Unter den steirischen Bäuerinnen steigt die Zahl der Grenzgängerinnen zwischen unterschiedlichen Lebenswelten beständig an.
Auch wenn die Werbung das Bild ländlicher Idylle strapaziert und damit das Image der Landwirtinnen prägt: Die steirischen Bäuerinnen von heute sind vielfach moderne Unternehmerinnen, die mit viel Umsicht wettbewerbsfähige Betriebe managen. „Die Zeiten, wo man eine Bäuerin auf Anhieb von einer Städterin unterscheiden konnte, sind längst vorbei“, bestätigt auch Universitätsprofessorin Anita Ziegerhofer vom Institut für Rechtsgeschichte. „Gerade Frauen aus dem ländlichen Raum war höhere Bildung lange nur stark erschwert zugänglich. Das hat sich massiv verändert: Seit Jahren nimmt an der Universität die Zahl Studierender aus bäuerlichen Familien stetig zu“, so Ziegerhofer.
Diese Entwicklung hat zur Folge, dass zunehmend auch auf steirischen Höfen Bäuerinnen tätig sind, die eine Ausbildung auf einem völlig anderen Sektor als der Landwirtschaft genossen haben.
„Ich habe die Erfahrung, etwas gänzlich Neues zu lernen und mich einmal wissenschaftlich mit Themen, die mich interessierten, auseinanderzusetzen, sehr genossen. Zu spüren, wie sich der eigene Horizont erweitert, wenn man einmal nicht im ewig gleichen Hamsterrad dahinarbeitet, war für mich besonders beeindruckend“, berichtet Maria Rinder, die sich im Alter von 38 nach 19 Jahren, die sie dem Betrieb und der Erziehung ihrer beiden Kinder gewidmet hatte, in Graz für ein Studium an der medizinischen Fakultät inskribierte. „Damals lernte ich meinen Beruf als Bäuerin aus einer völlig neuen Perspektive schätzen: Die bodenständige Arbeit in der Natur war eine willkommene Erdung als Gegenstück zu der akademischen Auseinandersetzung mit komplexen Fragestellungen“, erinnert sich die Weißkirchner Bäuerin an jene Zeit zurück.
Suspekt
Auch wenn sie dem Fachbereich, in dem sie ihr Studium absolviert hat, nicht treu geblieben ist, empfindet sie die Zeit an der Universität als nachhaltige Bereicherung. Heute genießt sie die zwei Arbeitstage in Graz als Einblick in die Arbeitswelt von unselbständig erwerbstätigen Arbeitnehmerinnen. Aus dieser Perspektive wird bewusst, dass die Arbeit als selbständige und eigenverantwortliche Bäuerin unvergleichlich wertvoll, bereichernd und vielfältig ist.
Der mutige Schritt, einen akademischen Abschluss in Angriff zu nehmen, trug ihr aber nicht nur Applaus ein: „Vielen Menschen in meinem Umfeld wurde ich durch dieses Projekt sichtlich suspekt. Hätte ich zu laufen begonnen oder mir ein vergleichbares Hobby gesucht, hätte wohl keiner was dabei gefunden. Dass ich mich aber in Büchern vergraben und studiert habe, stieß vielfach auf Unverständnis.“
Dass ein solches Ausbrechen aus althergebrachten Stereotypen nicht unbedingt auf Ablehnung stoßen muss, erlebte hingegen Sandra Maier. Die gebürtige Grazerin lebt seit 2011 mit ihrem Mann Stefan auf dem Hof der Schwiegereltern in Hart. „Dass wir hier den von der Schwiegermutter ins Leben gerufenen Hofladen weiter auf- und ausbauen wurde erst Thema, als wir unser erstes Kind erwartet haben“, gesteht die begeisterte Jungbäuerin, die neben einem abgeschlossenen Studium im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich auf eine langjährige Berufserfahrung als Assistentin der Geschäftsleitung in einem renommierten Grazer Handelsunternehmen aufweisen kann.
Der Wechsel auf den Hof und in die Landwirtschaft fiel ihr dennoch nicht schwer – immerhin hatte sie schon als kleines Kind davon geträumt, Bäuerin zu werden. Auch ihre Freundinnen, die allesamt in einem urbanen Umfeld berufstätig sind, respektieren ihre Entscheidung: „Viele von ihnen wissen aus eigener, oft leidvoller Erfahrung, wie herausfordernd es sein kann, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, und freuen sie sich daher mit mir, dass ich mir das so gut einteilen kann. Außerdem wissen sie die regionalen Produkte, die sie bei mir bekommen, zu schätzen“, schmunzelt Maier.