Interview der Woche mit Johann Gasteiner über Forschung und Bildung. Der gebürtige Gaishorner Bauernsohn ist seit Anfang November neuer Direktor der HBLFA Raumberg-Gumpenstein.
NEUES LAND: Im Jahr 1986 haben Sie an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein maturiert. Jetzt sind Sie neuer Direktor. Wie geht es Ihnen dabei?
Direktor Johann Gasteiner: Als damals frisch gebackener Absolvent von Raumberg bekam ich von meinen Eltern die Möglichkeit, Veterinärmedizin zu studieren und nach dem Studium konnte ich als Mitarbeiter der Rinderklinik an der Veterinärmedizinischen Universität Wien sehr breite und auch internationale Kenntnisse in Lehre, Praxis und Forschung erwerben. Eine tolle universitäre Karrierechance schlug ich jedoch aus, um mit meiner damals jungen Familie wieder nach Hause zu ziehen, was ich übrigens nie bereute. So wurde ich Tierarzt und wissenschaftlicher Mitarbeiter in Raumberg-Gumpenstein, arbeitete nebenher auch in einer Großtierpraxis und konnte durch diese Kombination weitere wichtige Erfahrungen sammeln. Ich habe dann in verschiedenen Funktionen immer mehr Verantwortung übernommen, war in fachlichen Belangen auch sehr viel im Ausland unterwegs und ab einem gewissen Punkt bekommen die Dinge eine gewisse Eigendynamik. Die Arbeit und Verantwortung als Direktor machen mir eigentlich jeden Tag Freude, weil ich mich auf ein großes Team an erfahrenen, motivierten und loyalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verlassen kann. Die Themen, welche wir in Raumberg-Gumpenstein bearbeiten, liegen hautnah am Puls der Zeit und wir haben eine sehr gute Infrastruktur und eine moderne Ausstattung im Bereich der Forschung für die Landwirtschaft. 410 wissbegierige Schülerinnen und Schüler tun ihr übriges, damit wir aktiv bleiben und uns ständig weiterentwickeln. Das alles macht meine Arbeit spannend, herausfordernd und ereignisreich.
NL: Sie wuchsen auf dem elterlichen Milchviehbetrieb in Gaishorn auf. Inwieweit erdet die bäuerliche Herkunft in Ihrer neuen Funktion?
Gasteiner: Ich bin dankbar für und stolz auf meine Herkunft. Zu wissen, wie die tägliche Arbeit eines Landwirtes aussieht, welche Herausforderungen permanent auf unsere Landwirtinnen und Landwirte zukommen, ihre Motivationen, aber auch Sorgen und Ängste zu kennen ist unheimlich wichtig, um letztlich authentisch zu bleiben. Lediglich internationale Publikationen zu fabrizieren, die maximal von der wissenschaftlichen Community gelesen werden, ist mir aber zu wenig. Mein Anspruch, und der gilt auch für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, war es immer, dass jeder Forscher seine Arbeit, seine Ziele und Ergebnisse auch der Praxis erklären können muss. Erst dann schließt sich für mich der Kreis. Forschung muss mit Innovationen wieder in der Praxis umgesetzt werden, ansonsten bleibt Forschung Selbstzweck, das braucht keiner. Ich selbst arbeite auch gerne manuell und habe kein Problem, mich dabei schmutzig zu machen-ganz im Gegenteil. Diese Erdung verdanke ich meiner bäuerlichen Herkunft.
NL: An der HBLFA wird ja großer Wert auf die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Schule gelegt. Inwieweit profitieren die Schülerinnen und Schüler, aber auch die Bäuerinnen und Bauern davon?
Gasteiner: Unsere Forscherinnen und Forscher unterrichten auch in der Schule und bringen so ihre Themen, Projekte und die neuesten Ergebnisse sehr zeitnah zur Jugend. Unsere Schülerinnen und Schüler müssen auch eine vorwissenschaftliche Diplomarbeit erstellen und hier werden sie intensiv von der Forschung unterstützt, zumal wir auf einen wahren Fundus an Themen und Möglichkeiten zurückgreifen können. Praktisch relevante Ausbildungsmöglichkeiten wie Besamungskurse, Klauenpflegerkurse, Facharbeiter- und Meisterkurse und vieles mehr runden unser Bildungsangebot ab. Wir bieten jährlich mehr als 80 außenwirksame Tagungen, Workshops und Veranstaltungen, wo aktuelle und anverwandte Themen der Grünland- und Viehwirtschaft vermittelt werden. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind gefragte Referenten bei externen Veranstaltungen, wir erarbeiten jährlich eine Vielzahl an unabhängigen Gutachten für die Landwirtschaft und ich denke schon, dass die Bäuerinnen und Bauern davon profitieren.
NL: Die HBLFA Raumberg-Gumpenstein ist als größte Dienststelle des Bundesministeriums Landwirtschaft, Regionen und Tourismus in der landwirtschaftlichen Forschung die treibende Kraft für nachhaltiges Wirtschaften im ländlichen Raum. Auf welche Forschungsprojekte sind Sie besonders stolz?
Gasteiner: Raumberg-Gumpenstein hat eine jahrzehntelange Tradition in der Ausbildung und Forschung in den Bereichen der Grünland- und Viehwirtschaft und eine Vielzahl an Innovationen nahmen hier ihren Ausgang. Aktuell laufen in Raumberg-Gumpenstein 104 wissenschaftliche Projekte, wir sind national und international bestens vernetzt und ein gefragter Projektpartner. Besonders wichtigen Themen wie Klimawandel, Digitalisierung, Tierwohl, Biodiversität sowie Emissionen und Immissionen aus der Landwirtschaft werden sehr intensiv und erfolgreich von uns bearbeitet. Hier kann ich nur empfehlen, in unsere Homepage ein- und abzutauchen. Letztlich haben wir immer das Ziel vor Augen, die heimische Lebensmittelproduktion zu forcieren und die bäuerlichen Familienbetriebe fachlich zu unterstützen.
