Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl über den Unfrieden in der Welt, die Botschaft von Weihnachten und seinen Wunsch an die Bauernschaft.
NEUES LAND: Vom Frieden auf der Welt sind wir jetzt zu Weihnachten weit entfernt. Welche der aktuellen Kriege – ich nenne Israel, Ukraine, Jemen – machen Ihnen am meisten Sorgen?
Wilhelm Krautwaschl: Es sind ja leider nicht nur diese. Allein wenn ich an Afrika denke, kommen weitere hinzu. Jeder Krieg ist ein Elend. Das eigentlich Schreckliche dabei ist immer auch der Verlust der Menschlichkeit. Die verschiedensten Interessen, die hinter solchen Kriegen stecken, bezahlen Menschen – nicht nur die Soldaten, sondern auch zunehmend die Zivilisten. Aber solange Waffen produziert werden, darf man sich nicht wundern, wenn sie auch eingesetzt werden.
NL: Kriege beginnen immer mit Worten. Diesbezüglich ist auch hierzulande eine Vergiftung der Worte feststellbar. Welche Worte braucht es im täglichen Umgang miteinander und in der Politik?
Krautwaschl: Nur den moralischen Zeigefinger zu erheben, bringt es nicht. Ich glaube, dass wir ein Stück weit die Kultur des Zuhörens verloren haben. Ich habe nicht das Gefühl, dass man auf den anderen hören will, sondern dass man nur seine eigene Meinung einbringen will. Und es stellt sich die Frage, ob ich selbst bereit dazu bin, die Sichtweise des anderen auf dieselbe Wirklichkeit anzuerkennen. Es könnte ja auch sein, dass ich mit meiner Meinung falsch liege.
Weltklimakonferenz
NL: Noch einmal ein Blick weit hinaus. Vor kurzem tagte die Weltklimakonferenz in Dubai. Der Papst hatte ja in seinem apostolischen Schreiben „Laudate Deum“ ein vehementeres Vorgehen zum Schutz des Weltklimas und zur Umsetzung der Energiewende gefordert. Geben Sie ihm recht?
Krautwaschl: Wenn ich die ersten Seiten der Bibel anschaue, stoßen wir auf einen Grundauftrag. Hegen und Pflegen sollen wir die Schöpfung, heißt es darin. Wenn nun der Papst massiv seine Stimme erhoben hat, ruft er alle auf, unsere Wahrnehmung zu verstärken, wie es der Gesellschaft und der Welt geht. Seine Worte sind mehr als klar und er sagt, dass er keine beschönigenden Dinge mehr hören will.
NL: Was macht diesbezüglich die Katholische Kirche Steiermark? Gab oder gibt es Umstellungen bei den Heizungen in den kirchlichen Gebäuden, gibt es eine Photovoltaik-Offensive?
Krautwaschl: Da sind wir mitten drinnen. Diesbezüglich gibt es ein waches Bewusstsein, das ist zu fördern. Wir haben in der Steiermark auch rund 300 Pfarrgemeinderäte, die sich der Nachhaltigkeit verschrieben haben und in ihren Pfarren konkrete Projekte umsetzen.
Kirchenaustritte
NL: Die Katholikenzahl ist im letzten Jahr um zwei Prozent gesunken und liegt aktuell bei 60 Prozent. Wo führt das hin?
Krautwaschl: Das ist nicht einfach! Es ist ein gesamteuropäisches Phänomen, dass Menschen mit der Wirklichkeit Gottes nichts anzufangen wissen. Das ist die eine Ebene. Oder sie sagen, dass sie mit dieser Kirche nichts anfangen können. Das ist die andere Ebene. Es tut mir um jeden leid, der mit der Kirche nichts mehr zu tun haben will. Umgekehrt stellt sich die Frage, ob das vielleicht auch eine neue Art von Freiheit ist. Entscheidend für mich ist aber: Mensch, bedenkst du wirklich, was der eigentliche Grund deines Lebens ist? Kardinal Franz König hat das mit drei Sätzen zum Ausdruck gebracht: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was ist der Sinn meines Lebens?
NL: In wenigen Tagen feiern wir Weihnachten. Wenn Sie vergleichen, wie Weihnachten in Ihrer Jugendzeit und wie es heute gefeiert wird, haben Sie dann noch das Gefühl, dass man noch vom gleichen Fest redet?
Krautwaschl: Beim Feiern geht es immer zunächst darum, wie man es gewohnt ist und welche Rituale man dabei hat. Was mich betrifft, so hat sich mein Kinderglaube geändert, aber der Inhalt des Festes ist gleichgeblieben. Es ist unsere Aufgabe, dass wir auf die Botschaft des Weihnachtsfestes hinhören.
NL: Was wird in Ihren Predigten zu Weihnachten und zum Jahreswechsel die Hauptbotschaft sein?
Krautwaschl: Mit der Geburt Jesu Christi hat der Dialog Gottes mit der Welt seinen Höhepunkt erreicht. Und ich stelle dann schon die Frage, was unser Beitrag zu diesem Dialog ist und warum dieses Gespräch mit Gott oft ausbleibt.
NL: Sie sind auch sehr mit der bäuerlichen Welt verbunden. Was wünschen Sie unseren Bäuerinnen und Bauern für Weihnachten und 2024?
Krautwaschl: Zuallererst möchte ich ihnen danken, dass sie sich so um die Natur und um unsere Lebensmittel kümmern. Und ich möchte sie bitten, dass sie ihren Blick nach vorne richten. Ich erinnere an den Gruß der Engel, die gesagt haben: Fürchtet euch nicht! So sollen auch die Bäuerinnen und Bauern nach vorne schauen, denn das gibt Hoffnung.
Zur Person
Wilhelm Krautwaschl wurde im Jahr 2015 Bischof der Diözese Graz-Seckau. Der gebürtige Gleisdorfer, dessen Eltern eine kleine Landwirtschaft hatten, wurde im Jahr 1990 zum Priester geweiht. Danach war er Kaplan im Pfarrverband Hartberg und im Pfarrverband Knittelfeld. Ehe er im Jahr 2006 Regens im Bischöflichen Seminar Augustinum in Graz wurde, war er Kaplan und danach Pfarrer in Bruck an der Mur. Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl beging heuer im März die Vollendung des 60. Lebensjahres.
Beitragsbild: Sonntagsblatt/Neuhold