Bauernbund-Landesobmann Hans Seitinger über Klimaschutz-Maßnahmen in seinen Aufgabenbereichen als Agrar- und Wohnbaulandesrat sowie über die Rolle des Bauernbundes.
NEUES LAND: Herr Landesrat, das abgelaufene Jahr war nicht einfach, aber gibt es auch Positives, das man ins neue Jahr mitnehmen kann?
Hans Seitinger: Ja, durchaus! Wir haben als Bauernbund in einigen Bereichen substantielle Verbesserungen für die heimischen Bäuerinnen und Bauern erreicht. Das wäre etwa das Versorgungssicherungspaket der Bundesregierung mit einem Volumen von 110 Millionen Euro. Oder die Anti-Teuerungspakete und die ökosoziale Steuerreform, die für mehr Klimaschutz sorgt. Die Land- und Forstwirtschaft ist ja vom Klimawandel besonders betroffen.
Humusaufbau und Photovoltaik
NL: Welche Akzente werden in der Steiermark für den Klimaschutz gesetzt?
Seitinger: In der Steiermark haben wir schon vielfältige Maßnahmen umgesetzt, aber wir haben auch noch viel vor. Ich möchte hier beispielsweise den Humusaufbau anführen, wo wir alle Kräfte in diesem Bereich bündeln und damit die steirische Vorreiterrolle ausbauen wollen. Bei den erneuerbaren Energien haben wir als Steirischer Bauernbund eine Initiative zur Identifizierung von agrarischen Dachflächen gestartet, die für die Photovoltaik-Nutzung zur Verfügung stehen. Auch zur sogenannten PV-Doppelnutzung im Obstbau haben wir eine vielversprechende Versuchsanlage in Betrieb. Und die Energie Steiermark investiert 1,5 Milliarden Euro in den Netzausbau, damit in Zukunft das Potential der Dach-, Brach- und Deponieflächen voll ausgeschöpft werden kann.
NL: In Ihrer Funktion als Wohnbaulandesrat haben Sie eine umfassende Reform der Sanierungsförderung angekündigt, die auch zum Klimaschutz beitragen soll. Wie sieht diese aus?
Seitinger: Da ist uns wirklich ein großer Wurf für die Steirerinnen und Steirer gelungen, denn im Wohnbau steckt enorm viel Potential für Energieeinsparungen. Durch eine Sanierung können erfahrungsgemäß bis zu 70 Prozent der Energiekosten und die damit verbundenen Emissionen eingespart werden. Und mit 1. Jänner gibt es die neue Förderung, bei der man bis zu 30.000 Euro erhält, wenn man sein Haus thermisch saniert. (Anmerkung: Die Details dazu findet man unter www.sanieren.steiermark.at)
Klimafitte Baumarten
NL: Neben dem Klimaschutz ist auch die Klimawandelanpassung wichtig. Was tut sich in diesem Bereich?
Seitinger: Wir haben im abgelaufenen Jahr die Ergebnisse des europaweit einzigartigen Forschungsprojekts für den klimafitten Wald präsentiert. Das geht jetzt in die Breite und unter www.waldbauberater.at kann jeder die richtige klimafitte Baumart für den jeweiligen Standort finden. So können wir die Forstwirtschaft und ihre über 55.000 steirischen Arbeitsplätze für die Zukunft absichern. Ein wesentlicher Aspekt in der Landwirtschaft sind auch die Erforschung und Züchtung neuer Sorten, die mit den geänderten klimatischen Rahmenbedingungen zurechtkommen. In diesem Zusammenhang ist auch der Zugang zu Wasser besonders wichtig. Das wird langfristig ein Thema, dem wir besondere Aufmerksamkeit schenken müssen, um die Versorgungssicherheit der Bevölkerung gewährleisten zu können.
NL: Stichwort Versorgungssicherheit. Wie sicher ist die Versorgung?
Seitinger: Österreich ist ein reiches Land, aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht bald nur noch reich an Regeln sind.
NL: Was meinen Sie damit?
Seitinger: Ich meine, dass man darauf achten muss, dass den Bäuerinnen und Bauern das Wirtschaften nicht durch überbordende Regelungen unmöglich gemacht wird. Wir haben in Österreich strengste Vorschriften und Gesetze – vom Tierwohl über Ökostandards bis hin zum Umweltschutz. Das ist zum Teil notwendig und gerechtfertigt, etwa wenn es um den Tierschutz, Lebensmittel oder um die betriebliche Sicherheit geht. Da haben die Bauern auch Verständnis dafür. Über Generationen hinweg nachhaltig zu wirtschaften, ist ja keine Erfindung der Ökobewegung, sondern das steckt seit Jahrhunderten in der bäuerlichen DNA. Zum Teil sind die Vorschriften und Forderungen aber schikanös, wenn etwa die Bürokraten in Brüssel ein Drittel des Waldes unter Außernutzung stellen wollen. Oder wenn Bauern aufgefordert werden sollen, ihre Erntezeitpunkte im Voraus bekanntzugeben. Da greift man sich schon an den Kopf und denkt sich: Wem fällt so etwas ein?
Fern von der bäuerlichen Wirklichkeit
NL: Woran liegt das?
Seitinger: Viele Menschen und auch so manche Politiker in Wien und Brüssel haben den Bezug zur bäuerlichen Wirklichkeit verloren. Wer in einer Großstadt-Mietskaserne aufwächst und glaubt, dass die Milch im Supermarkt erzeugt wird, weiß nicht, wie es ist, jeden Tag aufzustehen, um die Tiere zu versorgen, Felder zu bestellen oder im Obstgarten gegen Schädlingsbefall anzukämpfen. Daher ist es auch so wichtig, dass die Bäuerinnenorganisation in die Schulen geht und den Kindern zeigt, wie Landwirtschaft funktioniert. Ebenso bedeutend ist es, dass es Urlaub am Bauernhof gibt, wo die Gäste einen Einblick in den bäuerlichen Alltag bekommen, und dass es Bäuerinnen und Bauern gibt, die auch in den sozialen Medien zeigen, was sie tun. Wir müssen die bäuerliche Arbeit jeden Tag aufs Neue erklären. Man hat oft auch das Gefühl, dass das Bewusstsein für das Eigentum von anderen nicht mehr gegeben ist. Wir erleben das sehr stark bei den zunehmenden Nutzungskonflikten.
NL: Tragen auch die landwirtschaftlichen Fachschulen zu dieser Bewusstseinsbildung bei?
Seitinger: Ja, unsere Schulen sind eine Säule der bäuerlichen Kommunikation, daher investieren wir auch massiv in ihren Ausbau. Am Grottenhof in Graz entsteht die modernste Biobauernschule Österreichs und wir bauen dort ein offenes Haus, wo neben einer hervorragenden Ausbildung für die bäuerliche Jugend auch die städtische Bevölkerung Einblicke in die Landwirtschaft erhält. Das gilt natürlich auch für alle anderen Schulstandorte.
Rolle des Bauernbundes
NL: Welche Rolle spielt dabei der Bauernbund als starke Interessensvertretung für den ländlichen Raum?
Seitinger: Der Bauernbund ist enorm wichtig! Wir sind tagtäglich mit den absurdesten Forderungen einzelner Parteien, Institutionen und NGOs konfrontiert. Einige schützen im EU-Parlament mit aller Kraft die Wölfe und andere wiederum haben den Klassenkampf noch nicht überwunden und scheuen das Eigentum wie der Teufel das Weihwasser. Da braucht es einen starken Bauernbund als Korrektiv, der sich für die Anliegen der Bäuerinnen und Bauern einsetzt.
Foto: Streibl