NL: Im Sommer 2021 konnte das Bioinstitutsgebäude eröffnet werden. Welche Projekte stehen sonst noch an beziehungsweise sind schon mitten in der Ausführung? Und welche Themen werden im Zusammenhang mit der Forschung in Zukunft im Fokus stehen?
Gasteiner: Ein Thema, welches insbesondere für biologisch wirtschaftende Milchviehbetriebe interessant sein wird, ist die muttergebundene Kälberaufzucht. Auch die Digitalisierungswelle wird noch zunehmen. Unsere Aufgaben in diesem Bereich sehen wir nicht bloß im Aufzeigen, welche Möglichkeiten es hier für unsere Betriebe gibt, wie zum Beispiel im Projekt Innovation Farm. Wir wollen auch die Grenzen der fachlichen und wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit digitaler Systeme definieren, aber auch etwaige Mehrwerte zum Beispiel für Tierwohl oder verminderten Arzneimitteleinsatz aufgrund Früherkennung von Tierkrankheiten abwägen. Insgesamt müssen wir einfach akzeptieren, dass sich unsere Gesellschaft in einem raschen und enormen Wandel befindet und dass wir in einer Mehrheitsgesellschaft leben. So werden fachliche Begrifflichkeiten, die an sich und a priori nichts Negatives bedeuten, stigmatisiert. Ich meine damit so einfache Begriffe und Tätigkeiten wie Tiertransport, Spaltenboden, Anbindehaltung, Tierversuch, Spritzmittel bis hin zu Schlachtung, Fleischkonsum und viele andere. Oberflächlichkeit, Unwissenheit und emotionalisierte Diskussionen in den Medien und Social Media führen zu einer Verzerrung und Fehlinterpretation dieser Begriffe bei den Laien, die leider wieder die Mehrheitsgesellschaft darstellen. Hier sehe ich für die Zukunft große Herausforderungen, zumal in vielen Teilen der Welt eine industrialisierte Landwirtschaft um sich greift, die tatsächlich in weiten Bereichen als problematisch zusehen ist, die aber billige Lebensmittel garantiert, Weltmarktpreise diktiert und auch einen Großteil der städtisch lebenden Weltbevölkerung ernährt. Wir denken, dass der österreichische Weg hier die standortangepasste Landwirtschaft sein sollte.
NL: Welche zusätzlichen Schwerpunkte möchten Sie in Zukunft im Schulbetrieb setzen?
Gasteiner: Unsere Schülerinnen und Schüler sind während einer sehr wichtigen Prägephase im Alter zwischen 14 und 18 Jahren bei uns. Es gilt, den Lernstoff der Stundenpläne umzusetzen und die Schüler auf die Zentralmatura vorzubereiten, wo wir im Vergleich zu anderen Schulen und Schultypen auch immer sehr gute Ergebnisse vorweisen können. Aber das allein ist es nicht, was die Schule Raumberg-Gumpenstein ausmacht. Es geht auch um Persönlichkeitsbildung, wo auch scheinbar „veraltete“ Moralbegriffe wie Höflichkeit, Grüßen, ordentliches Auftreten, Traditionen, zivilisierte Diskussion und Empathie, aber auch das Entwickeln eigenständiger Meinungen bei gleichzeitiger Akzeptanz des anderen eine wichtige Rolle spielen. Die gleichzeitige Auseinandersetzung mit weiteren wichtigen Themen unserer Zeit – ich denke dabei beispielsweise an Fragen, wie wir mit der Umwelt umgehen oder was wir künftigen Generationen hinterlassen – in Kombination mit einer Weltoffenheit und der Neugierde, über den Tellerrand zu blicken – das wollen wir unseren Schülerinnen und Schülern vermitteln. Wir werden ein Schulentwicklungskonzept erarbeiten, welches neben fachlichen Zielen das Bewusstsein für diese Werte stärkt.
NL: Wie geht es an der Schule aktuell mit Schülerzahlen, Anmeldezahlen für das nächste Schuljahr und mit Corona?
Gasteiner: Die Anmeldezahlen für unsere Schule sind immer sehr gut und auch das kommende Schuljahr lässt erwarten, dass unsere Klassen in den ersten Jahrgängen voll sein werden. Wir und auch unsere Schülerinnen und Schüler sind froh, dass auch während des Lockdowns ein Präsenzunterricht stattfinden kann. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie – regelmäßige Testungen, Maskenpflicht etc. – sind mittlerweile zur Routine geworden, werden von den Schülerinnen und Schülern wie von den Bediensteten gleichermaßen getragen und ermöglichen eben den Präsenzunterricht.
NL: Eine letzte Frage! Ihre beiden Vorgänger Albert Sonnleitner und Anton Hausleitner waren beide auch in der Kommunalpolitik engagiert. Ist das auch bei Ihnen der Fall oder wo zieht es Sie in Ihrer Freizeit hin?
Gasteiner: Ich bin Vizebürgermeister der Marktgemeinde Stainach-Pürgg und mache das sehr gerne. Unsere Kinder gehen bereits eigene Wege und mich zieht es in der Freizeit in die Natur, insbesondere in das geliebte Jagdrevier.
Zur Person
- Ehe Johann Gasteiner 1999 an die HBLFA Raumberg-Gumpenstein kam, studierte und arbeitete er an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.
- 2014 wurde er zum Leiter für Forschung und Innovation der HBLFA Raumberg-Gumpenstein bestellt.
- Seit 1. November ist er deren Direktor. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern.
Beitragsfoto: privat