Vor einem Jahr wurde das Bäuerliche Versorgungsnetzwerk gegründet. Geschäftsführer Markus Weyer zieht eine erste Zwischenbilanz und nennt angepeilte Ziele für das Jahr 2022.
NEUES LAND: Vor einem Jahr wurde das Bäuerliche Versorgungsnetzwerk gegründet. Was macht diese Genossenschaft so einzigartig?
Markus Weyer: Vorausschicken möchte ich, dass die steirische Landwirtschaftskammer und das Land Steiermark die Initialzündung zur Gründung gegeben haben und den Aufbau der Genossenschaft sehr unterstützen. Unsere Genossenschaftsmitglieder sind bäuerliche Betriebe und Produzenten, die täglich frische, regionale Produkte erzeugen. Diese Produkte werden von uns angekauft und direkt in die Großküchen geliefert. Wir sind vor allem operativ stark tätig, indem wir die Bestellung, die Verrechnung, die Bündelung, den Transport und bei Bedarf auch die Weiterverarbeitung übernehmen. Somit bieten wir für den bäuerlichen Betrieb Dienst- und Unterstützungsleistungen an, die er allein oftmals nicht schaffen würde.
NL: Mitglieder der Genossenschaft sind aber auch Erzeugerorganisationen und Spartenverbände. Welche Rolle spielen sie dabei?
Weyer: Gegenüber unseren Kunden können wir auch deshalb sehr selbstbewusst auftreten, weil wir auch den Landesverband steirischer Gemüsebauern, den Verband steirischer Erwerbsobstbauern, die Styriabrid, Bio Ernte Steiermark und seit kurzem auch den Landesverband der steirischen Geflügelbauern mit im Boot haben. Wir führen bereits Gespräche mit weiteren Verbänden. Diese Struktur hilft uns dabei, einen tollen Produktkatalog vorlegen zu können.
NL: Was sind nun die Vorteile für die Landwirte und Kunden?
Weyer: Dem Bauern stehen neue Vertriebskanäle zur Verfügung. Er hat eine bessere Planbarkeit und kann dadurch größere Mengen kontinuierlich absetzen. Die Großküche kann frische, regionale Produkte bekommen und muss sich dabei nicht mit 15 oder 20 Bauern abstimmen, sondern hat einen Ansprechpartner und eine Verrechnungsstelle. Die Liefergenauigkeit, Liefertreue, Produktqualität und erforderlichen Mengen werden erfüllt.
NL: Mit welchen Produkten ist das Bäuerliche Versorgungsnetzwerk gestartet?
Weyer: Der Start erfolgte mit Gemüse und weiterverarbeiteten Kartoffeln. Dazu kamen Obst, Öle, dann Fleisch, wobei bei allen Produkten auf sehr hohe Produktqualität geachtet wird. Biomilchprodukte, Bio-Getreideprodukte, und neuerdings auch Eier vervollständigen unser derzeitiges Angebot.
NL: Wie viele bäuerliche Lieferanten und wie viele Kunden haben Sie derzeit?
Weyer: Wir haben derzeit mit rund 30 Bauern bzw. Betrieben Geschäftsbeziehungen. Dahinter sind aber weit mehr, die zuliefern. Und wir haben etwa 15 Kunden. Dazu zählen Spitäler wie die Uniklinik Graz und das LKH II, die Stadtküche Graz, das Ausbildungszentrum Andritz, Aufwind das Zentrum für Wohnen und Ausbildung, der Steiermarkhof, einige Jugendhäuser oder private Betriebe wie die Firma Anton Paar oder Pankl Racing in Kapfenberg. Wir führen derzeit Gespräche mit potentiellen neuen Geschäftspartnern und wollen unsere Lieferanten- und Kundenbasis kontinuierlich erweitern.
NL: Welche Bedingungen müssen die Lieferanten erfüllen?
Weyer: Nur wenn die Qualität passt, kann man am Markt langfristig bestehen. Daher sind die Eintrittskriterien das AMA-Gütesiegel, die Bio-Zertifizierung sowie die Mitgliedschaft bei der Erzeugergemeinschaft beziehungsweise Verbänden.
