich das Amt der Bürgermeisterin zur schönsten Aufgabe, die es auf Erden gibt. Kein Tag gleicht dem anderen und es ist immer was los.
Zur Person
Silvia Karelly ist verheiratet, Mutter von drei Töchtern und bewirtschaftet gemeinsam mit ihrer Familie einen Bergbauernhof in steiler Hanglage auf 1040 m Seehöhe. Die 44-Jährige ist als Quereinsteigerin in die Politik gekommen und mittlerweile im fünften Jahr als Bürgermeisterin ihrer rund 1500 Einwohner zählenden Heimatgemeinde Fischbach aktiv. Seit zweieinhalb Jahren ist sie Abgeordnete zum Landtag und seit Oktober 2020 auch Vorsitzende des Regionalverbandes Oststeiermark.
Beitragsfoto: Brodschneider