Die große Biotech-Revolution

von NEUES LAND

Von Öko-Keimvernichtern bis hin zu einem Ausweg aus der Zucker-Misere. Forscher aus Graz arbeiten für die Landwirtschaft von morgen.

Mikroorganismen – das sind winzig kleine Lebewesen, die uns jeden Tag und zu jeder Zeit umgeben. Mehr als zwei Kilogramm davon trägt jeder Mensch in und auf sich. Bakterien und Pilze sind sicher die bekanntesten Vertreter dieser riesengroßen Gruppe an Organismen. Sie werden oft als Schaderreger abgestempelt, der Großteil dieser „Mikro-Begleiter“ verursacht jedoch keine Krankheiten. Im Gegenteil, sie sind in vielen Kreisläufen des Lebens essenziell und können auch in der Landwirtschaft gezielt eingesetzt werden. Forscher an der Technischen Universität Graz und dem ACIB, dem „Austrian Centre of Industrial Biotechnology“, sind hier ganz vorne mit dabei.

Zuckerquote

Eines der aktuellsten Top-Forschungsprojekte beschäftigt sich mit einem Ausweg aus der Zucker-Misere, die durch den Wegfall der Zuckerquote entstanden ist. Die Forscher möchten nun durch biotechnologische Methoden neue Verwertungsmöglichkeiten für das Süßungsmittelmöglich möglich machen. Bernd Nidetzky, Professor für Biotechnologie an der TU Graz: „Wir nutzen die beiden Grundbausteine von Zucker, Glukose und Fruktose, um daraus völlig neue, hochwertige Produkte zu machen.“ Dabei hat man sich viel von Mikroorganismen abgeschaut, um die sogenannten „biokatalytischen Prozesse“ später in großen Bioreaktoren industriell umzusetzen. Die Anwendung, der aus Zucker entstandenen Ersatzprodukte sei vielfältig, so der Experte. Dazu zählen etwa Kosmetik- und Reinigungsmittel, Farben oder Klebstoffe bis hin zu Biotreibstoffen und Bioplastik. Diese Vielzahl an Alternativen soll sich in Zukunft positiv auf die bäuerliche Produktion auswirken und Arbeitsplätze in der Industrie sichern.

Bernd Nidetzky, Professor für Biotechnologie an der TU Graz.

Umweltfreundlich

In vielen anderen landwirtschaftlichen Branchen haben sich biotechnologische Lösungen bereits bewährt. Ob der Bacillus Thuringiensis als Mittel gegen unliebsame Schadinsekten im Obstbau, Bakterien als Beizmittel, die das Saatgut des steirischen Ölkürbis vor Fäulnis schützen oder sogenannte mineralische Bioregulatoren, die den Verdauungstrakt von Schweinen unterstützen. Solche Produkte sind jetzt schon im Landwirte-Alltag angekommen und werden in Zukunft sicher noch häufiger eingesetzt werden. Denn die Vorteile von mikrobiellen Präparaten liegen meist klar auf der Hand: Sie wirken selektiv, sind umweltfreundlich in der Herstellung, günstig und biologisch abbaubar – was sie zu idealen Mitteln für eine moderne und ressourcenschonende Landwirtschaft macht.

Schatztruhe

Gabriele Berg, Leiterin des Instituts für Umweltbiotechnologie der Technischen Universität Graz: „Trotzdem ist die Mikrobiom-Forschung noch eine junge Wissenschaft. Das liegt daran, dass wir durch moderne Messmethoden erst seit etwas mehr als zehn Jahren die Vielfalt der Mikroorganismen überhaupt erfassen können. Eine richtige Schatztruhe ist damit geöffnet worden, die es nun Stück für Stück aufzuarbeiten gilt.“

Berg, Gabriele, Leiterin des Instituts für Umweltbiotechnologie

Gabriele Berg, Leiterin des Instituts für Umweltbiotechnologie.

Einer dieser Schätze könnte beispielsweise eine Lösung für den Einsatz von Formaldehyd in Brütereien sein. Bruteier werden oft zur Entfernung von Keimen mit diesem Umweltgift behandelt. Eine umweltfreundliche Alternative wurde folglich an der TU Graz, unter Federführung von Gabriele Berg, auf den Eierschalen selbst gefunden. Bakterien, die Substanzen der Klasse Pyrazin beinhalten, können nämlich kultiviert und in Reinform auf die Eierschale aufgebracht werden. Danach zeigten die Forscher, dass in der Praxis bis zu 99,6 Prozent der Keime beseitigt werden – ein Ergebnis, das mit der Formaldehyd-Behandlung vergleichbar ist.

Fotos: ACIB GmbH

Beitragsbild: zinkevych – stock.adobe.com

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