Glaube und Aberglaube der Jäger und Wilderer

von NEUES LAND

Die Jagd war zu allen Zeiten mit Mythos umrankt. Der Jäger, der mit großer Geschicklichkeit als Fallensteller oder Bogenschütze mithalf, seine Familie zu ernähren, galt als sehr angesehen. Beitrag von Herbert Blatnik.

 

In allen Urreligionen mit dem Glauben an ein jenseitiges Leben spielte die Jagd eine große Rolle. So sind in ägyptischen Gräbern jagdliche Darstellungen und in Keltengräbern Grabbeigaben für Jagdausflüge im Jenseits zu finden. Karl May erwähnt in seinen Büchern über Nordamerika mehrmals die „ewigen Jagdgründe“, die ein indianischer Krieger im Jenseits vorfindet, wenn er für immer seinen Tomahawk abgegeben hat.

Wotansmantel

Einige abergläubische Bräuche sind uns aus dem Mittelalter überliefert. So soll es einst nützlich gewesen sein, auf einem Pirschgang einen sogenannten „Wotansmantel“ zu tragen. Das war ein aus verschiedenen Fellen zusammengesetzter knöchellanger Mantel, mit dem sich der Jäger im Wald relativ unauffällig bewegen konnte. Wotan, ein Gott der germanischen Mythologie, soll ein wilder Jäger gewesen sein. Auch glaubte man, das jagdliche Wild habe, wie der Mensch, eine Seele. So war es noch bis in die Zeit des Erzherzogs Johann Sitte, dass sich die Jäger am Ende der Jagd vor der Strecke aufstellten, den Hut abnahmen und ein kurzes Gebet verrichteten.

Bis in das 19. Jahrhundert hielt sich der Glaube, keinesfalls auf eine weiße Gämse oder auf einen weißen Hasen schießen zu dürfen. „Der weiße Gams, der bringt jedem Unglück! Wenn jemand einen weißen Gamsbock schießt, hat er vor Jahresfrist sein Leben verwirkt.“ So hörte man es immer wieder von den Jägern. Ernst wurden ihre Gesichter, wenn sie davon redeten. Der am häufigsten diskutierte vermeintliche Fluch der weißen Gämse traf angeblich den österreichischen Thronfolger und begeisterten Jäger Erzherzog Franz Ferdinand. Er erlegte am 27. August 1913 einen weißen Gamsbock im Salzburger Blühnbachtal. Zehn Monate danach fanden er und seine Gattin nach einem Schussattentat in Sarajewo den Tod. Der Thronfolgermord löste den schrecklichen Ersten Weltkrieg aus.

Hubertus von Lüttich

Der Schutzpatron für die weidgerechte Jagd ist Hubertus von Lüttich, der im Mittelalter lebte und ein leidenschaftlicher Jäger gewesen sein soll. Als er auf einer Jagd einem Hirschen mit leuchtendem Kreuz im Geweih gegenüberstand, war er derart ergriffen, dass er seine ausschweifenden Jagden aufgab und zum vorbildlichen Heger wurde, nach dem Prinzip: „Wer manchem Schuss entsagen kann, der ist ein rechter Jägersmann!“

Ein im ganzen deutschen Sprachraum verbreiterter Aberglaube handelte von der Wilden Jagd. Damit ist ein grausiges Heer gemeint, das inmitten verderblicher Gewitterwolken mit schaurigem Lärm über das Land fegt und Blitze schleudern kann. „Das Wilde Gjoa entsteht in finsteren, dicht verwachsenen Schluchten und fährt mit reißender Schnelligkeit von einem Graben zum anderen über Berge und Felder“, schrieb der Sagenforscher Walter Kainz. Man hört dabei Pferde wiehern, Katzen kreischen und Schüsse krachen. Manchmal fliegt dieses Heer so tief, dass man einzelne verstorbene Leute erkennen kann, ungetaufte Kinder, fluchende Fuhrknechte und „Roanschinder“ (Grenzsteinversetzer). Auch Nonnen, die das Keuschheitsgelübde gebrochen hatten und Pfarrerköchinnen, die ihren Pfarrer verführt hatten, können darunter sein. Die Anführer sind meist Wilderer, die einen Jäger ermordet haben und Hexen. Wer im Freien von der Wilden Jagd überrascht wird, soll sich sofort auf den Boden werfen und nicht neugierig aufschauen, denn, wenn ihn die Hexen entdecken, schleudern sie riesige Hagelkörner auf ihn.“

Der Museumsgründer Domenik Haindl aus Maltschach bei Arnfels kannte einen Bauern in Gamlitz, der während eines Gewitters das „Gjoa“ erlebte. Er wollte nach seiner Arbeit im Wald heimgehen, als es über ihm unheimlich heulte und krachte. Für einen Moment schaute er auf und sah in den rasend über ihn ziehenden Wolken eine ganze Jagdgesellschaft mit Hunden und Pferden. Einen seiner Nachbarn, der „sündla“ (ohne Sterbesakramente) verstorben war, erkannte er.

Ungerade Anzahl von Patronen

Etwa um 1800 lösten allmählich Gewehre mit gezogenem Lauf die glattläufigen ab. Nun traf man besser, glaubte man, weil sich die Hexen nicht mehr auf die Kugel setzen konnten. Keinesfalls durfte man im Winter in eine Fährte treten, denn dadurch lockte man finstere Mächte an. Einige Relikte des jagdlichen Aberglaubens sollen sich bis in die neueste Zeit erhalten haben. So soll ein Jäger auf seinen Pirschgang nur eine ungerade Zahl an Patronen mitnehmen, also drei oder fünf Stück. Ein Jäger, den man vor der Jagd mit „alles Gute!“ anstatt mit „Weidmanns Heil“ verabschiedete, wird an jenem Tag kein Jagdglück haben. Dasselbe galt für eine Begegnung mit einer alten Frau im Wald.

Neun Kreuzkerben im Messer

Die vielen Gefahren der illegalen Jagd brachten es mit sich, dass Wilderer besonders abergläubisch waren. So war oft im Schaft der zerlegten Kugelbüchse eine Lade angebracht, in welcher eine Unheil abwehrende Alraunwurzel oder ein „Jerusalembrief“ eingeschlossen war. Das Korn auf dem Lauf sollte aus einem Sargnagel geschmiedet sein, der an einem Heiligdreikönigstag in die Erde gekommen war. Das Waidmesser war mit neun Kreuzkerben in der Klinge versehen. Mit bestimmten Gebeten konnte man die „ewige Gfrier“ erlangen, die gegen Jägerkugeln unverwundbar machte. Nun sollte aber niemand glauben, dass sämtliche „alten“ Jäger abergläubisch waren. Berichte von Hubertusandachten aus den Jahr 1930er-Jahren belehren uns eines Besseren: Am jeweils 4. November veranstalteten die steirischen Jagdgesellschaften eine festliche Hubertusmesse, aus Dank für den Schutz des Heiligen im vergangenen Jagdjahr und aus Respekt zu Gott, Tier und Natur. Das Ritual hat sich inzwischen kaum geändert: Zumeist ist es eine Abendmesse, gehalten von einem geistlichen Jagdkameraden. Während der Andacht ministriert der jüngste Jäger. Anschließend verabreicht der Priester den Teilnehmern ein Stückchen Brot und Salz, Jagdbläser verschönern die Feier. Zur Segnung erfolgen drei Salutschüsse durch die Jagdkameraden.

 

 

 

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