Qualitätssicherung
NL: Obmann Markus Hillebrand und Aufsichtsratsvorsitzender Karl Obenaus betonen immer die Transparenz und das hohe Qualitätslevel. Was unternimmt das Bäuerliche Versorgungsnetzwerk selbst für das Erreichen und Halten der hohen Qualität?
Weyer: Wir haben einen erfahrenen Mitarbeiter als Qualitätssicherer ins Boot geholt. Er operiert in enger Abstimmung mit den Lieferanten und sorgt dafür, dass unsere Kunden ein maßgeschneidertes Produkt erhalten. Das ist zum Beispiel beim Fleisch ein fertiger faschierter Braten in Bio-Qualität, der von der Rezeptur so gemacht wird, wie es für den Kunden genau passt. Wir sehen uns als Team von hochprofessionellen Leuten und wollen so mithelfen, regionale bäuerliche Betriebe und Produzenten bestmöglich dabei zu unterstützen, dass ihre Produkte in einer Großküche landen.
Startphase gut gemeistert
NL: Was waren in der Startphase die größten Herausforderungen?
Weyer: Man muss breit aufgestellt sein, um für die Abnehmer interessant zu sein. Wenn wir nur eine Produktschiene fahren würden, wäre das für die Großküchen uninteressant. Ein Kernthema ist die Logistik. Dabei arbeiten wir mit einem externen Partner zusammen. Wir achten, dass dabei auch E-Fahrzeuge zum Einsatz kommen, die Waren ganz frisch von unseren Lieferanten abholen und in gebündelter Form dann in die Großküchen liefern.
NL: Wie entscheidend ist der Preis bei Ihren Kontakten mit den Kunden?
Weyer: Der Preis spielt in der Gemeinschaftsverpflegung eine wesentliche Rolle und hier bedarf es noch weiterer konkreter Maßnahmen von Seiten der Politik, um das Budget für Lebensmitteleinkäufe zu erhöhen. Es wird langsam spürbar, dass Großküchen mehr Wert auf frische, regionale und hochqualitative Produkte legen. Es müssen jedoch auch vernünftige Preise für eine hochqualitative Ware sein. Die Genossenschaft BVN sorgt dafür, dass ein großer Wertschöpfungsanteil beim bäuerlichen Betrieb bleibt.
NL: Wird das Bäuerliche Versorgungsnetzwerk von Mitbewerbern schon wahrgenommen?
Weyer: Ich denke schon, dass wir bereits wahrgenommen werden. Dies zeigt sich erfreulicherweise auch darin, dass wir von Kundenseite immer mehr Anfragen erhalten.
NL: Das Jahr 2022 hat gerade erst begonnen. Welche Ziele haben Sie sich für heuer gesetzt?
Weyer: Wir wollen uns in Richtung Digitalisierung weiterentwickeln, sodass es für Lieferanten und Kunden einfacher und schneller wird. Und wir wollen den Lieferanten- sowie Kundenkreis erweitern und in neue Gebiete in der Steiermark vordringen. Unser langfristiges Ziel ist, den Anteil an frischen regionalen Lebensmitteln in der Gemeinschaftsverpflegung und in Großküchen durch gebündelte Belieferung von bäuerlichen Produkten stark zu erhöhen.
Zur Person
Der gebürtige Südsteirer Dr. Markus Weyer (46) absolvierte eine technische Ausbildung an der HTL Graz, studierte Internationale Betriebswirtschaft in Wien und war danach bei verschiedenen internationalen Konzernen tätig. Ehe er Anfang 2021 die Geschäftsführung bei der neugegründeten Genossenschaft Bäuerliches Versorgungsnetzwerk übernahm, war er sieben Jahre lang in der Lebensmittelindustrie beschäftigt. Markus Weyer ist verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt mit seiner Familie seit vier Jahren in Ehrenhausen an der Weinstraße.
Beitragsfoto: Brodschneider