Das Thema „Jagderlebnisse“ ist unerschöpflich. Die vorliegende Auswahl, zusammengestellt von Herbert Blatnik, schildert ungewöhnliche jagdliche Ereignisse, welche die Jägerschaft lange Zeit beschäftigten und in der Presse diskutiert wurden.
Einer der bekanntesten Jäger Europas war der Bayer Ludwig Ganghofer, der in Tirol einen Zweitwohnsitz mit einer Eigenjagd besaß. In seinen Vorträgen sprach er gern über seine Jagderlebnisse. Einmal traf er auf einem Pirschgang in seinem Leutascher Revier unvermutet auf einen Gamsbock. Ein prächtiges Tier, durchfuhr es ihm. Er legte das Gewehr an und wollte schießen, zitterte jedoch plötzlich heftig am ganzen Körper, sodass er nicht mehr imstande war, einen gezielten Schuss abzugeben. Sein „Jagdfieber“ war derart nachhaltig, dass er mit zitternden Knien den Rückweg antreten musste.[1]
Ganghofer, berühmt geworden durch seine Jagdromane („Der Klosterjäger“ oder „Der Jäger von Fall“) und Sachbücher über die Jagd, ist der Jägerschaft heute noch ein Begriff. Bekannt wurde er auch durch seinen Kampf gegen den „italienischen Vogelmord“ mit scharfen Kommentaren wie: „Arme Vögel, die im Herbst in den Süden flüchten und im Frühjahr ihre Sehnsucht nach ihrer Heimat teuer bezahlen. Von 1000 kehren nicht mehr als 100 in den Wald zurück. Dort dürfen sie fleißig brüten, damit die italienischen Feinschmecker ihre uccellini (Vögelchen) auf den Tisch bekommen.“
Ein aggressiver Auerhahn
Vor etwa 20 Jahren machte ein Auerhahn das Revier der Forstverwaltung Croÿ in St. Oswald ob Eibiswald unsicher. Der Eibiswalder Adolf Probat, ein Nicht-Jäger, war damals zu einem Jagdausflug in das Sobother Revier des Forstgutes eingeladen. Die Jägergruppe befand sich gerade auf dem Fußmarsch zum Hochwald, als plötzlich einer rief: „Achtung, der narrische Auerhahn!“ Probat sah, wie ein Auerhahn auf den Kopf eines Jägers vor ihm zuflog. Der konnte ihn mit seinem Hut abwehren, worauf der Hahn Probat anflog. Probat schlug ihn mit der Hand weg, wurde aber immer wieder attackiert. Der Auerhahn gab erst auf, als Probat seine Jacke auszog und sie dem Vogel vorhielt.
Skifahrer und kein Hirsch
An einem Samstagabend im Jänner 1955 verlor ein junger Bauernsohn in Laintal bei Trofaiach durch den schrecklichen Irrtum zweier Jäger sein Leben. Hans Hebenstreit befand sich mit zwei jüngeren Geschwistern im abendlichen Mondlicht auf einem Berghang. Er fuhr Ski, die Geschwister mit einem Schlitten. Bevor sie noch einmal den Hang hinunterfahren wollten, blieben sie kurz stehen. Hans hob seine Schistöcke für einen Moment in die Höhe. Plötzlich krachte ein Schuss und Hans fiel tödlich getroffen in den Schnee. Die drei Jugendlichen wurden von zwei Jägern, die in einer Entfernung von 170 Meter beisammenstanden, für einen Hirschen gehalten. Bei der Einvernahme sagten sie aus, dass sie die Schistöcke für ein Hirschgeweih gehalten hatten.[2] Der folgenschwere Leichtsinn der beiden Jäger erregte enormes Aufsehen im ganzen Land. Der Schütze hatte mehrere Bestimmungen des Jagdgesetzes missachtet, unter anderem hätte er nach Einbruch der Dunkelheit gar nicht mehr auf die Jagd gehen dürfen.
Baron Münchhausen und seine Nachfolger
Auch wenn der deutsche Lügenbaron nicht der Erfinder des Jägerlateins ist – er hat es doch ungemein bereichert. Seine bekannteste Erzählung handelt von einem Hirschen, den er an einem Bach antraf und schießen wollte. Er hatte aber schon sein ganzes Blei verschossen gehabt, ohne etwas getroffen zu haben. Mit einem Kirschkern, den er in seinen Taschen fand, lud er schnell seine Büchse und schoss auf den Hirschen. Der zuckte nur leicht und sprang fort. Im Jahr darauf traf er an derselben Stelle wieder den Hirschen an, diesmal mit einem kleinen Kirschbaum aus dem Geweih ragend.
Der Grazer Arzt und passionierter Jäger Dr. Erich Wandl war der Verfasser eines Heftes mit lustigen Erzählungen über die Jagd, auch manche im Jägerlatein.[3] Einmal nahmen die Füchse in seinem gepachteten Revier derart überhand, dass er ein Fuchseisen auslegte. Bei der Nachschau entdeckte er in der Falle die beiden vorderen Läufe eines Fuchses stecken. Wochen später scheuchte er im Wald einen Fuchs auf, der aufrecht auf seinen Hinterläufen wie ein Mensch davonlief. Ein andermal erschoss ein Rehbock einen anderen Rehbock während einer Treibjagd. Die beiden Tiere liefen auf ein Gebüsch zu, in dem ein Jäger stand. Als das schnellere Tier auf den Jäger zusprang, verfing sich sein Gehörn im Gewehrgurt. Dabei löste sich ein Schuss und traf den dahinter springenden Rehbock. Solche und ähnliche Geschichten, wie vom Trappfangen, sprechenden Hasen etc. lockern das ernste und verantwortungsvolle Wirken der Jäger und Förster ein wenig auf und gehören zur Jagd dazu, wie die Gamseier zum Gämsennest.
Fotos:
[© Sammlung Probat, Eibiswald] [© Peter Blatnik, Graz]
[1] Dr. Ludwig Ganghofer zum 50. Wiegenfest, Innsbrucker Kulturverein, 1905.
[2] Tagespost, 11. 1. 1955, „Jäger erschießt einen Schifahrer“.
[3] Eriche Wandl, Da lacht Nimrod, Eigenverlag, Graz 1968.